NRW-Report Das Geschäft mit den Top-Models

Düsseldorf (RP). Hunderttausende junge Mädchen träumen von einer Karriere als Laufsteg-Model. Doch nur die wenigsten schaffen den Durchbruch. Das Geschäft ist hart, die Agenturen suchen stets nach Models mit dem besonderen Gesicht. Ein Blick hinter die Kulissen des Glamour-Betriebs in NRW.

 Der Model-Markt ist hart umkämpft. Carolin Loosen (19) hat es geschafft: Sie steht in New York, Paris und Tokio auf dem Laufsteg. Ihre Termine erhält sie von der Düsseldorfer Modelagentur "No Toys".

Der Model-Markt ist hart umkämpft. Carolin Loosen (19) hat es geschafft: Sie steht in New York, Paris und Tokio auf dem Laufsteg. Ihre Termine erhält sie von der Düsseldorfer Modelagentur "No Toys".

Foto: Andreas Endermann

Es ist einer dieser Momente, die es eigentlich nur im Märchen gibt. Der Kölner Neumarkt ist voller Menschen an diesem Sommertag. Carolin Loosen ist zum Shoppen in der Innenstadt. Plötzlich spricht jemand das 17-jährige Mädchen von der Seite an. "Hast Du Lust, als Model zu arbeiten?", fragt der Fremde. "Dann ruf mich einfach an." Es ist nicht das erste Mal, dass Carolin auf diese Weise angesprochen wird. Sie ist hübsch, zierlich, eher der zurückhaltende Typ. Nie hat sie auf die Angebote der Männer reagiert. Doch diesmal traut sie ihrem Instinkt. Gemeinsam mit ihrer Mutter sitzt sie wenige Tage später im Büro einer Kölner Modelagentur. Heute, zwei Jahre später, lebt sie das Jetset-Leben eines Profimodels. Ihre Shootings sind in Paris, Tokio und New York.

Es sind Karrieren wie die von Carolin, die Millionen Mädchen von einem Beruf als Model träumen lassen. Durch die Welt reisen, bewundert werden, viel Geld verdienen — all dies verspricht der Traumberuf des Profimodels. Doch das Geschäft mit der Schönheit ist knallhart. Viele Mädchen sind dem Druck von Modedesignern und Konkurrentinnen nicht gewachsen.

"Ich bemerke sofort, wenn ein Mädchen magersüchtig wird"

Sylvia Berger lief zehn Jahre lang als Model über die großen Laufstege der Modewelt. Heute sucht sie als Chefin der Düsseldorfer Modelagentur "No Toys", die auch Carolin inzwischen betreut, selbst nach neuen Talenten. Berger koordiniert nicht nur die Shooting-Termine ihrer Models, sondern ist für sie auch Ansprechpartnerin für private Probleme aller Art. "Ich bemerke sofort, wenn ein Mädchen magersüchtig wird", sagt Berger. Dann heißt es, gemeinsam nach einer Lösung für das Problem zu suchen.

Denn noch immer sind auf den Laufstegen in Paris und New York extrem schlanke Typen gefragt. Wer nicht Konfektionsgröße 34 hat, läuft Gefahr, von Kunden abgelehnt zu werden. Wer einen Hüftumfang von mehr als 90 Zentimetern hat, spielt in der oberen Riege schon nicht mehr mit. In Deutschland dagegen hat die öffentliche Debatte der vergangenen Jahre um hungernde Magermodels Wirkung gezeigt: Konfektionsgröße 36 bis 38 gilt hierzulande als ideal — dazu eine Körpergröße zwischen 1,74 und 1,81 Meter.

Natürliches Aussehen ist gefragt

Zwölf Mal am Tag, so das Ergebnis einer Studie, wird der Durchschnittsdeutsche mit dem Anblick eines Models konfrontiert — sei es auf Plakaten, im Fernsehen oder in der Zeitschrift. Dass die Werbung mit Bildern schöner Körper Geld in Milliardenhöhe umsetzt, ist längst kein Geheimnis mehr. Und stellvertretend für Millionen von Zuschauern kämpfen jedes Jahr aufs neue pubertierende Mädchen bei "Germany's Next Topmodel" darum, den Traum von der Modelkarriere zu verwirklichen.

