RP Plus Kai Ebel: Schumachers Siegchancen steigen

Seit 20 Jahren berichtet Kai Ebel (47) für RTL aus der Boxengasse der Formel 1. Im Interview mit RP Plus erzählt er, wer seine Lieblings-Gesprächspartner sind, wie er den Tod von Ayrton Senna erlebt hat und warum er nicht gern zum Indien-Grand-Prix fährt.

 "Mir. Boxengasse": RTL-Moderator Kai Ebel berichtet seit 20 Jahren von der Formel 1.

"Mir. Boxengasse": RTL-Moderator Kai Ebel berichtet seit 20 Jahren von der Formel 1.

Foto: Thomas Lammertz

Seit 20 Jahren berichtet Kai Ebel (47) für RTL aus der Boxengasse der Formel 1. Im Interview mit RP Plus erzählt er, wer seine Lieblings-Gesprächspartner sind, wie er den Tod von Ayrton Senna erlebt hat und warum er nicht gern zum Indien-Grand-Prix fährt.

Herr Ebel, Sie sind jetzt seit 20 Jahren dabei. Ist Ihr Job längst Routine oder kribbelt es noch immer so kurz vor dem Start?

Kai Ebel Klar gibt es Routine, weil sich Situationen und Rennorte wiederholen, aber da kein Rennen wie das andere ist und sich immer neue Herausforderungen und Konstellationen ergeben, kribbelt es immer wieder.

Ihr Job wirkt wahnsinnig stressig. Sie stehen in der überfüllten Boxengasse, haben relativ wenig Zeit und müssen liefern. Wie behalten Sie den Überblick?

Es ist in der Tat stressig, aber da hilft mir wieder die Routine. Ich kenne die Wege, ich kenne das Umfeld, ich kenne die Leute. Und wenn mal etwas Unvorhergesehens passiert wie damals in Kanada, als wegen einer Regenunterbrechung drei Stunden kein Auto fuhr, da fällt einem dann auch was ein.

Haben Sie nach so langer Zeit ein Art Vorrecht bei den Interviews? Oft sieht es so aus, als stünden alle nur um ihr gelbes Mikrofon herum.

Nein. Da kämpfen wir uns schon durch. Es ist aber so, dass die deutschen Fahrer schon darauf achten, erst mit den deutschen Medien zu reden.

Die Fahrer achten darauf?

Es liegt ja auch in deren Interesse. Wenn sie einen Pulk von Journalisten sehen, dann gehen sie zuerst auf uns zu. Schließlich sitzen zuhause vorm Fernseher ihre Fans.

Gibt es Lieblings-Interviewpartner?

Sehr witzig sind Timo Glock, Nico Rosberg und Sebastian Vettel. Wer auch sehr schlagfertig ist, ist Mark Webber.

Kimi Räikkönen, der jetzt wieder in die Formel 1 zurückgekehrt ist, sagt ja so gut wie nichts. Freuen Sie sich schon auf die Interviews?

Ja, ich freue mich, weil diese Gespräche irgendwie kultig sind. Der Mann macht ja immer das gleiche Gesicht, egal, ob er von einer Beerdigung kommt oder einer Geburtstagsfeier. Er hat auch nach seinem WM-Titel (mit Ferrari 2007, Anm. d. Red.) genauso geguckt, als wenn ihm jemand das Auto geklaut hätte. Ich finde das traumhaft.

Wie nähern Sie sich einem Fahrer, der gerade durch einen Unfall die WM verspielt hat und alles möchte, nur nicht mit ihnen reden?

Ich versuche, seine Körpersprache zu lesen und gucke mir das Umfeld an. Braucht der noch eine Minute? Kann ich ihn überhaupt ansprechen? Kann ich ihn leicht am Arm berühren? Das ist eine reine Gefühlssache. Aber da hilft die Erfahrung. Mit Schumacher hatte ich über 1000 Interviews, da weiß ich, ob er gar nicht redet oder höchstens bruchstückweise.

Lewis Hamilton lässt Sie gern mal verhungern.

Bei ihm gibt es die gesamte Palette. Manchmal stürzt er strahlend auf mich zu und sagt: "Mensch, klasse Krawatte." Mal ist er extrem einsilbig und macht Dienst nach Vorschrift.

Michael Schumacher kennen Sie schon sehr lange. Siezen Sie sich nur vor der Kamera?

Ja. Man kennt sich mit der Zeit und duzt sich. Aber vor der Kamera ist es Usus, sich zu siezen, um die journalistische Distanz zu wahren. Wenn ich jetzt nur noch durch die Gegend duze, hört sich das zu sehr nach Einheitsbrei an. Aber sonst duzen wir uns, das bekommt ja auch jeder mit.

Teilen Sie den Eindruck, dass Michael Schumacher seit seiner Rückkehr viel gelassener mit Rückschlägen umgeht als früher?

