Internet-Plattform feiert Geburtstag Menschen, Tiere, Sensationen — zehn Jahre Youtube

Düsseldorf · Zehn Jahre, nachdem die Internet-Plattform Youtube eröffnet wurde, ist sie das zweitgrößte soziale Netzwerk der Welt. Ihr Einfluss auf die populäre Kultur ist enorm. Und sie bringt einen neuen Typus des Superstars hervor.

Zehn Youtube-Videos, die in Erinnerung bleiben
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Foto: Screenshot: Youtube.com

Nehmen wir nur mal Bibi. Unter diesem Spitznamen tritt Bianca Heinicke bei Youtube auf, sie ist 22 Jahre alt, sagt oft "irgendwie so" und "mega" und flattert beim Reden auch dann aufgeregt mit den Armen, wenn sie nur übers Schminken spricht. Vor zwei Jahren lud die Kölnerin einen kurzen Film bei Youtube hoch, sie gab darin Tipps, wie man sich eine schöne Flechtfrisur machen kann.

So viele Leute sahen sich das an, dass Bibi weitermachte und bald einen eigenen Youtube-Kanal namens "Bibis Beauty Palace" betrieb. Sie stellt zwei Mal die Woche neue Filme von fünf bis 15 Minuten Länge ein und ist inzwischen die Frau mit den meisten Abonnenten. 1,6 Millionen sind es: Sie sehen ihr dabei zu, wie sie einkauft und wie sie verreist, wie ihr Freund sie auf Mallorca in den Pool schubst und sie sich alte Fotos ansehen.

Die Videoplattform Youtube wird zehn Jahre alt, und das Beispiel Bibi zeigt, wie einflussreich dieses Forum geworden ist, welche Kraft es hat und welche Bedeutung. Youtube ist das Bildgedächtnis der Gegenwart, es erneuert sich mit jedem Lidschlag, denn pro Minute werden rund 300 Stunden Filmmaterial hochgeladen.

Hochkultur neben Gossen-Trash

Dort finden sich Anleitungen zum Kochen von Milchreis und zum Binden von Krawatten. Die Adorno-Rede ist einen Klick von einem Video entfernt, das ein DJ-Set in einem New Yorker Club dokumentiert. Alle Folgen von "Manni, der Libero" stehen dort und auch der filmische Heiratsantrag, den ein Norddeutscher seiner Freundin machte. Und besonders schön ist der Clip eines High-End-Fans, der die 1000 Euro teuren Kabel seiner Stereoanlage einweiht, indem er Pink Floyd auflegt und die Kamera einfach auf die Kabel hält.

Die Vielfalt ist unterschiedslos, Hochkultur steht neben Gossen-Trash. Irgendjemand nannte diesen Ort einmal sehr treffend den "globalen Bürgersender". Dieses Funkhaus kennt keinen Sendeschluss und nur eine Programmrichtlinie: keine Pornos. "Broadcast Yourself" lautete das erste Motto des Senders, der nach zwei Jahren von Google für 1,65 Milliarden Dollar gekauft wurde. Was Medienarchäologen dort finden, sind Millionen Fragmente, aus denen sich eine visuelle Geschichtsschreibung zusammensetzen lässt.

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Youtube ist das Leitmedium der Jugend. Leute wie Bibi senden für Zwölf- bis 20-Jährige, die sich im Schnitt vier Stunden pro Tag im Netz aufhalten. Man darf nicht vergessen, dass die Plattform das nach Facebook zweitgrößte soziale Netzwerk der Welt ist. Man kann personalisierte Startseiten anlegen, Videos teilen und empfehlen. Jeder Clip könnte zum Hit werden, jeder Urheber zum Star — siehe Justin Bieber, Lana Del Rey und Psy.

Der Typ "Oversharer"

Bibi kündigt neue Filme mehrfach über Twitter an, und weil sie in wenigen Stunden Hunderttausende erreicht, hat auch die Industrie das Phänomen "new sincerity", der authentischen Ansprache also, für sich entdeckt. Bibi wird gratis versorgt mit Waren, in der Hoffnung, dass sie sie vor der Kamera preist. Im Grunde macht Bibi nämlich nichts anderes, als Waren zu preisen. Wenn sie etwa aus dem Drogeriemarkt heimkehrt, breitet sie die Beute ihres Shopping-Ausflugs aus. Sie spielt dann beste Freundin. Bisher wurden Bibis Filme 184 Millionen Mal aufgerufen. Es heißt, Youtube zahle 1,50 Euro für 10.000 Klicks, finanziert wird das durch Werbung, und Bibi soll monatlich allein dadurch einen fünfstelligen Betrag einnehmen.

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"Oversharer" heißen Menschen, die besonders viel von sich preisgeben. Bibi ist ihre Königin. Bei ProSieben tritt sie regelmäßig in einer Fernsehsendung auf, der Reiseveranstalter Neckermann wirbt mit ihr, und die Codes, die sie benutzt, die direkte Ansprache, das Unter-uns-Sprechen und dieses "Finde ich irgendwie" haben Einzug gehalten in verschiedene TV-Formate. Figuren wie Bibi prägen die Sprache ihrer Fans, beeinflussen deren Vorlieben und verändern die Gestalt von Medienprodukten.

Vielleicht kann man Youtube als die neue Subkultur der Weltgemeinschaft bezeichnen. Hier entstehen Trends, die rasch von anderen Märkten übernommen werden. Das heißt indes nicht, dass die Tradition nicht gepflegt würde. In einem Film verrät Bibi ihre "crazy Lebensträume". Neben einer Nacht im Iglu und einem eigenen Pferd gehören dazu auch: "Mit meinem Freund Julian zusammenbleiben und irgendwann Mama werden."

(hol)
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