DAB+ vorübergehend abgeschaltet Radio stört den Polizeifunk

Dortmund/Bonn (RP). EU-weit soll im Jahr 2012 der Schritt ins Digitalzeitalter vollzogen sein. Deutschland stolpert in die neue Zeit: Radiosignale von DAB+ behindern Polizei, Feuerwehr und Kabel-TV. Dabei wäre die Lösung einfach.

2011: Demo gegen den Nazi-Aufmarsch in Dortmund
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Knisterfreies Radio, jeder Sender bundesweit auf der gleichen Frequenz — das verspricht Radio im neuen Standard "Digital Audio Broadcasting" (DAB+). Nach etlichen Pannen am 1. August gestartet, hat die Polizei bei der Bundesnetzagentur für das Wochenende im Raum Dortmund die Abschaltung durchgesetzt: DAB+ behindere während einer Groß-Demonstration den Polizeifunk. Vor allem Willi Steul, Intendant des mit drei Programmen von der Abschaltung betroffenen Deutschlandradios, reagierte empört: Es stelle sich bei allem Verständnis für Polizei und Rettungskräfte die Frage, ob dies nicht ein Eingriff in die Rundfunkfreiheit sei.

Jürgen Brautmeier, Direktor der Landesmedienanstalt NRW, winkt ab. Sicherheit gehe nun einmal vor. Es handele sich nicht um einen Eingriff in die Rundfunkfreiheit, sondern um ein technisches Problem, das man bei der Bundesnetzagentur wohl unterschätzt habe: "Vielleicht sind auch Fehler gemacht worden." Davon will deren Sprecher René Henn freilich nichts wissen: Man sei mit allen Beteiligten im Gespräch und bemühe sich um eine schnellstmögliche Lösung. Es handele sich um eine besondere, lokal begrenzte Situation nur an diesem Wochenende, beteuert Henn. Das ist schlicht falsch. In NRW sind sechs Polizeibehörden von den Funkproblemen betroffen, darunter auch Düsseldorf.

Auch Düsseldorf von Störungen betroffen

Hier kam es in den vergangenen Wochen im Umkreis von etwa einem Kilometer um den Rheinturm zu Störungen. Die Zone ist hochsensibel. In ihr liegen das Polizeipräsidium und der Landtag. Die Gegend ist regelmäßig Veranstaltungsort von Großdemonstrationen. "Zum Glück hatten wir seit dem 1. August noch keine Großlage wie die jetzt in Dortmund", sagt Andreas Schogalla von der Polizei Düsseldorf. Man habe mit dem Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste in Duisburg (LZPD) und mit der Bundesnetzagentur eine Absprache für einen Stufenplan getroffen, der gewährleiste, dass die Polizei funktechnisch einsatzbereit bleibe. Als letzte Konsequenz könne auch in Düsseldorf die Abschaltung des Senders auf dem Funkturm infrage kommen.

Beim ersten (gescheiterten) DAB-Anlauf strahlte lediglich der Sender Langenberg bei Velbert das Digital-Signal aus. Die vier zusätzlichen NRW-Sender stehen mitten in den Innenstädten von Dortmund, Düsseldorf, Köln und Bonn. Ihr Signal überlagert in Düsseldorf nicht nur den Polizei- und Feuerwehrfunk, sondern stört auch den Empfang des ARD-Programms bei analogen Kabelanschlüssen. Die Störung lässt sich mit einem abgeschirmten Kabel beheben, das Unitymedia seinen Kunden kostenlos anbietet — aber aufgrund der hohen Nachfrage nicht liefern kann. D-Radio-Chef Steul und die übrigen digitalen Programmanbieter haben die Innenministerien der Länder aufgefordert, die veralteten analogen Funkgeräte der Polizei zu ersetzen.

Polizeifunk und DAB+ nutzen nah benachbarte Frequenzen. Der Polizeifunk arbeitet zwischen 168 und 174 MHz, DAB+ zwischen 174 und 230 MHz. Bei Kanälen am Bandanfang wie in NRW beträgt der Schutzabstand nur 0,18 MHz. Erich Rettinghaus, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, betont, dass die Störungen nur im Zwei-Meter-Band aufträten, der von den Handfunkgeräten genutzt werden. Bislang seien die Probleme dadurch gelöst worden, dass die Einsatzzentrale einen Wechsel der Kanäle angeordnet habe. Dies sei aber offenbar bei Großveranstaltungen nicht ausreichend.

Hätte Abschaltung vor Gericht Bestand?

Bislang ist völlig ungeklärt, ob die vorsorgliche Anordnung der Abschaltung eines Senders vor Gericht Bestand hätte. Rettinghaus: "Es darf nicht zu einem Rechtsstreit kommen. Das hätte eine verheerende Außenwirkung. Bei dem Bürger könnte der Eindruck entstehen, dass die Sicherheit beeinträchtigt wäre."

Noch hat die Bonner Media Broadcast, die für 27 Sender die technischen Sendedienstleistungen erbringt, keine Rechtsmittel angekündigt. In einer Stellungnahme heißt es allerdings: "Es steht außer Frage und wird von der Bundesnetzagentur bestätigt, dass Media Broadcast den Sendebetrieb ordnungsgemäß und unter Einhaltung aller der Lizenzierung zugrundeliegenden Parameter durchführt." Das Innenministerium in Düsseldorf hat das LZPD mit der Angelegenheit betraut, das nun mit der Bundesnetzagentur und Media Broadcast an einer Lösung des Problems arbeite. Eine Senderabschaltung sei für alle Beteiligten "unsäglich".

Nach Informationen unserer Redaktion haben sich die Experten darauf verständigt, dass DAB+ zunächst auf höhere Frequenzen wechselt. Aus der Welt wäre das Problem erst mit der Einführung des digitalen Polizeifunks Tetra. Der sollte 2006 bundesweit kommen, inzwischen ist von Anfang 2014 die Rede.

(RP)
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