RP Plus Wer verdient am hohen Spritpreis?

Düsseldorf (RPO). Mehr als 1,60 Euro kostet der Liter Super an der Tankstelle – damit ist der Sprit in Deutschland so teuer wie nie zuvor. Wer verdient am hohen Benzinpreis? Staat und Mineralölkonzerne schieben sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe. Fest steht: Der neue Bio-Kraftstoff E10 ist nur einer von vielen Gründen für die Preiserhöhung.

2011: Wie setzt sich der Benzinpreis zusammen?
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2011: Wie setzt sich der Benzinpreis zusammen?

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Foto: dapd

Düsseldorf (RPO). Mehr als 1,60 Euro kostet der Liter Super an der Tankstelle — damit ist der Sprit in Deutschland so teuer wie nie zuvor. Wer verdient am hohen Benzinpreis? Staat und Mineralölkonzerne schieben sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe. Fest steht: Der neue Bio-Kraftstoff E10 ist nur einer von vielen Gründen für die Preiserhöhung.

Noch nie war Benzin so teuer wie heute. Mehr als 1,60 Euro zahlen Autofahrer momentan an Tankstellen pro Liter Superbenzin. Damit hat der Benzinpreis die Rekordmarke von 2008 geknackt: Damals lag der Rekordpreis bei 1,595 Euro pro Liter. Doch wer glaubt, die Tankstellenpächter könnten sich angesichts solch hoher Spritpreise die Hände reiben, hat sich getäuscht. Denn sie haben fast ebenso das Nachsehen wir die Autofahrer.

Der Grund: Tankstellenpächter erhalten eine fixe Provision für einen Liter Benzin. Diese Summe ist unabhängig vom aktuellen Spritpreis an der Zapfsäule. Dem Tankstellenpächter ist es nicht egal, wenn die Zentrale bestimmt, dass bei ihm Diesel und Benzin mehr kosten als bei der Konkurrenz auf der gegenüberliegenden Straßenseite: Autofahrer gelten beim Spritpreis als sehr wechselfreudig. Ist es woanders billiger, fahren sie zur Konkurrenz. Und tanken weniger Autos an seiner Tankstelle, sieht der Pächter weniger von seiner Provision.

Zehnmal täglich Preiswechsel

Seit der Einführung des Bio-Kraftstoffs E10 hat sich der Preiskampf um die Spritpreise erneut verstärkt. Bereits seit Jahren steigen die Preise für Super und Diesel kontinuierlich. Bis zu zehnmal täglich wechseln die Tankstellenbetreiber ihre Preise, um im Konkurrenzkampf mithalten zu können. Erst schlugen die Mineralölkonzerne Profit aus der schleichenden Abschaffung des Normal-Benzins, indem die Preise so lange erhöht wurden, bis es genauso viel kostete wie Superbenzin, um das Normal-Benzin schließlich ganz abzuschaffen.

Und seit Anfang des Jahres sorgt die nächste Umstellung für Frust an der Zapfsäule: Jetzt soll nach und nach auch das Superbenzin zugunsten des angeblich umweltfreundlichen Super E10 abgeschafft werden. Wenn es nicht die Tankstellenpächter sind: Füllen sich die Mineralölkonzerne die Taschen auf Kosten der Autofahrer? Oder verdient der Staat mächtig an dieser Umstellung mit?

Ein halber Cent pro Liter für die Notfallreserve

Die Analyse der Spritkosten zeigt, dass die Wahrheit komplizierter ist. Von den etwa 1,60 Euro, die ein Liter Superbenzin momentan durchschnittlich kostet, entfallen circa 90 Cent auf Steuern und Abgaben. 15 Cent davon sind Ökosteuer — dieser Betrag fließt direkt in die Rentenversicherung. Würde dieser Anteil wegfallen, wären die Beitragssätze zur Rentenversicherung um zirka 1,7 Prozent höher. Ebenfalls in dem Steueranteil enthalten sind die Mehrwertsteuer in Höhe von 19 Prozent und die Energiesteuer, deren Steuersatz sich nach der Umweltverträglichkeit der Treibstoffart richtet. Sie liegt momentan für Benzin bei 65,45 Cent pro Liter.

