Minidisc In Japan ein Hit, in Deutschland vergessen

Euskirchen/Hamburg (rpo). Als die Minidisc vor über zehn Jahren auf den Markt kam, waren die Erwartungen groß: Analoge Audiokassetten sollte die MD ins Technikmuseum schicken und stattdessen selbst zum universellen digitalen Audio-Medium aufsteigen. Inzwischen sind die MP3-Player auf dem Markt und die im Durchmesser nicht einmal sieben Zentimeter große Scheibe, die wie eine Diskette geschützt im Plastikgehäuse steckt, scheint vergessen.

 Die Minidisc ist in Deutschland nur noch ein Nischenprodukt.

Die Minidisc ist in Deutschland nur noch ein Nischenprodukt.

Foto: Jens Schierenbeck, gms

Vor der Bedeutungslosigkeit bewahren sie vor allem ihre Aufnahmequalitäten. Im Mittelpunkt der von Sony entwickelten Technologie steht die Komprimierung von Musik. "Auf eine gewöhnliche MD passen nur ein Fünftel der Daten einer normalen CD, das sieht man genau an der Fläche", erklärt Ulrich Wienforth, Redakteur bei der in Euskirchen erscheinenden Zeitschrift "Stereo" und MD-Experte. Trotzdem speichert der Mini-Silberling 74 oder 80 Minuten Musik - so viel wie die große Schwester CD. Diese neue Kompression taufte Sony Adaptive Transform Acoustic Coding (ATRAC).

"Ursprünglich war die Klangqualität noch ein wenig "giftig", doch die Chips wurden immer besser, bis wir 1995 bei Tests gesagt haben: Die MD hat CD-Qualität", erzählt Wienforth. Damals sei das System mit seinen umfangreichen Editierfunktionen und der Titelanzeige revolutionär gewesen. Titel einzeln löschen, umsortieren oder neu einfügen? Alles kein Problem. Erstmals entfiel das lästige Spulen. Und wie bei der CD war der direkte Zugriff auf Musikstücke möglich. Außerdem hatten die Geräte einen Digitaleingang für verlustfreie digitale Aufnahmen und sogar einen Pufferspeicher gegen Aussetzer.

"Sony wollte mit der MD die Kassette ablösen", sagt Unternehmens-Sprecher Markus Nierhaus. "Allerdings hatte sie in Deutschland nicht den Erfolg, den man sich erhofft hatte." Anders sieht es in Japan aus: "Dort ist MD immer noch ein Thema, zu den besten Zeiten konnte man keine Anlage ohne MD kaufen", sagt Wienforth. Seinen Zenith erreichte das Medium in Deutschland Ende der neunziger Jahre. "Damals hatte jeder namhafte Hersteller mindestens ein Gerät im Programm."

MP3 hat die MD verdrängt

Das hat sich geändert: Sony bietet auf dem deutschen Markt nur noch einen tragbaren MD-Rekorder und drei HiFi-Decks an. Sharp hat die Produktion nach eigenen Angaben für Deutschland eingestellt, produziert aber wie Panasonic noch für den japanischen Markt. "MP3 und Festspeichermedien haben ganz klar die MD verdrängt", sagt Sharp-Sprecher Martin Beckmann in Hamburg. "Es gibt inzwischen andere Technologien wie SD-Karten oder kleine Festplatten", fügt Peter Weber, Sprecher von Panasonic in Hamburg, hinzu.

Ihre Nische hat sich die MD aber beim Erstellen hochwertiger Aufnahmen erkämpft. MP3-Player mit integrierten Mikrofonkapseln taugen zu kaum mehr als Diktierdiensten. Doch fast jeder MD-Rekorder verfügt über einen Mikro-Eingang samt Vorverstärker. "Tragbare MD-Rekorder sind nicht nur gut für die Musikwiedergabe, sondern auch ideal für Reportagen oder Musikmitschnitte", urteilte die Stiftung Warentest bereits im Jahr 2000 im Rahmen eines Tests. In Verbindung mit guten Mikrofonen wurde MD-Rekordern "Sendequalität" attestiert.

Während die Lizenznehmer nach und nach aus der MD-Produktion ausstiegen, entwickelte Sony die MD fleißig weiter. Damit Musik schneller als in Echtzeit auf die Scheibe überspielt werden kann, führte Sony 2001 die Funktion Net-MD ein. Per USB schaufelte der Rechner fortan Musik auf den MD-Rekorder - allerdings ließen sich keine Aufnahmen von MD auf den Rechner ziehen. "Viele Leute haben sich beschwert und wir haben das korrigiert", sagt Sony-Sprecher Nierhaus. Auch das ehemals rigide Kopierschutzsystem SMCS wurde gelockert. "Es gibt keine Beschränkungen bei eigenen Aufnahmen."

Angesichts des unaufhaltsamen Siegeszuges des MP3-Formats erfand Sony die MD im Jahr 2004 quasi neu. Mit der Einführung der so genannten Hi-MD-Technologie gab es nicht nur ein neues Leermedium mit einem Gigabyte Speicherkapazität, sondern auch eine Fülle neuer Funktionen. "Hi-MD-Geräte können via USB 2.0 wie eine externe Festplatte am Rechner genutzt werden", erklärt Nierhaus.

Für höchste Ansprüche

Außerdem sind unkomprimierte Aufnahmen für höchste Ansprüche möglich. "Puristen können das Format PMC einstellen, das wie WAV auf dem PC verlustfrei ist", erklärt MD-Experte Wienfort. Im Handel kostet eine Hi-MD um die sechs, eine herkömmliche MD nur gut einen Euro.

Ganz genau hinsehen müssen MD-Nutzer allerdings beim eingestellten ATRAC-Codec. Im Lauf der Jahre hat Sony vier verschiedene Versionen entwickelt. Für ATRAC3 (MDLP) und ATRAC3plus gibt es zudem noch wie beim MP3-Format verschiedene Bitraten. CD-Qualität erreicht Experten zufolge neben PCM und dem Ur-ATRAC mit 292 Kilobit nur noch ATRAC3plus: "Damit haben wir in Hörtests mit den höheren Datenraten ab 256 Kilobit sehr gute Erfahrungen gemacht", sagt Wienfort.

Vollständig dem MP3-Format geöffnet hat sich Sony bisher nur mit seinen CD-Walkman, Festplatten- und Flash-Playern, die laut Nierhaus auch ATRAC-Musik wiedergeben können. MD-Player spielen MP3 dagegen nicht direkt ab. Vielmehr werden MP3-Stücke von der Sony-Software auf dem PC immer automatisch in ATRAC umgewandelt, bevor sie auf die MD geschrieben werden. Nur als "befriedigend" bewertete die Stiftung Warentest Ende 2004 den Ton, der so zustande kommt. "Normalerweise sorgt ATRAC für hochwertige Komprimierungsdaten, die qualitativ besser sind als MP3", so die Tester weiter. Klein kriegt man die robuste MD hinter ihrem Plastikpanzer eben nicht so schnell.

(gms2)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort