RP Plus NPD-Wahlhelfer wider Willen

Düsseldorf · Es ist ein seltsames Phänomen: Viele Wähler, die am Parteien-Check im Internet teilnehmen, erhalten am Ende des Tests als Wahlempfehlung die rechtsextremistische NPD. Sorgt der Wahlomat für verfälschte Ergebnisse?

 Der Wahlomat der Bundeszentrale für politische Bildung soll Wählern bei der Entscheidung für eine Partei helfen.

Der Wahlomat der Bundeszentrale für politische Bildung soll Wählern bei der Entscheidung für eine Partei helfen.

Foto: Grafik: Martin Ferl

Es ist ein seltsames Phänomen: Viele Wähler, die am Parteien-Check im Internet teilnehmen, erhalten am Ende des Tests als Wahlempfehlung die rechtsextremistische NPD. Sorgt der Wahlomat für verfälschte Ergebnisse?

Am Anfang denkt man, es ist alles nur ein Missverständnis. Vielleicht hat man sich verklickt, hat schlicht aus Versehen ein paar falsche Häkchen gesetzt und damit für dieses verwirrende Ergebnis gesorgt, das der Online-Fragebogen zur Landtagswahl in NRW am 13. Mai ausgespuckt hat.

Doch der Wahlomat, ein Online-Test zur Bestimmung der Übereinstimmung der eigenen politischen Positionen mit denen der kandidierenden Parteien, dürfte in den vergangenen Tagen schon für zahlreiches Stirnrunzeln gesorgt haben. Denn bei vielen Wählern endete der Test mit einer Wahlempfehlung für die rechtsextremistische NPD.

Man muss nur im Internet nach den Begriffen "Wahlomat" und "NPD" suchen, um zu einer Fülle von Einträgen zu gelangen, die die Verwirrung über dieses Ergebnis thematisieren. Der Blogger Matthias M. hatte in seinem Testergebnis die meisten Übereinstimmungen mit der NPD, direkt danach folgte die Linkspartei. Erst auf den Plätzen drei und vier lagen SPD und Piraten. "Was mache ich nun mit dieser Erkenntnis?", fragt der Blogger. "Eigentlich wollte ich Grün wählen."

Fragebogen ist inhaltsblind

Tatsächlich sind die 38 Fragen des Online-Fragebogens so strukturiert, dass am Ende des Tests die größte Übereinstimmung für die NPD angezeigt wird, auch wenn man unter anderem für ein NPD-Verbot und für Projekte gegen Rechtsextremismus votiert hat. Wie kann das sein?

"Die Fragen im Wahlomat sind inhaltsblind", sagt der Aachener Politikwissenschaftler Richard Gebhardt. "Das führt zu Defiziten bei der Aussagekraft der Ergebnisse." Schließlich könne das Programm nicht unterscheiden, wie die einzelnen Aussagen inhaltlich zu deuten seien und dementsprechend keine Schlüsse daraus ziehen. Zwar können die Nutzer im Wahlomat einzelne Themen doppelt gewichten — doch auch dies kann die Verzerrung des Ergebnisses nicht verhindern.

Wer dem Thema Mindestlohn beispielsweise im Fragebogen besonderen Stellenwert einräumt, ist nicht nur mit den etablierten Parteien SPD und CDU auf einer Linie, sondern auch mit der NPD. Ein Trick, den die Rechtsextremisten nutzen, um den Anschein zu vermitteln, in der Mitte der Gesellschaft zu stehen. Und eine große Falle für alle, die erwägen, das Wahlomat-Ergebnis in ihre Wahlentscheidung einfließen zu lassen.

"Der Wahlomat ist mit Vorsicht zu genießen"

Experten warnen darum vor einem naiven Umgang mit dem Online-Tool. "Der Wahlomat ist mit Vorsicht zu genießen", sagt Gebhardt. Denn der Fragebogen offenbare noch etwas anderes: die teilweise eklatante Differenz zwischen den Wahlprogrammen und der tatsächlichen Politik der Parteien.

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt der Trierer Politikwissenschaftler Markus Linden. "Die verwirrenden Ergebnisse des Wahlomats deuten darauf hin, dass die etablierten Parteien die für die Bevölkerung wichtigen Themen nicht ausreichend abdecken", sagt Linden. Von den 38 Fragen befassen sich sieben ausdrücklich mit Migranten. Dass es den großen Parteien nicht gelinge, innerhalb dieses Fragebogens die meisten Stimmen für sich zu gewinnen, sei ein Indiz für die Schwäche von CDU und SPD — zum Vorteil für radikale Splitterparteien.

NPD muss im Wahlomat Platz finden

Die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB), die seit 2002 zu nahezu allen Landtags- und Bundestagswahlen den Wahlomat anbietet, verteidigt ihr Konzept. "Ein Grundprinzip des Wahlomat ist es, dass alle Parteien ihre Antworten selbst geben und nicht von uns interpretiert werden", sagt BpB-Sprecher Martin Hetterich.

Dass es möglich ist, dass man ein NPD-Verbot befürwortet, aber dennoch diese Partei als Wahlempfehlung bekommt, begründet Hetterich mit der Fragestruktur des Tests. "Eine Kill-These, deren Beantwortung andere Fragen ausschließen würde, haben wir verworfen, denn sie würde das Rechenmodell verfälschen." Dass der NPD überhaupt Platz in dem Fragebogen eingeräumt wird, sei einem Gerichtsurteil geschuldet. Seit 2009 ist die BpB verpflichtet, alle kandidierenden Parteien gleich zu behandeln.

Die Rechtsextremisten frohlocken. "Seit Freischaltung des Wahlomat haben sich in der NPD-Landesgeschäftsstelle in Wattenscheid fast 80 Schülerinnen und Schüler, darunter auch Gymnasiasten, gemeldet", heißt es in einer Pressemitteilung der NPD. "Damit erweist sich der Wahlomat trotz aller Anti-Rechts-Beschwörungen als effektiver Wahlhelfer für die NPD!"

In Sachsen-Anhalt hat die Landesregierung aus den Querelen mit den verwirrenden Ergebnissen bereits Konsequenzen gezogen. Bei der Landtagswahl 2011 wurde der Wahlomat nicht freigeschaltet. Die Begründung: Junge Wähler würden durch die verwirrenden Ergebnisse des Online-Fragebogens eher verschreckt als aufgeklärt.

(gre)
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