Helfer am Handgelenk Die Stunde der Smartwatch hat geschlagen

Berlin · Armbanduhren? Trägt man doch seit der Handy-Revolution höchstens noch als Schmuck, Statussymbol oder als Erbstück in Ehren - es sei denn, sie bringen neue Funktionen mit sich wie Smartwatches. Sie sind auf dem besten Weg, als Smartphone-Außenposten die Handgelenke zu erobern.

Aktuelle Smartwatches - das Smartphone am Handgelenk
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So schlecht war sie eigentlich nicht, die Idee mit der Armbanduhr. Das Handgelenk zu drehen, geht schneller und diskreter, als eine Taschenuhr aus der Weste oder ein Smartphone aus der Hosentasche zu ziehen.

Deshalb gab es in der Vergangenheit immer wieder Versuche, Uhren mehr als die Zeit anzeigen zu lassen. Mit bescheidenem Erfolg, analysiert der US-Marktforscher ABI: "Sie sahen hässlich aus, waren zu wuchtig, boten nur schlechte Funktionalität oder die Batterielaufzeit war nicht gut genug."

Doch gerade sorgt eine neue Generation von Smartwatches für Furore. Die neuen Modelle haben viel Potenzial, sind aber noch nicht ausgereift.

Smartwatches verbinden sich per Bluetooth mit Smartphone oder Tablet, auf denen eine App des Uhrherstellers laufen muss. Sie signalisieren Anrufe und SMS, zeigen teils Anrufernamen, Nummern, Termine oder Updates wie das Wetter sowie Daten kompatibler Dritt-Apps an.

Zeitanzeige bleibt das Kernelement

Einige fungieren auch als Freisprecher, steuern Handy-Musikplayer und -Navi oder schließen sich mit Sport-Apps kurz.

Ob die Zeit digital oder analog angezeigt wird, entscheidet der Nutzer. Schließlich bleibt die Zeitanzeige das Kernelement: "Für den Blick auf die Uhrzeit war unter Usability-Aspekten das Smartphone ein Rückschritt gegenüber der Armbanduhr", sagt Cornelia Kelber, Expertin für Medien und Kultur am Zukunftsinstitut in Frankfurt am Main.

Smartwatches sind Teil eines übergeordneten Trends, dem Wearable Computing. So nennt man Technologie zum Anziehen, die ihrem Träger unauffällig hilft, assistiert, seine Aktivität misst oder ihn informiert - Fitness-Armbänder gehören ebenso dazu wie Googles Project Glass.

"Eine Maschine am Handgelenk zu tragen, ist aber etwas anderes, als das Blickfeld von einer Maschine kontrollieren zu lassen", sagt Trendforscherin Kelber. Smartwatches wahrten die nötige Distanz zwischen Mensch und Maschine. "Und im Moment sieht es so aus, als wäre der Favorit unter den Wearable-Konzepten die Smartwatch."

Mit der Pebble fing alles an

Die Welle losgetreten hat ein kalifornisches Start-up, das die Pebble fertigt, eine wasserdichte Smartwatch mit Schwarz-Weiß-Display aus elektronischem Papier (1,26 Zoll) für iOS und Android. Weitere Schwarz-Weiß-Modelle mit besonders stromsparenden Anzeigen sind etwa Metawatch (ab 100 Euro), Agent oder Sonostar (in der Entwicklung).

Die Pebble gehört zur Gruppe von Smartwatches, die vor allem ein Anhängsel zum Smartphone sein wollen. Dazu zählen auch die Smartwatches von Sony.

Die Japaner haben schon die zweite Generation ihrer mit Sony-Androiden koppelbaren Uhr angekündigt, für die es bereits viele Apps gibt. Die SW2 (199 Euro ab dem 3. Quartal 2013)
hat ein farbiges LCD-Touchdisplay (1,6 Zoll), ist spritzwasserdicht und verfügt über NFC zum schnellen Koppeln.

In einem Test der Zeitschrift "c't" hielten sowohl die SW1 (89 Euro) als auch die Pebble und die Metawatch rund eine Woche mit einer Akkuladung durch.

Eine ebenfalls wasserdichte Smartwatch mit analogem Uhrwerk ist die Cookoo (iPhone, 130 Euro). Sie zeigt Nachrichten oder Erinnerungen nur mit Symbolen im Zifferblatt an. Ein frei belegbarer Knopf kann etwa die Handykamera auslösen.

Mit GPS und Open-Street-Map-Karten

Ebenfalls analog mit eingelassenem, einzeiligen Display kommen die Modelle des Herstellers Martian für Android daher (190 bis 230 Euro). Sie verstehen Sprachkommandos und funktionieren als Handy-Freisprecher.

Noch in der Entwicklung ist die Kreyos Meteor, die dank diverser Sensoren auch auf Gesten reagieren soll, etwa um einen Anruf per Schütteln des Arms auf dem integrierten Freisprecher anzunehmen (Android, iOS und Windows Phone, 77 bis 130 Euro).

Freisprechen bietet auch die 300 Euro teure I'm Watch für Android und iOS, "wobei die Sprachqualität über den eingebauten Lautsprecher miserabel ist" und der Akku nach einem Tag leer, schreibt die Zeitschrift "c't".

Besonderheiten der in Richtung Sportuhr gehenden Leikr (300 Euro) mit 2-Zoll-Farbdisplay sind GPS und Open-Street-Map-Karten. Auch die WearIT (1,54-Zoll-Farbdisplay) mit GPS, WLAN und diversen Sensoren spricht eine breite Zielgruppe an (in der Entwicklung).

Zur kleineren Gruppe von Smartwatches, die mit Mobilfunkmodul das Handy ersetzen wollen, gehören etwa die Simvalley PW-315 (80 Euro) mit 1,54-Zoll-Farbdisplay und GSM-Modul oder die Neptune Pine mit 2,4-Zoll-Farbdisplay, Fünf-Megapixel-Kamera und UMTS, auf der sogar beliebige Android-Apps laufen sollen (vorbestellbar für 245 Euro).

Keine konnte rundum überzeugen

Expertin Kelber glaubt aber nicht an den Erfolg vollautonomer Smartwatches. "Die aktive Nutzung, also Telefonieren und Schreiben von Nachrichten, erfordert natürlich ein anderes Interface." Hier habe sich das Smartphone mit großem Touchscreen bewährt - "ein Fortschritt, den die User auch nicht wieder aufgeben wollen".

Die "c't" bescheinigt den fünf Smartwatches im Test "interessante Ansätze", ließ sich aber von keiner "rundum überzeugen". Die Kleinen haben vorgelegt, nun sind die Großen wie Apple, Google, LG oder Samsung am Zug: Alle sollen an Smartwatches arbeiten. Und für 2013 prognostizieren die ABI-Marktforscher weltweit bereits 1,2 Millionen verkaufte Smartwatches.

(dpa)
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