Hinzu kommen weitere Fixkosten, die den Benzinpreis bestimmen. Die sogenannten Deckungskosten enthalten einen Beitrag für den gesetzlichen Bevorratungsverband von rund einem halben Cent. Im Falle einer Ölkrise sichert der Beitrag einen Ölvorrat, der für 90 Tage halten soll.

Verdient der Staat am Spritpreis mit?

Den Vorwurf, dass der Staat über diese Gebühren an jedem Liter Benzin mitverdient, will das Bundesfinanzministerium nicht gelten lassen. Mit rund 40 Milliarden Euro jährlich sei die Energiesteuer zwar für den Bund die wichtigste Verbrauchersteuer. Ein hoher Preis rege aber dazu an, weniger Kraftstoff zu verbrauchen. In diesem Falle würden auch die Einnahmen des Staates sinken, so das Ministerium.

"Die Notierungen für Ölprodukte sind in Rotterdam auf Höchstniveau"

Die Mineralölkonzerne wollen ebenfalls nicht schuld an den gestiegenen Benzinpreisen sein. Sie verweisen auf die gestiegenen Kosten für Rohöl. "Die für den Benzinpreis maßgeblichen Notierungen für Ölprodukte sind in Rotterdam zurzeit auf Höchstniveau", sagte BP-Deutschlandchef Uwe Franke. An der für Westeuropa entscheidenden Börse für Fertigprodukte in Rotterdam entstehen die Preise für Superbenzin, Superplus und Diesel.

Nicht zuletzt, weil auch in den USA die Benzinvorräte momentan niedrig sind, steigt die Rohöl-Nachfrage. Vor allem in China, wo die Motorisierung rapide voran schreitet, steigt der Spritbedarf. Hinzu kommen die Unruhen im Nahen Osten: Die Kämpfe zwischen den Rebellen und Staatschef Muammar al Gaddafi haben zu einem nahezu vollständigen Erliegen der lybischen Erdölfförderung geführt und damit dazu beigetragen, dass der Ölpreis seit Mitte Februar um 34 Prozent gestiegen ist.

"Rein am Gewinn motivierte Mitnahmeeffekte"

Der ADAC wirft den Mineralölkonzernen allerdings vor, dass sie den hohen Ölpreis für übertriebene Preiserhöhungen an den Tankstellen ausnutzen. Vor allem rund um besondere Feiertage wie Ostern und Weihnachten seien "rein am Gewinn motivierte Mitnahmeeffekte durch Preiserhöhungen der Konzerne noch stärker ausgeprägt als in normalen Wochen", sagte ADAC-Präsident Peter Meyer. Solche Mitnahmeeffekte seien zudem an nahezu jedem Wochenende im Jahr zu beobachten. Einer aktuellen ADAC-Untersuchung zufolge kostet der Liter Benzin an Freitagen durchschnittlich 3,4 Cent mehr als an Sonntagen. Dies mit den internationalen Rohölpreisen zu erklären, dürfte den Mineralölkonzernen schwer fallen.

Die bisher wenig erfolgreiche Umstellung auf den neuen Biosprit E10 dürfte Experten zufolge ebenfalls zu den gestiegenen Benzinpreisen beitragen. Bisher hat die Umstellung die Mineralölkonzerne einen dreistelligen Millionenbetrag gekostet. Hinzu dürften die hohen Strafzahlungen kommen, wenn die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestmengen an E10-Benzin wie erwartet nicht eingehalten werden.

"Ölkonzerne rechnen E10-Strafgelder in die Preise mit ein"

Branchenexperten sprechen bereits jetzt von einem E10-Effekt. "Es ist davon auszugehen, dass die Ölkonzerne jetzt schon die Strafgelder in die Preise hineinrechnen", sagte Heino Elfert, Herausgeber des Energie Informationsdienstes (EID). Das letzte Wort in Sachen E10 ist noch lange nicht gesprochen.

Denn den größten Widerstand gegen das Bio-Benzin gibt es weiterhin in Westdeutschland. Im Osten und Süden der Republik wurde das herkömliche Super bereits von vielen Tankstellen verbannt. Wer dort auf das neue E10 verzichten will, muss auf Superplus oder V-Power zurückgreifen — und zahlt mindestens sechs Cent pro Liter mehr.

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