Experte im Interview "Deutschland braucht ein smartes Stromnetz"

Düsseldorf · Kaum jemand kennt die vier Buchstaben IEEE. Dahinter aber steht der weltweite Berufsverband von mehr als 400.000 Elektrotechnik- und Informatik-Ingenieuren mit Sitz in New York, der unter anderem weltweite Standards für Computer- und Übertragungstechniken schafft. Sam Sciacca ist der Sprecher der IEEE Standards Association und ist überzeugt, dass Deutschland im Zuge der Energiewende an einem Smart Grid – einem intelligenten Stromnetz – nicht vorbei kommt. Im Interview verrät er, warum.

 Sam Sciacca ist Sprecher des Verbandes IEEE SA, der 400.000 Ingenieure weltweit vertritt.

Sam Sciacca ist Sprecher des Verbandes IEEE SA, der 400.000 Ingenieure weltweit vertritt.

Foto: IEEE

Kaum jemand kennt die vier Buchstaben IEEE. Dahinter aber steht der weltweite Berufsverband von mehr als 400.000 Elektrotechnik- und Informatik-Ingenieuren mit Sitz in New York, der unter anderem weltweite Standards für Computer- und Übertragungstechniken schafft. Sam Sciacca ist der Sprecher der IEEE Standards Association und ist überzeugt, dass Deutschland im Zuge der Energiewende an einem Smart Grid — einem intelligenten Stromnetz — nicht vorbei kommt. Im Interview verrät er, warum.

Im Zuge der Energiewende wird immer wieder auch von einem "Smart Grid" gesprochen. Aber was ist das genau?

Sciacca Das Stromnetz muss man als Netzwerk begreifen. Ähnlich wie das Internet beispielsweise oder ein Telefonnetz. Was das Stromnetz aber einzigartig macht, ist, dass sich die Strom-Erzeugung, die Strom-Übertragung und der Strom-Verbrauch simultan verändern können. Eine Kontrolle des gesamten Systems ist darum dringend notwendig, damit es effizient und kosteneffektiv funktioniert. Denn nur dann lässt sich die Last intelligent regeln. Das steckt hinter dem Smart Grid.

Welche Bausteine benötigen wir?

Sciacca Ich denke, dass die Kraftwerke als Strom-Erzeuger und das Stromnetz bereits sehr smart, also intelligent sind. Was indes fehlt, sind Informationen von den Verbrauchern. Damit sind sowohl Privatleute als auch Unternehmen gemeint. Bislang fehlt da der Informationsfluss, wann sie wie viel Strom verbrauchen. Und das wiederum macht die gesamte Stromversorgung buchstäblich "dumm" und ineffizient. Gerade bei variablen Stromquellen wie Windkraft oder Photovoltaik kommt es darauf an, die Last intelligent zu verschieben und die Erzeugung zu optimieren. So wird ein Gleichgewicht zwischen Erzeugung, Übertragung und Verbrauch sichergestellt.

Und was genau wäre der erste Schritt?

Sciacca zunächst benötigen wir einen Standard, um die Informationen zu übertragen. Damit wird definiert, wie ein intelligenter Stromzähler, ein Smart Meter, Daten weitergibt, wie ein Elektro-Auto, eine Windkraft- oder Photovoltaik-Anlage in ein Stromnetz eingebunden werden kann. Daran arbeitet die IEEE derzeit. Genau wie wir einen Standard für die drahtlose Internet-Verbindung geschaffen haben, das Wlan.

Warum ist so ein Standard wichtig?

Sciacca Weil man sich für die Übertragungssysteme des Smart Grid keine regionalen Einzellösungen leisten kann. Ein System für Brasilien, eins für Deutschland, eins für die USA - das wäre viel zu teuer und ineffizient. Lieber will man einen weltweiten Standard, um dann auf der Basis die Systeme zu entwickeln und herzustellen.

Aber was genau bringt mir das als Privatkunde eines Versorgers?

Sciacca Zunächst bringt es eine Kostenersparnis. Sinn des Smart Grid ist ja, das Stromnetz möglichst effektiv zu machen. Das heißt für den Einzelverbraucher, dass er dann Strom bezieht, wenn er günstig ist, also viel Strom zur Verfügung steht. Umgekehrt heißt es, dass der Stromverbrauch reduziert wird, wenn wenig Strom zur Verfügung steht. Dafür müssen Daten fließen vom Kraftwerk, über das Stromnetz zum Verbraucher und zurück. Und es muss auch von Abrechnung des Stromes geben und zwar zeitgenau, nicht über den Monat ermittelt.

Also spare ich mit dem Smart Grid Geld...

Sciacca Ja, aber das wird nicht so viel sein. Ich persönlich denke, dass zum Smart Grid auch eine weitere Information gehört, sei es am Computer, auf dem Smartphone oder Tablet. Etwas, dass mir sagt, wie viel CO2 ich persönlich eingespart haben oder wie viel Energie. Und was mein Beitrag ist, dass ein Kernkraftwerk abgeschaltet werden kann. Etwas in der Art und dass mir zeigt, dass ich nicht umsonst den Fernseher ausgemacht habe. Ich denke, dadurch könnte mehr erreicht werden als durch ein paar eingesparte Euros.

Sie meinen, so etwas wie die Verbrauchsanzeige im Auto. Wird es schwer sein, so etwas und das Smart Grid einzuführen.

Sciacca Ich denke nicht. Die Technologien sind ja bereits vorhanden. Wir müssen also nicht auf einen großen technischen Durchbruch hoffen. Es müssen nur alle, Erzeuger, Netzbetreiber und Verbraucher, wollen.

Ludwig Jovanovic führte das Gespräch

(csr)
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