Florian Schroeder „So eine heilige Kuh ist die ARD ja nicht“

Düsseldorf · Das Erste möchte jetzt auch eine satirische Nachrichtensendung haben und testet am 20. Dezember um Mitternacht "Das Ernste". Anchorman ist der Kabarettist Florian Schroeder. Unser Autor sprach mit dem 33-Jährigen über das Geheimnis von Joachim Gauck, den Überfluss an FDP-Witzen und jene Show, die freitagabends ab 22.30 Uhr im ZDF läuft.

 Florian Schroeder isst kein Müsli und kann sich in Rudi Carrell verwandeln.

Florian Schroeder isst kein Müsli und kann sich in Rudi Carrell verwandeln.

Foto: Frank Eidel

Das Erste möchte jetzt auch eine satirische Nachrichtensendung haben und testet am 20. Dezember um Mitternacht "Das Ernste". Anchorman ist der Kabarettist Florian Schroeder. Unser Autor sprach mit dem 33-Jährigen über das Geheimnis von Joachim Gauck, den Überfluss an FDP-Witzen und jene Show, die freitagabends ab 22.30 Uhr im ZDF läuft.

Bevor wir über Ihre Sendung sprechen, müssen wir über etwas Wichtigeres sprechen.

Florian Schroeder Okay.

Ich habe kürzlich mit einem Nuss-Experten gesprochen und er sagte, dass es momentan in Europa keine Zedernkerne zu kaufen gibt. Betrifft Sie das?

Nicht, dass ich wüsste. Wahrscheinlich sagen Sie mir gleich, dass in meinem Müsli Zedernkerne sind, aber adhoc sage ich: Das betrifft mich nicht.

Ich wollte Sie in keine Falle locken.

Ich esse auch gar kein Müsli.

Sie haben Ihren Zivildienst beim Patientenradio der Uniklinik Freiburg gemacht. Da haben Sie sicher eine Menge Quatsch gemacht.

Das ist richtig. Es war so: Das Patientenradio funkte täglich für eine halbe Stunde auf der Frequenz von SWR4, dem Oldie- und Seniorensender. Bei so einem Sender muss man freundlicher sein als bei anderen. Da bin ich schnell in die Betulichkeit abgerutscht und habe versucht, das mit Ironie zu retten. Was schwierig war. Irgendwann lief Rudi Carrell mit "Wann wird's mal wieder richtig Sommer?". Das habe ich dann mit einer Rudi-Carrell-Parodie abmoderiert: "Das war ,Wann wird's mal wieder richtig Sommer?' Aber die viel spannendere Frage ist doch: Wer von uns wird den überleben?".

Das gab sicher Ärger.

Nein, es hat ja keiner gehört. Der Zivildienst war auf jeden Fall eine gute Schule, weil ich so die Grenzen der Komik kennengelernt habe. Hörerfeedback habe ich nie bekommen. Es gab auch nur diesen einen Radiosender im Krankenhaus, alle anderen waren verboten. Wahrscheinlich hatte man Angst, dass bei Led Zeppelin der Herzschrittmacher aus dem Takt kommt. Mein Highlight war es, jeden Morgen das Essen des nächsten Tages vorzulesen.

Das kenne ich vom Studentenradio. Der Mensaspeiseplan! Welches Essen haben Sie am häufigsten vorgelesen?

Milchreis und Griesgramsuppen.

Damals haben Sie vermutlich auch schon Prominente parodiert.

Ja, das war die Zeit von Gerhard Schröder und Joschka Fischer. Helmut Kohl ging auch noch, weil viele Patienten noch gar nicht mitbekommen hatten, dass die Regierung gewechselt hatte.

Aber von Helmut Kohl mussten Sie sich irgendwann verabschieden.

Als Parodist darfst du nie an einer Figur hängen, sonst trauerst du nur noch. Dafür kommen neue.

Von welcher Figur haben Sie sich nur ungern verabschiedet?

