"Wir können alle erwischen" Feldzug gegen Raubkopierer

Gestern ist der Kölner Staatsanwaltschaft der deutschlandweit größte Schlag gegen illegale Musik-Downloads im Internet gelungen. Wie die Täter aufgespürt werden, und warum sich kein Musikpirat mehr sicher fühlen kann - ein Fahnder der Musikindustrie behauptet: "Wir können alle erwischen."

 Von allen Kino-Neuheiten wird "Madagascar" am häufigsten illegal heruntergeladen.

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Foto: Jens Schierenbeck, gms

Köln Clemens Rasch ist bester Stimmung. Der Hamburger Jurist kommt aus der Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft im Justizzentrum Köln. "Das ist ein guter Tag für die Musik-Industrie", erklärt der Jurist. "Die Leute sitzen zu Hause und denken, keiner sieht mich. Aber das ist ein Irrtum. Wir können alle erwischen."

Die Leute - damit meint Clemens Rasch Musikpiraten. Der Geschäftsführer der Kanzlei "ProMedia" vertritt den Bundesverband Phono, dem tausend Musik-Hersteller angehören. "Pro Media" macht Jagd auf die Raub-Kopierer. "Die Schonfrist für Musikpiraten ist abgelaufen", sagt Rasch."

Durch die illegalen Downloads entstehen der deutschen Musikwirtschaft jährlich Schäden in dreistelliger Millionenhöhe. Die Internet-Nutzer laden Titel kostenlos aus dem Netz auf den Rechner, sparen so das Geld für teure CDs aus dem Laden. Jetzt hat die Musikindustrie mit Hilfe der Kölner Staatsanwaltschaft ein Zeichen gesetzt. Gestern Morgen starteten die Ermittler eine Razzia gegen die Raub-Kopierer. "Es wurden 130 Wohnungen durchsucht und gegen 3500 Nutzer Strafanzeige gestellt", berichtet Staatsanwalt Jürgen Krautkremer.

Die Musikpiraten hatten die Titel über das Netzwerk "eMule" ausgetauscht. Die Downloads dort sind kostenlos - aber illegal. Die Privat-Ermittler der Kanzlei "Pro Media" hatten den Schlag seit zwei Monaten vorbereitet. Die Internet-Detektive meldeten sich selbst bei "eMule" an. Nach und nach konnten sie durch eine Spezialsoftware die E-Mail-Adressen von 40000 Musikpiraten ermitteln. 3500 Raubkopierer wurden schließlich mit Hilfe der Anbieter identifiziert. Bei Nutzern, die mehr als 500 Titel gespeichert hatten, rückte gestern morgen die Polizei an. 100 PCs wurden sichergestellt.

Die Strafen, die den Musikpiraten drohen, sind empfindlich. Der auf Internet-Recht spezialisierte Anwalt Christian Solmecke vertritt mehrere Betroffene im Raum Wuppertal, Köln und Düsseldorf. Der Jurist schildert den Fall des 22-jährigen Studenten Markus G., der in Bochum Germanistik studiert. "Mein Mandant hatte 4000 Titel auf dem Rechner gespeichert", berichtet Solmecke. "Für jeden Song sollte er 10000 Euro Schadenersatz zahlen." Nach der Forderung, die die Kanzlei "ProMedia" stellte, hätte der Student mehr als 40 Millionen Euro zahlen müssen. "Da klar war, das diese Forderung utopisch war, hat man meinem Mandanten eine außergerichtliche Einigung angeboten", sagt Anwalt Solmecke. "Markus G. soll pauschal 10.000 Euro zahlen - immer noch eine stolze Summe."

Im Durchschnitt liegen die Schadenersatzforderungen bei rund 3000 Euro. Der Umsatz der deutschen Musikindustrie ist dramatisch gesunken - er ging von drei Milliarden Euro im Jahr 1999 auf 1,5 Milliarden Euro im vergangenen Jahr zurück. Die Zahl der Arbeitsplätze verringerte sich von 14.000 auf 9000. Die Zahl der illegalen Downloads stieg von 383 Millionen (2004) auf 413 Millionen im vergangenen Jahr. Seit 2004 stellte die Musikindustrie bereits 4000 Strafanträge gegen Musikpiraten.

"In einem Zivilprozess muss die Musikindustrie nachweisen, dass der Nutzer einen Schaden konkret verursacht hat", erläutert Rechtsanwalt Solmecke. Hier sei die Rechtslage teilweise unklar. "Oft ist ungeklärt, wer einen Internetanschluss tatsächlich genutzt hat. Bei Wohngemeinschaften können mehrere Nutzer parallel zum Beispiel über W-LAN auf einen Internet-Anschluss zugreifen."

Die meisten Betroffenen sind Schüler und Studenten im Alter zwischen 15 und 25 Jahren. "Aber es gibt auch Achtjährige, die mit der Technik vertraut sind", weiß Rechtsanwalt Solmecke. Wer haftet eigentlich, wenn der Nachwuchs im Kinderzimmer unbemerkt zum Musikräuber wird? Markus Achenbach, Rechtsanwalt der Bonner Kanzlei Ledschbor und Erdrich, warnt die Jugendlichen vor Unbekümmertheit. "Kinder, die älter als sieben Jahre als sind, können für Schäden haftbar gemacht werden, wenn sie die Einsicht hatten, etwas Verbotenes zu tun. Urteile gegen Jugendliche können 30 Jahre lang vollstreckt werden. Eltern müssen nicht haften, es sei denn, sie verletzen ihre Aufsichtspflicht. Wer weiß, dass sein Kind illegale Downloads macht, muss einschreiten."

(RP)
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