RP Plus Sat.1, der Pannensender

Der Erfolg des Mittelalter-Trashs "Die Wanderhure" ist sinnbildlich für den Zustand des Kanals: Wenn er Quotensieger ist, dann nur punktuell und dank zweifelhafter Qualität. Nach einem katastrophalen Januar muss nun ProSiebenSat.1-Fernsehvorstand Andreas Bartl gehen.

Seit Anke Schäferkordt vor sieben Jahren den Chefposten bei RTL übernahm, arbeitet sie ebenso geräuschlos wie effizient die Marktführerschaft ihres Senders aus. Erfolgsformate wie "Deutschland sucht den Superstar" und "Das Dschungelcamp" setzte sie konsequent und werbeträchtig fort, neue Erfolgsformate wie "Bauer sucht Frau", "Let's Dance" oder "Das Supertalent" hob sie ins Programm und kassiert still lächelnd die satten Werbeeinnahmen.

Seit Anke Schäferkordt ihren Job übernahm, hat ihr selbsternannter Hauptkonkurrent Sat.1 vier Mal den Chef ausgetauscht. Roger Schawinski, Matthias Alberti, Guido Bolten, Andreas Bartl und Joachim Kosack traten jeweils mit dem Versprechen an, ihren Sender wieder attraktiver zu machen und zu alter Stärke zurückzuführen.

Das Ergebnis zeigt sich in der Quotenbilanz des vergangenen Monats und ist kläglich: Im Schnitt 9,4 Prozent Marktanteil erreichte Sat.1 im Januar (zum Vergleich: RTL schaffte 14,1 Prozent). Vermutlich aus alter Gewohnheit muss vorsichtshalber mal wieder jemand gehen. Diesmal ist es nicht der Geschäftsführer des Senders, der erst im Oktober 2011 inthronisierte Joachim Kosack ("Wir wissen, wenn Zuschauer von uns wegzappen, dann wechseln sie zu 80 Prozent zu RTL. Also muss ich darauf achten, was RTL macht"), sondern Andreas Bartl, Fernsehvorstand von ProSieben Sat.1, der vor Kosack zwei Jahre lang die Geschäfte des Dauer-Krisenherdes Sat.1 leitete und immerhin seit mehr als 20 Jahren im Unternehmen ist.

Als Informationsquelle längst abgemeldet

Als er den Schleudersitz-Job im Frühjahr 2010 übernahm, sagte Bartl, dem Sender sei "ein bissl der Glanz abhanden gekommen". Ziel sei es, die Marktanteile auf das Niveau von 2005 zu heben, die bei 10,9 Prozent lagen. "Das war ein Jahr, wo Sat.1 ohne Sehhilfe die Rücklichter von RTL erkennen konnte." Was er dann allerdings in den kommenden zwei Jahren zu sehen bekam, war lediglich die Staubwolke, die RTL hinterließ.

Während sich der große Rivale auf zahlreiche etablierte Formate verlassen kann, fehlt Sat.1 ein identitätsstiftendes Fundament. Hektisch werden unausgegorene Shows ins Programm geworfen, um sie meist ebenso hektisch wieder abzusetzen. Dazu zählen Trash-Dokus wie "Der Wendler-Clan", Seifen-Opern wie "Hand aufs Herz" und hilflose Wiederbelebungsversuche früherer Comedy-Erfolge wie "Die Wochenshow". Als Informationsquelle ist Sat.1, das im Jahr 2007 sein Nachrichtenangebot drastisch zusammenstrich und damit den Zorn von Journalistenverbänden und Medienwächtern auf sich zog, sowieso längst abgemeldet.

Auch der Versuch, prominente Sendergersichter aufzubauen, ging gründlich daneben. Oliver Pochers Late-Night-Show endete wenig überraschend im Desaster, da er schon bei "Schmidt & Pocher" bewiesen hatte, dass ihm die intellektuelle Fallhöhe für dieses Format fehlt. Und Johannes B. Kerners Stern-TV-Verschnitt "Kerner" fand beim Sat.1.-Stammpublikum, das Ulrich Meyers Krawall-Magazin "Akte" als Informationsquelle schätzt, auch nur eine kümmerliche Resonanz. Pocher ist längst zu RTL geflüchtet, und was Kerner anstellen will, wenn die von ihm moderierte Champions-League — einer der wenigen Quotenbringer bei Sat.1 — ab der kommenden Saison beim ZDF läuft, weiß noch keiner so recht.

Inseln im großen Nichts

Harald Schmidts Rückkehr zum "Kuschelsender", wie er Sat.1 seit dessen albernem Slogan "Powered by Emotion" nennt (den viele Zuschauer laut Umfrage mit "Kraft durch Freude" übersetzten), ist aus kommerzieller Sicht ebenfalls ein Flop. Verwundern kann das niemanden, wenn vorher eine Sendung wie die unterirdische Sketch-Comedy "Die dreisten Drei" läuft und dadurch jeden Zuschauer-Fluss verhindert. Für deren Klientel ist Schmidt schlicht zu schlau.

Er ist eine Insel im großen Nichts, ebenso wie die gelungenen eigenproduzierten Serien "Der letzte Bulle", "Danni Lowinski" oder "Pastewka". Doch sie allein können den "Sender ohne Eigenschaften" ("Spiegel") nicht aus der Krise ziehen. Gleiches gilt für punktuelle Erfolge wie "Die Wanderhure", die zwar Quote bringen, aber den trashigen Ruf des Senders nur untermauern und so gehobenes, sprich neues Publikum fernhalten. Schon kurz nach dem Rausschmiss von Guido Bolton Anfang 2009 sagte ein Mitarbeiter hilflos: "Solange wir nicht wissen, was Sat.1 sein soll, wissen wir auch nicht, was wir tun sollen." Das war vor drei Jahren. Geändert hat sich nichts.

(seeg)
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