Günther Oettinger war ein großartiger Edmund Stoiber 2.0. Da musste ich nur wiederholen, was er an Material angeboten hat. Aber ich bin eher ein Freund von Figuren, die auf den ersten Blick nicht parodierbar erscheinen.

An wen denken Sie da?

Früher war es Guido Westerwelle, mittlerweile ist es auch Philipp Rösler, der scheinbar nichts bietet. In unserer Sendung "Das Ernste" übernimmt das der Kollege Marti Fischer, ich mache Peter Altmaier, Peer Steinbrück und Joachim Gauck. Auf den ersten Blick ist an denen nichts Auffälliges, auf den zweiten aber sehr viel.

Was ist denn dran an Gauck?

Er hat diesen sehr pastoralen Tonfall, ganz viele Nebensätze, sehr gezielter Einsatz von Fremdworten, sehr kontrolliert. Das wirkt, als würde er immer etwas über der Wirklichkeit schweben, aber nur so hoch, dass Frau Müller noch nach ihm greifen kann. Der ist schon eine sehr perfekte Kunstfigur, da ist alles durchdacht, geplant, inszeniert. Aber ohne, dass es so wirkt.

Sind diese Figuren überhaupt noch menschlich?

Doch, doch. Die Parodien sollen ja die Ebene darunter zeigen. Dass man das Denken einer Figur ad absurdum führt, in dem man es in seiner eigenen Logik zu Ende denken kann in der Figur. Und durch die Gesten und gezielte Übertreibung lässt sich etwas über die Person etwas aussagen, was sie selbst gar nicht weiß, was einem Parodisten aber ins Auge springt.

Sie haben nun ganz geschickt zu "Das Ernste" übergeleitet. Mir ist es aber ein Anliegen zu überprüfen, ob Sie noch unabhängig sind. Machen Sie doch mal einen Witz auf Kosten der ARD.

Wir machen in der Sendung ständig Witze auf Kosten der ARD. Die sind da erstaunlich humorvoll. Wir machen der ARD zum Beispiel einen sehr praktischen und doch menschlichen Sparvorschlag: In einer Nummer, die heißt "Die ultimative Talkshow", reden alle fünf Talkmoderatoren der ARD nonstop miteinander. Damit niemand abgesetzt werden muss, schlagen wir vor, das jede Woche zu machen — über mehrere Stunden. Ein Gespräch von Moderatoren über Moderatoren mit Moderatoren. Das ist nur die Erhöhung zeitgemäßen Fernsehens.

Machen Sie doch mal in der Sendung einen Gag über die GEZ-Gebühren.

Na klar, so eine heilige Kuh ist die ARD ja nicht. Selbstironie gehört zum Tagesgeschäft. Was es dem Satiriker manchmal schwer macht.

Hat die ARD Sie aufgefordert, sich über die ARD lustig zu machen?

Nicht aufgefordert, aber sie haben uns darin bestärkt.

Es ist nicht das erste Interview, das Sie heute geben. Wie oft wurden Sie schon nach der Sendung gefragt, die freitagabends ab 22.30 Uhr im ZDF läuft?

Darauf wurde ich natürlich angesprochen.

Ich finde, wir sollten den Namen der Sendung heute nicht nennen.

Wir können den Namen aber ruhig nennen, ich bin Fan der Sendung.

Wir nennen sie "Jene Sendung, die freitagabends ab 22.30 Uhr im ZDF läuft".

… in der ich auch schon zu Gast war.

Versteckt die ARD "Das Ernste"? Die Sendung läuft um Mitternacht. Da schlafe ich.

Sie vielleicht, aber viele Leute sind wach. Ich auch. Nein, die ARD versteckt uns nicht. Die Sendung ist ein Pilot, da ist es besser, sie nicht sofort um 20.15 Uhr laufen zu lassen, damit sie sich entwickeln kann. Nach vorne rücken können wir immer. Das war übrigens genau so bei der Sendung, die Sie nicht nennen möchten, die freitagabends ab 22.30 Uhr im ZDF läuft.