Mit ihrer TV-Show lockt Deutschlands Vorzeigemodel Heidi Klum Millionen Jugendliche vor die TV-Bildschirme. 63 Prozent der neun- bis elfjährigen Zuschauerinnen können sich vorstellen, Profimodel zu werden, so das Ergebnis einer aktuellen Studie. Und wenn das Kind mit seiner Mutter darüber diskutiert, welche Kandidatin als nächstes aus der Show fliegen muss, ist das Hübschsein längst zum Selbstzweck geworden. Schließlich macht es Heidi Klum doch vor: Das Leben als Model kann so schön sein. Die sechste Staffel beginnt am 3. März.

"Modelcastings werden stark übertrieben dargestellt"

Doch der Schein trügt. Die Herausforderungen eines Models bestehen weniger darin, sich wie in der TV-Sendung für ein Shooting lebendige Kobras um den Hals legen zu lassen, als darin, pausenlos und überall erreichbar durch die Welt zu jetten. Gute Laune auf Knopfdruck — an 360 Tagen im Jahr. "Mein Handy muss immer eingeschaltet sein", sagt Carolin Loosen. Die 19-jährige Kölnerin machte im September 2010 erst ihr Abitur, bevor sie ihre Modelkarriere startete. "Im Fernsehen werden die Modelcastings stark übertrieben dargestellt", sagt das Profimodel.

"Wenn ich eines gelernt habe, dann ist das Selbstständigkeit"

Sie selbst reist nun seit Monaten von Tokio nach New York, um mal verführerisch, mal mädchenhaft in die Kamera dutzender Fotografen zu blicken. Dabei war das Modeln niemals ihr Traumberuf. Nachdem sie in Köln von einem Modelscout entdeckt worden war, kamen nach und nach immer mehr Angebote auf sie zu. Nun ist es ihre Aufgabe, nach Gusto der Visagisten und Stylisten bereitwillig für jedes Shooting Typ und Stil zu wechseln. Ein reizvoller Job: "Es macht großen Spaß, immer wieder in neue Rollen zu schlüpfen." Doch kaum ist der Auftrag vorbei, wartet wieder die Herausforderung Alltag auf sie — allein in einer fremden Umgebung auf einem fremden Kontinent. "Wenn ich als Model eines gelernt habe, dann ist das Selbstständigkeit", sagt Carolin. Das professionelle Posieren vor der Kamera kam ganz von selbst.

Einsteigermodels verdienen bis zu 800 Euro täglich

Mädchen wie Carolin sind für Designer und Modeverlage Gold wert. Eine Million Euro kann ein gut gebuchtes Model im Jahr verdienen. Selbst Einsteigermodels bekommen für professionelle Shootings renommierter Designer Tagesgagen von bis zu 800 Euro. Im Laufe der Zeit steigert sich der Wert der Models dann mit der Anzahl der absolvierten Aufträge. Doch die bewusst zur Schau gestellte Arroganz früherer Topmodels leistet sich heute niemand mehr. "Für unter 10 000 Dollar wälze ich mich morgens nicht aus dem Bett", hatte Topmodel Linda Evangelista 1990 noch behauptet. Gemeinsam mit Cindy Crawford, Naomi Campbell, Claudia Schiffer und Kate Moss gehörte sie zu dem neuen Club der "Supermodels", die mit üppigen Tagesgagen und entsprechendem Selbstbewusstsein von sich Reden machten.

Doch die Zahl der Topverdiener ist in der Modelbranche begrenzt. Umso wichtiger ist es für die Modelagenturen, talentierte Mädchen zu entdecken, die zu einem Topmodel aufgebaut werden können. Um solche Talente zu finden, braucht es ein geübtes Auge. "Natürlich kann jeder Mann sagen, ob er ein Mädchen hübsch findet", sagt Berger. Doch sie und ihre Mitarbeiter haben einen Blick dafür entwickelt, ob die jungen Frauen und Männer auch dem Anspruch der großen Modemagazine entsprechen. Dafür ist vor allem eines wichtig: Natürlichkeit. Wer eines Tages auf dem Cover der "Vogue" landen will, braucht sich nicht zu schminken. Die "Booker", die Models für einzelne Shootings von einer Agentur buchen, suchen Mädchen, die neben aller Schönheit auch gesund, frisch und natürlich aussehen.

