RP Plus Warum Militärs den "Leo" lieben

Düsseldorf · Deutsche Kampfpanzer für Saudi-Arabien. Angesichts des arabischen Frühlings erhitzt der geplante Deal die Gemüter. Dass die Saudis 200 deutsche Leopard-2-Panzer haben wollen, ist indes kein Zufall. Militärs auf der ganzen Welt lieben den "Leo".

 Der Kampfpanzer Leopard 2 A6 EX auf dem Gelände der Herstellerfirma Krauss-Maffei Wegmann in München. Das Kürzel "EX" im Typennamen kennzeichnet die Exportversion des Panzers

Der Kampfpanzer Leopard 2 A6 EX auf dem Gelände der Herstellerfirma Krauss-Maffei Wegmann in München. Das Kürzel "EX" im Typennamen kennzeichnet die Exportversion des Panzers

Man braucht die drei Buchstaben L - e - o nur in den Mund zu nehmen, um einen Panzerfahrer ins Schwärmen zu bringen. "Der fährt sich wie ein Auto", berichtet ein erfahrener Soldat der Panzertruppe im Gespräch mit RP Plus. Ein Autofahrer finde sich spielend leicht mit den Funktionen zurecht. Ein Gaspedal, eine Bremse, ein Lenkrad, alles ein wenig anders geformt und auch größer als im gewöhnlichen Auto, aber genau so konzipiert.

Gut, "unter Luke", also in einer Gefechtssituation, sei das Gesichtsfeld des Fahrers schon sehr eingeschränkt. Aber über drei Spiegel und eine eigene Rückfahrtkamera lasse sich der Leo schon gut bewegen. "Wenn man ein Gefühl für die Maße entwickelt hat", sagt der Panzerfahrer.

So wendig und schnell wie eine Wildkatze

Die Maße sind alles andere als die einer geschmeidigen Wildkatze. Fast vier Meter breit, gut drei Meter hoch und rund elf Meter lang, macht der 70-Tonnen-Stahlkoloss nachhaltigen Eindruck. Vor allem, weil er dann doch so wendig und schnell wie die Wildkatze sein kann. Wenn er will, ist er 72 Stundenkilometer schnell, rückwärts immerhin 31. Der Tank fasst über tausend Liter, und das ist auch gut so. Denn richtig gefordert im Gelände, schluckt er auch schon mal 530 Liter auf hundert Kilometer. Seinen Wendekreis von 27 Metern kann er auch so verkleinern, dass er buchstäblich auf der Stelle dreht.

Der Clou ist der Turm. Schon die ersten Versionen hielten das Rohr hydraulisch immer feuerbereit auf Linie. Inzwischen hat eine Elektronik die automatische Korrektur übernommen. Geht es unter den Ketten auch noch so hurtig rauf und runter – der Panzer bleibt an seiner entscheidenden Stelle stets optimal ausgerichtet. Er kann in voller Fahrt vorwärts, rückwärts und seitlich feuern und dabei Ziele auch noch in fünf Kilometern Entfernung bekämpfen. Mit Spezialmunition auch noch darüber hinaus. Der Fahrer muss das alles im Blick behalten, natürliche Deckung genauso nutzen wie die Stellung des Turmes beachten. Schließlich kommen da auch mal eben 20 Tonnen in Bewegung, wenn in voller Fahrt eine 360-Grad-Drehung fällig ist.

Der Leo-2 kann tauchen und durchs Wasser waten

Der Leo-2 war ein Kind des kalten Krieges. Die 2125 Leopard-2-Kampfmaschinen der Bundeswehr stellten die Antwort auf die Aufmarsch- und Offensivpläne des Warschauer Paktes dar. Sie sollten die Panzervorstöße des Gegners so lange in der Ebene abbremsen, bis die Nato am Rhein volle Abwehrkraft entwickelt hätte. Dazu sollte sie nicht nur mit panzerbrechender Munition wirksam zuschlagen, sondern auch optimal auf das Gelände eingestellt sein. Deshalb kann der Leopard-2, was in der Natur kein Leopard zustande bringt: Tauchen.

Bis zu 1,20 Meter Wassertiefe fährt der Panzer einfach so durch die Flussfurt. Bei zwei Metern Tiefe sind ein paar Handgriffe nötig, und bei vier Metern "watet" der Leo einfach unter Wasser über den Grund des Flusses, zieht die Luft für das Getriebe aus einem aufgesetzten Zusatzturm und macht aus den Panzersoldaten des Heeres vorübergehend U-Bootfahrer. "Da wird's dann psychologisch", weiß der Panzerfahrer. Die Schwimmwesten liegen dann genau so bereit wie eine Auftauchhilfe, die bei Bedarf mit Karbidpatronen Sauerstoff produziert. Obwohl gerade die neueren Modelle schon ganz gut abgedichtet sind, kann durch die Spiegel doch ein kleines Rinnsal eindringen. Dafür ist der Panzer auch mit zwei Lenzpumpen ausgerüstet. Die Klimaanlage ist genau so serienmäßig wie ABC-Schutz, der den Panzer und seine Besatzung auch in verseuchten Gebieten zwei Tage lang weiter kämpfen lässt.