Was machen Sie denn am 20. Dezember um Mitternacht?

Ich gucke natürlich die Sendung. Der wahre Grund, warum die Show so spät läuft, ist ja, dass ich an dem Abend einen Auftritt habe und die Sendung danach noch bequem gucken möchte, ohne nebenher auf der Bühne zu stehen.

Werden Sie lachen?

Ich werde nicht dasitzen und mich über mich selbst beömmeln. Dazu bin ich zu selbstkritisch. Andererseits sind wir ja ein fünfköpfiges Ensemble. Einige Beiträge habe ich selbst noch nicht gesehen, da werde ich sicher Spaß haben.

Wären Sie schockiert, wenn die Sendung Erfolg hätte?

Nein, erfreut.

Aber Kabarettisten wollen doch nicht Mainstream sein.

Ach, da habe ich nichts gegen. Man kann auch im Mainstream subversiv sein, das ist viel spannender.

Was wird denn genau bei "Das Ernste" passieren?

Ich bin der Anchorman und moderiere die Beiträge an. Neben mir liest Jo Brauner die Kurznachrichten. Und ansonsten zeigen wir Filme. Die Homestory von Angela Merkel, die ihre Mohammed-Karikaturen-Sammlung präsentiert. Peter Altmaier besucht zuhause Menschen und zeigt ihnen, dass man Energie sparen kann, indem man die Torte aus dem Kühlschrank aufisst. Das sind ganz klassische Tagesthemen-Beiträge. Nur lustiger.

Noch lustiger?

Es war schwer, aber wir haben es geschafft.

Ich habe die Befürchtung, dass die Sendung zum Spektakel der Parodisten ausartet.

Sie werden schon eine halbe Stunde Nachrichtenparodie mit parodierten Prominenten sehen, aber sehr auf der Höhe der Zeit. Deshalb ist auch die Nähe zu der von Ihnen angesprochenen Sendung, die freitagabends ab 22.30 Uhr im ZDF läuft, nicht gegeben, weil die ganz anders arbeiten.

Das heißt, Sie machen Switch Konkurrenz?

Wir sind zu gar nichts Konkurrenz. Switch ist eine großartige Fernsehparodie, wir aber arbeiten uns stärker an der Politik ab. Am ehesten stehen wir in der Tradition von "Rudis Tagesshow".

Können Sie mir versprechen, dass Sie nicht so viele FDP-Witze machen? Die kann ich nicht mehr hören.

Sind Sie FDP-Wähler?

Nein, aber die FDP ist ein viel zu einfaches Ziel.

Ich stimme Ihnen in der Tendenz zu, aber sie bietet auch so viel großartiges Material. Allein Röslers Wort "Anschlussverwendung" über die Schlecker-Frauen rechtfertigt mehrere Rösler-Parodien pro Sendung. Aber es gibt auch noch spannendere Opfer, das stimmt.

Über wen werden zu wenige Witze gemacht?

Die Piratenpartei.

Da droht ja dann auch Shitstorm.

Ja, und für viele sind die Piraten auch inhaltlich zu wenig bestimmbar. Gerade Ältere haben da Schwierigkeiten, weil die sich nicht so mit diesem komischen Internet beschäftigen, von dem ich auch noch nicht genau weiß, wie lange das noch geht...

Shitstorm!

Das war Ironie, aber Ironie funktioniert nicht in Shitstorms.

Shitstorm ist die Waffe der Ironiefreien.

Definitiv. Habe Angst vor jedem, der keine Ironie kennt!

Was passiert eigentlich, wenn die Sendung tatsächlich ein Erfolg wird und die Welt am 21. Dezember nicht untergeht? Müssen Sie dann im Januar direkt weiterdrehen?

Das weiß nur der liebe Gott, also die ARD.

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