Die Boombox-Erben auf der IFA Da dröhnt der Bass

Berlin · Sie brachten den Hip-Hop auf die Straße und in den Park. Dann, irgendwann vor einem knappen Vierteljahrhundert verschwanden die Boomboxen. Was ist aus ihnen geworden? Bei der IFA in Berlin sind ihre Erben zu sehen. Und die haben einiges zu bieten.

IFA 2012: Die neue Boombox-Generation
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IFA 2012: Die neue Boombox-Generation

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Japanische Kids waren in den späten 70er und frühen 80er Jahren Zielgruppe für silbrig glänzende Radiokassettenrekorder. Marken wie Sharp, JVC, Crown, Toshiba oder Aiwa produzierten die kantigen, schweren Geräte mit Tragegriff.
Boomboxen wurden zu einem Must-have in US-Großstädten und schnell auch Teil der Jugendkultur in Deutschland.

Equalizer, LED-Pegelanzeige, Musiksuchlauf, dazu ein Meer aus Schaltern: Immer mehr Funktionen spendierten die Hersteller den Ghettoblastern. Es gab sogar Modelle mit ausziehbarem Plattenspieler oder Keyboard. Doch als LL Cool J 1986 "I can't live without my radio" rappte, war die Ära der Soundboliden schon fast wieder vorbei.

Ganz verschwunden war das Konzept der dröhnenden Bässe aber nie.
Zu stark ist der Mythos der Party auf Schritt und Tritt. Auf der IFA in Berlin (noch bis 5. September) sind wieder Boomboxen zu sehen, oder besser gesagt ihre rundlich gewordenen Erben. Sie haben allesamt Fernbedienungen und beziehen ihre Musik nicht mehr von der Kassette, sondern per Smartphone oder drahtlos.

"Früher haben wir eine Menge dieser Ghettoblaster verkauft", sagt Thies Radeloff, Produktmanager bei Sharp. Die neuzeitliche Boombox der Japaner heißt nun GX-M10 und bringt gute sieben Kilo auf die Waage. Sie glänzt nicht silbern, sondern in einem eigenwilligen Metallic-Orange. Rund wie eine Raketenstufe stecken hinter den Schutzgittern Töner, die von einem Subwoofer für den richtigen Wumms unterstützt werden. "Für den bassbetonten, vollen Sound ist die Röhrenform viel besser", erteilt Thies den eckigen Urahnen eine Absage.

Im Mittelteil mit den Bedienelementen befindet sich ein verschließbares Dock-Abteil für Apple-Geräte. Es gibt aber auch einen MP3-CD-Player, ein Radioteil, Klinken- und USB-Buchsen sowie Eingänge für Gitarre und Mikro. Wer den GX-M10 nicht klassisch auf der Schulter oder am seitlichen Henkel tragen möchte, benutzt den mitgelieferten Tragegurt. Nicht nur das 220-Volt-Stromnetz, sondern auch acht dicke Monozellen oder eine 12-Volt-Quelle taugen als Stromspender.

Als dunkel-elegante Sound-Eminenz präsentiert sich TDKs neue Wireless Boombox (A73). Ein brückenartiger, fest montierter Handgriff throhnt über dem unabgedeckten Mitteltöner im tiefschwarzen eckigen Gehäuse mit Subwoofer. Einzige Kontrastpunkte sind die goldfarbenen Zentren der Töner und zwei ebenfalls goldfarbene Drehschalter. Musik empfängt die Stereo-Boombox drahtlos per Bluetooth - mit AAC-Codec-Unterstützung-, über den eingebauten UKW-Radiotuner oder per Klinkensteckerkabel.

Der Bass ist regelbar, und es gibt eine Höhenentzerrung. Auf der Straße spendet ein integrierter Akku laut Hersteller bis zu sechs Stunden Strom, den andere mobile Geräte auch im Netzbetrieb per USB (2,1 Ampere) zum Aufladen abzweigen dürfen. 350 Euro muss man für die rund neun Kilo schwere A73 anlegen.

Im wuchtigen Röhrendesign mit auffälligen Reflexöffnungen für "kompromisslosen, bassbetonten Powersound" hält JVC seinen BoomBlaster am Markt. Jüngst haben Digitalradio (DAB+) und Bluetooth Einzug ins schwarze Gehäuse des RV-NB90 (429 Euro) erhalten. Hinter einer Plastikklappe können nach wie vor Apple-Geräte angedockt werden, es gibt einen CD-Player sowie eine USB-Buchse zum Abspielen und Aufzeichnen. Musiker werden die Anschlüsse für Mikro und Gitarre samt Verzerreffekten und Metronom-Funktion freuen.

