Google-Smartphone Pixel XL im Test — Top-Smartphone mit ein paar Schwächen

Düsseldorf · Google hat mit dem Pixel und dem Pixel XL seine ersten eigenen Smartphones auf den Markt gebracht. Bei den Android-Vorzeigegeräten wurde geklotzt, nicht gekleckert. Top sind aber auch die Preise, sie liegen auf iPhone-Niveau. Ist das Google Pixel so viel Geld wert? Wir haben es getestet.

Smartphone Google Pixel XL im Test
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Smartphone Google Pixel XL im Test

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Foto: Christoph Schroeter

Die Verpackung ist schonmal sehr schön gestaltet. Den eigentlichen Karton zieht man aus eine Schuber, öffnet einen Klappdeckel, dann liegt es vor einem, das erste Smartphone, das komplett aus Google-Vorgaben zusammengebaut wurde.

Um das zu unterstreichen, wurde auch die viele Jahre benutzte Marke Nexus zu Grabe getragen, die Geräte heißen jetzt Pixel. So hießen bislang die Chromebooks von Google. Etwas verwirrend das Ganze.

Als das Gerät dann ausgepackt auf dem Schreibtisch liegt und sich die ersten Schaulustigen einfinden, hört man das eine oder andere Mal "Sieht irgendwie nach iPhone aus". Ja, auf den ersten Blick sieht es tatsächlich aus, wie ein iPhone der 6er- oder 7er-Reihe: die abgerundeten Ecken, der umlaufende Metallrahmen, die seitlichen Antennenstreifen.

Liegt ein Apple-Gerät zum Vergleich daneben, fällt die Unterscheidung aber doch leicht. Vorn fehlt der markante Apple-Homebutton, die seitlich Knöpfe sind anders angeordnet, die unteren Lautsprecher-/Mikrofonöffnungen bestehen aus zwei Schlitzen, nicht aus mehreren Löchern - und oben auf dem Pixel XL findet sich ein Kopfhöreranschluss.

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Foto: Christoph Schroeter

Ganz deutlich wird der Unterschied dann auf der Rückseite. Diese ist beim Pixel zweigeteilt, das obere Drittel besteht aus Glas, der untere Bereich aus Metall. Anders als beim iPhone ist es den von Google beauftragten Technikern gelungen, die Kamera flach im Gehäuse verschwinden zu lassen. Beim Apple-Smartphone wölbt sich hinten ein unschöner Höcker aus dem Gerät.

In dem Glasbereich auf der Rückseite sitzt beim Google Pixel der Fingerabdruckscanner. Dazu später mehr.

Die Verarbeitung des Google-Gerätes ist top. Nichts knarzt, nichts klappert, das darf man in der Preisklasse auch erwarten. Ganz an das iPhone kommt das Gehäuse dann doch nicht heran. Die Übergänge am Rand vom Display zum Metallgehäuse sind beim Pixel in Form einer leichten Kante spürbar. Das liegt nicht etwa an einer unsauberen Verarbeitung, sondern am Design. Das mag Jammern auf hohem Niveau sein, aber wir bewegen uns ja auch auf höchstem Smartphone-Niveau.

Eine deutlich spürbare, aber nicht störende Kante findet sich beim Pixel auch auf der Rückseite zwischen Glas- und Metallbereich, obwohl der Übergang oben und seitlich kaum zu ertasten ist. Des Rätsels Lösung: Das Pixel hat eine leichte Keilform, wird nach unten deutlich dünner. Eine gute Idee, so passt oben die Kamera ins Gehäuse und unten liegt das Gerät gut in der Hand.

Das eigentlich Spannende an Googles erstem Smartphone ist der integrierte Google Assistant. Bei der Bedienung setzt Google voll auf Sprache. Das dürfte auch der Grund sein, dass man erstmals bei einem Smartphone mit nacktem Android keine Google-Suchleiste im oberen Bereich des Displays findet. Sogar auf dem Homescreen findet sich nur eine Lasche, die erst nach einem Antippen die Suchmaske öffnet.

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Das soll den Nutzer dazu verleiten, den Assistenten mit einem "O.k. Google" oder einem längeren Druck auf den Homebutton zu starten. Während das von künstlicher Intelligenz gespeiste Tool in Googles Messenger Allo nur Englisch versteht, spricht er auf dem Pixel auch Deutsch. Auf unserem Gerät klappt das vor dem offiziellen Release noch nicht perfekt. Häufig kommt der Hinweis "Tut mir leid, das kann ich noch nicht. Aber ich lerne jeden Tag dazu."

Im Test hat sich der Google Assistant in vielen Fällen als sehr hilfreich erwiesen. Er beantwortet Fragen aller Art, steuert Funktionen des Handys, navigiert, sucht Restaurants heraus, stellt den Wecker, ruft Leute an und, und, und. Leider klappt das aber nicht immer so, wie man es sich vorstellt. Mal hört er nur halbe Sätze, manchmal auch gar nichts, dann versteht er wieder irgendwelchen Kauderwelsch.

Wir geben dem Assistenten noch ein paar Tage oder Wochen, um zu lernen, dann werden wir ihn noch einmal genauer unter die Lupe nehmen. Möglicherweise stellt Google vor dem Verkaufsstart am 20. Oktober auch noch ein Update bereit. Daher soll seine aktuelle Leistung nicht zu stark in die Pixel-Bewertung einfließen. Zumal Google selbst darauf hinweist, dass Deutsch die erste nicht-englische Sprache sei, die der Assistent verstehe und noch nicht alle Features implementiert seien.

Zurück zu den technischen Innereien. Die Kamera des Pixel landete bei dem unabhängigen Kamera-Test DxOMark mit 89 Punkten auf Platz eins, das iPhone 7 mit 86 Punkten auf Platz vier. So viel zur Theorie.