"Natürlichkeit ist für Models das A und O"

"Natürlichkeit ist das A und O. Die Mädchen und Jungen dürfen nicht zu sehr geschminkt sein. Wir können auch keine künstlichen Fingernägel gebrauchen", sagt die Kaarsterin Sonja Barisic (28), Geschäftsführerin der Modelagentur "Barisic Modelmanagement". "Wenn ich auf der Straße jemanden sehe, der interessant ist, entscheide ich innerhalb von zwei Sekunden, ob er Chancen hat oder nicht", sagt Barisic.

Wenn Barisic an der Düsseldorfer Universität oder in einem Einkaufscenter wie den Schadow-Arkaden auf Modelsuche ist, gleicht ihr suchender Blick dem eines Löwen auf der Jagd. "Ich brauche Zeit, um genau hinzusehen", sagt sie. Barisic schlurft durch die Einkaufspassage, bewegt sich in Zeitlupe. "Ich muss beim ersten Blick alles scannen: Wie sind die Haare? Hat er oder sie ein symmetrisches Gesicht? Stimmt die Größe? Und dann muss ich entscheiden."

Früher gehörte die Modelsuche auf öffentlichen Plätzen zum täglichen Geschäft von Modelagenten, heute kommen die meisten Mädchen über Bewerbungen in die Kartei einer Modelagentur. "Scouter" nennen sich die Männer und Frauen, die in Kaufhäusern, in Straßenbahnen und Diskotheken nach hübschen Modeltalenten suchen. Legendär ist die Entdeckung von Topmodel Claudia Schiffer in der Düsseldorfer Diskothek "Checkers" durch einen Scout: Wochenlang war der Pariser Modelscout Michael Levaton auf der Suche nach Talenten durch Deutschland gereist.

Dann, an einem Abend im Oktober 1987, machte er die Entdeckung seines Lebens: Direkt vor ihm auf der Tanzfläche bewegte sich ein junges Mädchen mit rotbackigem Gesicht, glänzend blondem Haar und schier endlos langen Beinen. Er sprach sie an — und nach einigem Zögern willigte die 18-Jährige ein, in seiner Modelagentur vorzusprechen. Erst später erfuhr er den Namens des bis dahin unbekannten Mädchens: Claudia Schiffer aus Rheinberg am Niederrhein. Levaton hatte das Supermodel in ihr entdeckt. Sie sollte 1993 mit einer Jahresgage von zehn Millionen Dollar zum bestverdienenden Model der Welt werden.

Nur die wenigsten schaffen den Durchbruch

Doch nicht allen Mädchen, die es in die Kartei einer angesehenen Agentur schaffen, winkt eine große Karriere. Auch Barisic verspricht ihren potenziellen Models nicht den Einstieg in das umkämpfte Geschäft. "Das geht nicht. Es kann sein, dass ich jemanden gut finde, ihn zum Casting einlade und dann direkt wieder nach Hause schicke", sagt sie. "Auf der Straße kann ich nicht sehen, ob jemand ein Tattoo oder eine Narbe am Bein hat." Beides Kriterien, mit denen eine Karriere als Model wenig Aussicht auf Erfolg hat — so wie bei den meisten jungen Mädchen, die sich selbst bei einer Agentur bewerben.

Barisic erhält die meisten Bewerbungen per E-Mail und guckt sich alle an. "Anhand der Bewerbungen wähle ich aus, wen ich persönlich sehen will und wer auf Anhieb aussortiert wird", sagt sie. 95 Prozent derer, die eine Bewerbung schicken, haben am Ende keine Chance auf einen Einstieg in das Geschäft. 2600 Bewerbungen erhielt die Agentur "No Toys" im Jahr 2010. Geschafft haben es am Ende drei Mädchen.

(RP Plus)
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