Schutz vor US-Geheimdiensten Microsoft plant nach NSA-Enthüllungen eine deutsche Cloud

Düsseldorf · Je mehr Enthüllungen es rund um die technischen Ausspäh-Möglichkeiten ausländischer Geheimdienste gibt, desto größer wird das Misstrauen deutscher Firmen gegenüber Anwendungen in der Cloud. Doch das ist für viele IT-Konzerne ein Milliardengeschäft. Microsoft denkt deswegen für den deutschen Mittelstand deswegen jetzt über eine eigene Cloud nach. Auch andere Hersteller haben ähnliche Pläne. Doch ist dies nur Kosmetik?

 Als Cloud Computing werden Dienste oder Programme gespeichert, die nicht auf den lokalen Computern der Nutzer liegen, sondern über das Internet erreichbar sind.

Als Cloud Computing werden Dienste oder Programme gespeichert, die nicht auf den lokalen Computern der Nutzer liegen, sondern über das Internet erreichbar sind.

Foto: ap

Microsoft prüft wegen Datenschutzbedenken der hiesigen Wirtschaft eine deutsche Cloud für den Mittelstand. Cloud-Dienste, die aus einem deutschen Rechenzentrum heraus angeboten würden, sollten dem deutschen oder europäischen und nicht dem amerikanischem Recht unterliegen, sagte Microsoft-Deutschland-Chef Christian Illek dem "Tagesspiegel" (Montagsausgabe). Die derzeit in den Niederlanden und Irland betriebenen Rechenzentren seien den deutschen Unternehmern "offensichtlich noch nicht gut genug".

Deshalb werde nun eine Lösung geprüft, wo die Datenverwaltung bei einem deutschen Partner läge, sagte der deutsche Microsoft-Chef der Zeitung. Die Daten wären dann vor dem Zugriff der US-Behörden geschützt. Derzeit liefen Gespräche mit verschiedenen Anbietern.

Im Zuge der NSA-Spähaffäre waren im vergangenen Jahr auch mehrere US-Unternehmen aus den Bereichen Internet und Telekommunikation in Verdacht geraten, dem Geheimdienst Zugang zu Daten ihrer Kunden zu gewähren. Viele hiesige Firmen sind daher misstrauisch geworden, was das Speichern ihrer Daten im Ausland angeht.

Hewlett-Packard hat ähnliche Pläne

Auch der US-Konzern Hewlett-Packard macht einen Vorschlag für einen europäischen Datenraum. "Wir treten für eine europäische Cloud ein", sagte HP-Deutschlandchef Heiko Meyer der Nachrichtenagentur dpa. "Wir sollten einen gemeinsamen Datenraum für Europa entwickeln wie den europäischen Wirtschaftsraum."

Im Zuge der NSA-Affäre hatten sich mehrere europäische Firmen für rechtliche Abkommen zu Diensten und Software ausgesprochen, auf die Nutzer über das Internet zugreifen (Cloud Computing). Der ehemalige SAP-Chef Jim Hagemann Snabe forderte vergangenes Jahr europäische Regeln für Datendienste. Ex-Telekom-Chef René Obermann sprach sich für ein sogenanntes "Schengen-Routing" aus - Internet-Dienste, bei denen die Daten auf dem Weg zwischen zwei Punkten in Europa entsprechend auch die europäischen Grenzen nicht verlassen sollen.

Netzwerk für die EU-Mitgliedsländer

HP will sich nun der Technologie dahinter annehmen. Unter dem EU-Forschungsprogramm Horizon 2020 habe HP einen Antrag für ein Projekt namens "Cloud 28+" eingereicht, sagte Meyer. Darunter versteht der IT-Konzern, der neben Computern und Servern auch IT-Dienstleistungen anbietet, einen rechtlichen und technologischen Rahmen für Cloud-Dienste in den 28 EU-Mitgliedsländern. Auf dieser Basis will der IT-Konzern einen gemeinsamen Marktplatz für Cloud-Anwendungen schaffen. "Das wird unseren gemeinsamen Wirtschaftsraum stärken", so Meyer.

Nach einer Modellrechnung des US-Marktforschers IDC im Auftrag der EU-Kommission würde ein gemeinsamer europäischer Datenraum den Beitrag von öffentlichen Cloud-Diensten zum Bruttoinlandsprodukt auf 250 Milliarden Euro bis 2020 steigern. Ohne die europäische Cloud läge er dann lediglich bei 88 Milliarden Euro.

Vertrauen in US-Unternehmen

In dem Entwurf von HP sollen die Internetdienste in lokalen Rechenzentren nach den jeweiligen Sicherheitsanforderungen gemanagt werden, erklärte HP-Deutschlandchef Meyer. Verbunden werden sollen die lokalen Angebote mit Hilfe von Standards und einem offenen Betriebssystem. "Im Kern ist das ein europäischer Marktplatz für Cloud-Dienste", sagte Meyer. "Geleitet werden soll das Projekt von einer Non-Profit-Organisation."

Dass sich nun trotz NSA-Affäre und Diskussionen um ein Anti-Spionage-Abkommen ausgerechnet ein US-Unternehmen um europäische Cloud-Dienste kümmern soll, findet der HP-Deutschlandchef nicht weiter erwähnenswert. "Es spielt keine Rolle, dass wir ein Unternehmen mit Wurzeln in der den USA sind", sagte Meyer. HP leite im Auftrag der EU-Kommission auch ein Projekt, das die Grundlagen für Datenschutz und Sicherheit in einer europäischen Cloud schaffen soll.

(DEU)
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