Streetdancer hat Pioneer mit seiner Boombox-Serie Steetz ins Auge gefasst. Ein Pitch-Regler beeinflusst das Tempo eines Songs aus dem vier Gigabyte großen internen Musikspeicher. Und natürlich geht nichts ohne iPhone-Dock. Das Design des Sieben-Kilo-Spitzenmodells STZ-D10Z (399 Euro) liegt irgendwo zwischen funktional und futuristisch. In einem Käfig aus drei Tragegriffen ruht der Blaster wie eine Sanduhr. "90 Prozent der Verkäufe fokussieren sich auf das große rote Modell", sagt Pioneer-Produktmanager Jürgen Timm. "Da ist der Show-off-Effekt am größten." Seit die ersten Steetz-Geräte vor einem Jahr auf den Markt kamen, ist die Robustheit verbessert worden, sagt Timm. Zur Unabhängigkeit von der Steckdose braucht die große Boombox einige Monozellen.

1985 kam ein C64-Spiel namens Ghettoblaster auf den Markt: Aufgabe des Helden - ein Rastafari namens Rocking Rodney - war es, die Bewohner der Stadt Funky Town im Vorbeilaufen zum Tanzen zu bringen.
Hätte der damals schon die Bag of Rythm von House of Marley gehabt, hätte er sich vielleicht nicht so mit seinem riesigen Kassettenrekorder auf der Schulter abschleppen müssen. Denn wie der Name sagt, ruht das hölzerne Chassis der etwas anderen Boombox in einer leichter zu tragenden Umhängetasche mit Öko-Aura. Dock- und Ladefunktion gibt es nur für Apple-Geräte, per Klinkenstecker können aber auch alle anderen Geräte ihre Musik dazugeben. Auch die Rhythmustasche fordert Monozellen für den mobilen Betrieb ein.

Nicht auf der IFA, aber in Berlin arbeitet der Illustrator und Grafikdesigner Axel Pfaender an einem ungewöhnlichen Ghettoblaster.
Sein Gerät, die Berlin Boombox, zitiert als Schwarz-Weiß-Grafik das überbordende Design der Klassiker, konzentriert sich aber technisch aufs Wesentlichste: Ein kombinierter Anschalt- und Lautstärkeregler sowie einen Klinkenstecker zum Anschluss von Smartphones und Musikplayern. Mehr nicht.

Was man auf den ersten Blick nicht unbedingt sieht: Der Blaster ist aus Pappe. Die Idee zu dem Projekt kam Pfaender beim Anblick einer neu gekauften iPod-Dockingstationen. "Mich hat gestört, wie hässlich die war", sagt er. Also faltete er kurzerhand die Illustration einer Boombox in die dritte Dimension und stülpte sie über die ungeliebte Station. "Alle haben gesagt: 'Das musst du rausbringen als Produkt'", erzählt Pfaender.

Und so feilte er an den Abmessungen für einen optimalen Klang, informierte sich über elektronische Bauteile, suchte Zulieferer.
Herausgekommen ist ein Bausatz mit einem vorgestanzten Siebdruck-Bastelbogen aus drei Millimeter starkem Karton, einer Platine mit hocheffizientem digitalem Verstärker, der sich mit drei Mignon-Batterien begnügt, Lautsprechern und Kabeln.

"Man faltet das Gehäuse selbst zusammen und steckt die Lautsprecher rein, ganz ohne Werkzeug", erklärt Pfaender. "Wer dann sein iPhone ansteckt, wundert sich, was für ein fetter Klang herauskommt." Die Boombox ist auch akustisch vermessen worden, und es gibt eine App, die anhand dieser Daten den Sound noch weiter optimieren kann, wenn die Musik vom Smartphone abgespielt wird. Die Berlin Boombox kann für 59 Euro bestellt werden, die Auslieferung soll im Oktober beginnen.

# dpa-Notizblock

## Internet - [IFA](http://www.ifa-berlin.de)
- [Infos zur Berlin Boombox](http://berlinboombox.com/)
- [Online-Boombox-Museum](http://dpaq.de/CFv03)

## Orte - [Messegelände](Messedamm 22, 14055 Berlin)

Die folgenden Informationen sind nicht zur Veröffentlichung bestimmt

## dpa-Kontakte - Autor: Dirk Averesch - Redaktion: Andreas Heimann, +49 30 285232895, - Ansprechpartnerin Foto: Andrea Warnecke, +49 30 285232970,

dpa/tmn av ah

(dpa)
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