Den Eindruck teile ich unbedingt, und das ist auch so. Die Situation ist heute aber auch eine andere. Damals ging es für ihn um das Ganze, und das war der Weltmeistertitel. Jetzt wünscht er sich das zwar auch, aber der erste Schritt war, wieder eine Aufgabe zu haben. Und diese Aufgabe, das Rennenfahren, macht ihm unglaublich viel Spaß. Der zweite Schritt ist das Siegen. Doch bislang hatte er ein stumpfes Werkzeug. Er wusste, dass er sein Bestes gegeben hat, aber das Auto war eben nicht gut genug. Er wartet gelassen ab, bis es besser wird. Und nach den Testfahrten spricht vieles dafür. Wenn er Chancen hat, zu gewinnen, und es dann nicht klappt, wird er auch wieder angefressen sein. Bislang konnte er sagen: Mehr war nicht drin.

Ist ein Schumacher-Sieg in diesem Jahr denn realistisch?

Die Chance, dass er in diesem Jahr gewinnt, ist deutlich größer als im letzten. Die scheinen bei Mercedes tatsächlich einen Sprung gemacht zu haben und werden sich wohl hinter Red Bull und McLaren einordnen. Podiumsplätze sind auf jeden Fall drin.

Wenn Sie auf die vergangenen 20 Jahre zurückblicken, was war das schockierendste Erlebnis?

Das schockierendste war ganz klar das Rennen, wo wir zum ersten Mal eine Livekamera hatten, ich zum ersten Mal Kai Ebel aus der Boxengasse war und in Imola 1994 Roland Ratzenberger und Ayrton Senna gestorben sind. Das ganze Wochenende war wie ein Countdown des Schreckens: Am Freitag hatte Rubens Barrichello einen schweren Unfall. Er hat sich zwar nur die Nase gebrochen, aber der Unfall sah viel schlimmer aus. Der Wagen stand quer in der Luft, knallte gegen eine Leitplanke, und der Helm war voller Blut. Am Samstag verunglückte Roland Ratzenberger tödlich, und ich kann mich noch heute daran erinnern, wie sein Kopf hin und her wackelte und ich dachte: Um Himmels Willen, der ist ja gar nicht mehr an der Wirbelsäule dran. Und im Rennen kam dann der Unfall von Ayrton Senna. Er hat sich nicht mehr bewegt. Es war sofort klar, dass das kein Unfall ist, der in einer halben Stunde vergessen sein wird. Plötzlich fühlte ich mich nicht mehr wie ein Reporter, der von einem Sportereignis berichtet, sondern von der Front.

Wie macht man nach solchen Unfällen weiter?

Indem man sich besinnt. Ich bin Journalist, ich muss in dem Moment funktionieren und dem Zuschauer vorm Fernseher schildern, was da gerade passiert. Ich hätte lieber vom Sieg eines Deutschen berichtet, aber stattdessen musste ich berichten, dass da gerade ein Mensch gestorben ist.

Gab es mal den Gedanken, dass die Formel 1 eigentlich Wahnsinn ist und so nicht weitergehen kann?

Wir haben uns natürlich gefragt, wie man das Ganze sicherer machen kann. Dass da Menschen sterben, konnte einfach nicht sein, und es war klar: Wenn das noch mal passiert, wird die ganze Geschichte eingestellt. Allerdings hat die FIA unter Max Mosley viel für die Sicherheit getan, und seit Sennas Tod ist — toi toi toi — in der Formel 1 nichts Vergleichbares mehr passiert.

Was war das schönste Ereignis in den 20 Jahren?

Das war logischerweise die erste WM von Michael Schumacher. Mitzubekommen, wie zum ersten Mal ein Deutscher Weltmeister wird und Geschichte schreibt, dass war großartig. Fantastisch war aber auch der erste Titel von Sebastian Vettel, weil er völlig überraschend kam. Bei Schumacher konnte man das kommen sehen, aber bei Vettel dachten bis vor Schluss alle, dass Alonso Weltmeister wird. Als er es dann geschafft hatte, war die Stimmung im Fahrerlager unvergleichlich. Alle haben es ihm gegönnt, und sein Vater ist Amok gelaufen.

Sie werden bis Ende November um die Welt jetten. Welchen Rennort können Sie nicht leiden?

Am schlechtesten von allen hat mir bisher Indien gefallen.

Warum?

Das fand ich von A bis Z nicht so toll. Erstmal war ich drei Tage lang richtig übel krank. Dann habe ich noch nie so viel Armut und Dreck gesehen wie da. Das deckt sich nicht mit der Formel 1. Zudem war der Smog unerträglich. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, mein Hals ist belegt. Beim Duschen musste man aufpassen, dass einem kein Wasser in den Mund läuft und man krank wird.

Zum Schluss müssen Sie uns noch sagen, wer Weltmeister wird.

Sebastian Vettel schafft es zum dritten Mal.

(seeg)
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