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Foto: dpa-tmn/Garmin

In der Praxis schießen Pixel und 7 Plus hervorragende Fotos - wenn das Licht stimmt. Wie üblich bei Smartphonekameras, lässt die Qualität nach, je dunkler es wird. Pluspunkt für das iPhone ist der zweifache optische Zoom und die in der iOS-Betaversion bereits verfügbare Tiefenschärfe. Ein ähnliches, Fokuseffekt genanntes Feature hat auch die Google-Kamera, doch ist die Bedienung umständlicher und die Ergebnisse sind nicht so gut.

Hervorragend ist beim Pixel die Auslöseverzögerung, auch im HDR+-Modus. Damit sind im Gegensatz zu vielen anderen Smartphones echte Schnappschüsse möglich. Google hat mittlerweile verraten, wie die Kamera das hinbekommt: Das Pixel schießt bereits Fotos, bevor der Nutzer den Auslöser drückt. Das eigentliche Auslösen dient folglich nicht dazu, ein Foto aufzunehmen, sondern nur den Zeitpunkt des gewünschten Fotos festzulegen. Die Bilder sind ja ohnehin schon im Kasten.

Das ermöglicht auch eine passable Bildqualität bei schlechtem Licht, da das Pixel aus sehr vielen Fotos die besten aussuchen kann und diese zu einer HDR-Aufnahme zusammensetzt.

Bei Videoaufnahmen liegt dann jedoch die Pixel-Kamera vorn. Die eingebaute Videostabilisierung leistet wirklich ganze Arbeit. Auch übertrieben starke Verwacklungen in Testaufnahmen sind nur als leichte Schwankungen im Bild sichtbar. Damit bleiben selbst im Lauf aufgenommenen Videos noch so ruhig, dass den Zuschauern später nicht schwindelig wird.

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Ansonsten glänzen die Kamera-Apps von Google und Apple bereits traditionell nicht gerade mit üppigen Einstellmöglichkeiten. Doch in den jeweiligen App-Stores gibt es zahlreiche Alternativen.

Das Pixel kann zwar auf einen traditionellen Kopfhöreranschluss verweisen, dafür aber auch nur auf einen einzigen Lautsprecher. Von einem Klang, den etwa vor Jahren bereits das HTC One hervorgezaubert hat, ist das Pixel somit weit entfernt. Für ein schnelles YouTube-Video unterwegs reicht das aus, will man jedoch einen Film schauen oder Musik hören, sind Kopfhörer Pflicht.

Gut funktioniert der Fingerabdrucksensor auf der Rückseite des Pixel. Er hat nun eine Funktion bekommen, die Besitzer etwa eines Huawei- oder Honor-Smartphones schon lange kennen: Streicht man von oben über den Sensor, klappt die Benachrichtigungsleiste herunter - sicherlich kein Killer-Feature, aber ganz nett.

Was wir im Test vermisst haben, ist eine liebgewonnene Funktion etwa beim Nexus 5X oder iOS-10-Geräten: Heb man diese an, wird das Display aktiviert und man sieht mögliche Benachrichtigungen auf dem Sperrbildschirm. Beim Pixel muss dazu die seitliche Power-Taste gedrückt werden. Das ist etwas umständlich.

Eine gute Gelegenheit, den für Pixel-Nutzer kostenlosen Google-Support zu testen. Zu finden ist dieser auf einem Reiter in den Einstellungen, es kann zwischen Chat und Anruf gewählt werden. Wir habe die Chatfunktion genutzt und schnell war eine Mitarbeiterin verfügbar. Die Frage, ob die "Aktivieren bei Anheben"-Funktion irgendwo zu finden sei, konnte sie nicht direkt beantworten, wollte sich später per Mail melden.

Die Mail kam vier Tage später, aber die Antwort nicht. Da die Pixel noch nicht offiziell verfügbar seien, könnten sie solche Fragen derzeit nicht beantworten. Schade. Wenn er nach dem 20. Oktober besser funktioniert, ist das aber ein klasse Service für Pixel-Besitzer.

Was uns während des Tests noch aufgefallen ist, möglicherweise bei der finalen Pixel-Version aber gar nicht mehr auftritt: Bei manchen - nicht unbedingt anspruchsvollen - Anwendungen wurde das Gerät recht warm. Auch war an den ersten Tagen der Akku überraschend schnell leer, das war später dann aber nicht mehr zu beobachten. Probleme dieser Art lassen sich aber in der Regel durch Software-Optimierungen beheben.

Fazit: Das Pixel ist ein tolles Gerät. Google ist der Einstand in die Pixel-Reihe damit geglückt. Preislich bewegt man sich exakt auf iPhone-Niveau: Das kleinere Pixel gibt es für 759 Euro (32 GB) oder 869 Euro (128 GB), das Pixel XL für 899 Euro (32 GB) oder 1009 Euro (128 GB). Eine Menge Geld, viele potenzielle Kunden werden dadurch bestimmt abgeschreckt.

Leider lässt sich die eigentliche Killer-Application, der Google Assistant, auf Deutsch noch nicht so richtig testen. Außerdem muss er den Nutzer auch erst kennen lernen, das dauert sicherlich eine Weile. Aus dem Grund ist das Gerät für Leute nicht zu empfehlen, die auf einen kompletten Striptease vor Google verzichten möchten.

Alle anderen bekommen aber einen ordentlichen Gegenwert für ihr Geld. Samsung-Galaxy-Note-7-Geschädigte gehört das Pixel XL von Google auf jeden Fall in die engere Auswahl für ein Ersatzgerät.

(csr)
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