Rechenkraft der Wissenschaft spenden Den eigenen PC nach Außerirdischen suchen lassen

Düsseldorf · Seien wir mal ehrlich: Der heimische PC oder das Notebook haben etwas mit dem Auto gemeinsam - die meiste Zeit stehen sie herum und tun nichts. Zumindest die Rechner zu Hause kann man einfach vor der drohenden Lethargie retten, lässt man sie einfach im Dienste der Forschung arbeiten. Die Spanne reicht von mathematischer Forschung bis zur Suche nach Außerirdischen - einen Uni-Abschluss braucht man dafür nicht.

 Mit dem Boinc-Client können Forschungsdaten aus aller Welt analysiert werden. Hier sucht das Einstein@Home-Projekt nach Gravitationswellen im Weltall.

Mit dem Boinc-Client können Forschungsdaten aus aller Welt analysiert werden. Hier sucht das Einstein@Home-Projekt nach Gravitationswellen im Weltall.

Foto: dpa, tsn

Mit dem Computer Mails schreiben, im Netz blättern, Videospiele zocken - machen die meisten. Aber nach Funksignalen Außerirdischer suchen, Proteine für die Medizinforschung errechnen oder nach Gravitationswellen von Pulsaren suchen?

Ganz ohne Zweifel sind mit solch noblen Dingen viel weniger Computernutzer beschäftigt. Dabei ist es ganz einfach, seinen Rechner zeitweise in den Dienst der Wissenschaft zu stellen - als Teil eines weltumspannenden Forschungsnetzwerks.

Distributed computing (DC), zu Deutsch verteiltes Rechnen, nennt man das Verfahren. Große Mengen gesammelter Forschungsdaten werden in viele kleine Häppchen gepackt. Klein genug, um von Heimcomputern und Tablets der Projektteilnehmer in überschaubarer Zeit nach interessanten Signalen durchsucht zu werden, erklärt Andreas Stiller vom Fachmagazin "c't".

Statt einen großen und teuren Supercomputer zu nutzen, vernetzt das Projekt über die an der US-Universität Berkeley entwickelte Boinc-Software unzählige kleine Rechner und nutzt deren kombinierte Rechenleistung.

So wie beim Projekt Einstein@Home des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik, das bereits seit 2005 läuft. Neben der Suche nach außerirdischem Leben im All über Seti@Home ist es eines der bekanntesten DC-Forschungsprojekte.

"Unser Hauptinteresse ist die Suche nach einer bestimmten Art von Gravitationswellen", erklärt Ingenieur Heinz-Bernd Eggenstein. Diese Gravitationswellen konnten bislang noch nicht nachgewiesen werden, sind aber Teil von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie. Ihr Nachweis wäre eine wissenschaftliche Sensation.

Rund 50.000 aktive Teilnehmer helfen den Forschern bei der Suche nach diesen Gravitationswellen und lassen Datenpakete von ihren Computern analysieren. Einige von ihnen sind Akademiker, manche Physiker, viele interessieren sich einfach für Astronomie und spenden deswegen ihre Rechenkapazität für die Forschung, erklärt Eggenstein die Motivation der Teilnehmer.

Und dann ist da noch das Rennen um die Punkte, die es für ausgewertete Pakete gibt. "Daraus entwickelt sich teilweise ein sportlicher Wettkampf", hat der Ingenieur festgestellt.

Für manche Teilnehmer ist das Motivation genug, ihre Rechner immer weiter aufzurüsten. Denn wer mehr analysiert, hat auch eine größere Chance, den Gravitationswellen auf die Spur zu kommen. Für wichtige Hinweise gibt es ein Zertifikat, fließen die Analyseergebnisse eines Datenpaketes in die Forschung ein, wird der Teilnehmer namentlich erwählt. So kann jeder seinen Beitrag zur astronomischen Grundlagenforschung leisten.

Vom Android-Smartphone über Tablets bis zum Gaming-PC ist jedes Gerät zur Datenanalyse geeignet. "Das Smartphone ist eine Einstiegsdroge, aber jedes Bisschen hilft", sagt Eggenstein. "Man braucht nicht den Superrechner." Allerdings brauchen ältere Rechner länger für die Analyse. Der Testrechner in der Redaktion - ein fünf Jahre altes Notebook - braucht rund 15 Stunden für ein Datenpaket.

Nutzer können selbst entscheiden, wie ihr Rechner mit den Daten umgeht. Ob er nur analysiert, wenn man den Computer nicht nutzt, ob der Boinc-Client immer läuft, wie viel Prozessorleistung genutzt wird - man hat die Wahl. Einziger Kostenpunkt: "Der nicht unbeträchtliche Energieverbrauch, da der Rechner nicht in den Stand-by-Modus schaltet, sondern durchläuft", erklärt Andreas Stiller. Dauerhaft online muss der Computer für die Forschungsarbeit nicht sein.

Die Erfolge sprechen für sich. Rund 50 Pulsare haben die Einstein@Home-Forscher schon entdeckt, etliche Forschungsarbeiten wurden verfasst. Dabei ist Einstein@Home mit seiner Suche nach angenommenen Gravitationswellen ein relativ theoretisches Projekt im Boinc-Katalog.

Andere Projekte sind deutlich praxisorientierter. Etwa die Erdbebenmessung des "Quake Catcher Networks", Projekte zur Medikamentenforschung (Rosetta@Home), die Erforschung von Evolutionszusammenhängen im Lattice Project oder die Analyse alter verschlüsselter Marinefunksprüche im Enigma@Home-Projekt.

Und BOINC ist nicht die einzige Plattform für verteiltes Rechnen. Weitere Informationen über Projekte und Plattformen gibt es auf den deutschsprachigen Internetseiten www.rechenkraft.net oder www.science-at-home.de. Einige wenige Projekte locken für die Teilnahme auch mit Entlohnung oder der Chance auf einen Lotteriegewinn.

(dpa)
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