Mit der deutschen Einheit wandelten sich die Anforderungen an die Bundeswehr. Die Panzertruppe wurde massiv dezimiert, von über 2000 auf unter 400. Neue Nato-Partner freuten sich, dass sie sich aus den deutschen Vorräten bedienen konnten. So verfügen die polnischen Nachbarn allein über zehn Dutzend Leos. Auch der Nato-Partner Türkei hatte ein Auge auf die modernen Kampfpanzer geworfen, fragte Ende der 90er Jahre gleich nach tausend Panzern an. Mit viel Mühe konnte sich Rot-Grün dazu durchringen, ein Modell zur Anschauung in den Wettbewerb zu schicken. Aber bei der Hauptbestellung wollte die Regierung dann doch keine Exportgenehmigung erteilen. Mit Blick auf den türkisch-kurdischen Konflikt sagte damals die Koalition Nein zu dem großen Geschäft.

Es folgte ein kleineres. Denn die weiteren Tests hatten aus Sicht der türkischen Armee ergeben, dass der Leo seinen Konkurrenten aus Frankreich und den USA überlegen war. 298 Leopard 2 A 4 gingen 2007 an die Türkei, deren Fortschritte im Rahmen der EU-Annäherung nicht zuletzt bei den Menschenrechten damit honoriert wurden. Sehr zufrieden sind auch die Dänen und die Kanadier mit den Leos, die sie mit in den Einsatz an den Hindukusch genommen haben. An dieser Panzerung beißen sich die Taliban selbst mit größten Sprengsätzen die Zähne aus.

"Wer in das Kanonenrohr eines Leopard-2 schaut, überlegt sich zweimal, ob er angreift"

Mehrere Anschläge überstanden dänische und kanadische Soldaten im Leo. Nach der Auswertung waren sie sich sicher, dass sie in anderen Fahrzeugen keine Überlebenschance gehabt hätten. Bei der Leopard-M-Version ist nicht nur der Minenschutz von unten verstärkt. Der Fahrer hängt auch an der Decke, damit er beim Ansprengen nicht den Druckwellen ausgesetzt ist. Kein Wunder, dass der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus, mehrfach ebenfalls zum Einsatz des Panzers am Hindukusch gemahnte: "Wer in das Kanonenrohr eines Leopard-2 schaut, überlegt sich zweimal, ob er eine deutsche Patrouille angreift", sagte Königshaus leicht martialisch.

Leo-Anhänger glauben, dass der verheerende Zwischenfall nahe Kundus, bei dem auf deutschen Befehl eine entführter Tanklaster bombardiert worden war und zahlreiche Zivilisten starben, nicht passiert wäre, wenn der Kommandeur Leopard-2-Panzer zur Verfügung gehabt hätte. Dann hätte man potenzielle Angreifer in einem Tanklaster mit den Leoparden aus sicherer Entfernung zielgenau bekämpfen können. Freilich weisen Gefechtsexperten auch darauf hin, dass die meisten Brücken in Nordafghanistan unter dem Leo zusammenbrechen würden. Dennoch hat die Bundeswehrführung reagiert und wenigstens die Panzerhaubitze 2000 in Stellung gebracht. Direkte Attacken der Taliban hätten daraufhin spürbar nachgelassen, heißt es.

Heftige Debatte um den Panzer-Deal mit den Saudis

Dass die aktuelle Debatte um die Lieferung von 200 Leopard-2-Panzern nach Saudi-Arabien so heftig geführt wird, hängt auch mit einer weiteren Anpassung des Leopard-Grundgerüstes an neue Herausforderungen zusammen. Niemand wäre beim Start der Leopard-Serienproduktion Ende der 70er Jahre auf den Gedanken gekommen, dass sich der Stolz der Artillerie auch für klassische Aufgaben der Infanterie im Nahkampf eignen könnte. Doch die Erfahrungen in Afghanistan haben die Hersteller Krauss-Maffei Wegmann in München und Rheinmetall in Düsseldorf bewogen, den Leopard als neue Version "2 A 7+" vorzustellen. Er kann Hindernisse mit einem Räumschild beiseite schieben und ist mit Wärmebildvorrichtungen Tag und Nacht einsatzfähig. Verstärkte seitliche Panzerung macht ihn unempfindlich gegen Granatenbeschuss aus dem Hinterhalt, und als die Bundeswehr in Munster die besonderen Fähigkeiten des neuen Leos vorstellte, da tat sie das im Zusammenhang mit dem Vorgehen gegen Aufständische.

Genau das ist das Problem. Zwar begründen Koalitionspolitiker die Lieferung an Saudi-Arabien damit, dass in der Auseinandersetzung mit dem Iran und dessen Hegemoniebestreben die Saudis an der Seite Israels gestärkt werden müssten. Nur – ein Panzergefecht zwischen dem Iran und Saudi-Arabien ist mit Blick auf die Geografie der Region völlig unwahrscheinlich. Bleibt die Fähigkeit zum Kampf gegen Rebellen – und ausgerechnet hier hat Saudi-Arabien bei der Unterstützung des Regimes in Bahrain bereits nachgewiesen, dass es auch vor dem Einsatz von Panzern nicht zurückschreckt.

(RPO)
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