TV-Nachlese zu "Günther Jauch" Hellmuth Karaseks Herrenwitz reloaded

Düsseldorf · Die Sexismus-Debatte nimmt kein Ende. Ausgelöst hat sie der "Stern" mit einem Artikel über FDP-Fraktionschef Brüderle. Auch bei Günther Jauch wird das Thema am Sonntagabend diskutiert – inklusive neuem Herrenwitz. Karasek sei Dank.

Bei "Jauch" griff Hellmuth Karasek tief in die Witzekiste.

Bei "Jauch" griff Hellmuth Karasek tief in die Witzekiste.

Foto: dpa, Paul Zinken

Die Sexismus-Debatte nimmt kein Ende. Ausgelöst hat sie der "Stern" mit einem Artikel über FDP-Fraktionschef Brüderle. Auch bei Günther Jauch wird das Thema am Sonntagabend diskutiert — inklusive neuem Herrenwitz. Karasek sei Dank.

Zu Gast sind an diesem Abend: Thomas Osterkorn (Chefredakteur des "Stern"), FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin, Schrifsteller Hellmuth Karasek, Journalistin Wibke Bruhns, Feministin Alice Schwarzer und Internet-Aktivistin Anne Wizorek.

Eine lebhafte Debatte entwickelt sich nicht wirklich, auch wenn der Beginn vielversprechend ist. Die angeblich anzüglichen Äußerungen von FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle zu einer "Stern"-Mitarbeiterin sind nach Darstellung des Chefredakteurs kein Einzelfall.

Kein Einzelfall?

Er gibt zu, dass er mit derartigen Reaktionen nicht gerechnet habe. Seiner Ansicht nach zeigt die Anzahl hoch emotionaler Rückmeldungen, dass es um weit mehr gehe als nur Brüderle. Frauen, die in der Gesellschaft auf dem Vormarsch sind, wollen sich so nicht mehr behandeln lassen.

Den "Stern"-Artikel von Laura Himmelreich verteidigt Osterkorn. Sie habe den FDP-Politiker ein Jahr lang immer wieder begleitet und dabei die Erfahrung gemacht, dass Brüderle fast bei jeder Begegnung ähnliche Bemerkungen gemacht habe. "Sie hat ein Bild eines Mannes gezeichnet, der ein Problem im Umgang mit Frauen hat, mindestens verbal."

"Mutig"

Ebenso verteidigt Osterkorn die Veröffentlichung des Artikels genau nach der Ernennung Brüderles zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, obwohl die darin beschriebenen Vorgänge schon gut ein Jahr zurücklagen. "Das, finde ich, ist ein richtiger Anlass, so einen Artikel, das Substrat aus einer einjährigen Begleitung, dann zu veröffentlichen."

Die FDP-Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin nennt den Artikel "mutig". Die Diskussion habe sich inzwischen aber weit entfernt von Brüderle und der Frage, ob der Artikel korrekter Journalismus gewesen sei oder nicht. "Und ich finde es auch gut, dass sie sich weit entfernt hat, weil die Diskussion an sich wichtiger und größer ist als die FDP und der eigentliche Anlass."

"Abgehärtet"

Ins Straucheln gerät Koch-Mehrin auf Jauchs Nachfrage, ob sie Brüderles Aussagen "salopp oder sexistisch" findet. Sie stottert, windet sich und lässt auf erneutes Nachfragen des Moderators wissen, dass sie nach all den Jahren in der von Männer dominierten Politik einfach "abgehärtet" sei. Resignation klingt durch.

Ganz anders Literaturkritiker Hellmuth Karasek: Er vergleicht die aktuell geführte Debatte mit dem Ausbruch eines Krieges. "Der Anlass ist meist lächerlich, aber die Ursache ist sehr groß — offenbar hat der Artikel ins Herz eines Themas getroffen".

Wibke Bruhns scheint die maue Diskussion, die die Runde am späten Sonntag führt, eher belustigend zu finden als ernst zu nehmen. Die erste TV-Nachrichtensprecherin grinst, verdreht die Augen und schüttelt leicht abgehoben mit dem Kopf. Der Artikel sei einfach nicht gut, so ihre Meinung. "Und was haben wir jetzt gelernt? Dass Brüderle sabbert" - mehr nicht. Grinsen. Fragende Blicke in die Runde.

Flirten als Machtgeste

Feministin Alice Schwarzer entgegnet, es gehe hier doch nicht um "Flirten auf Augenhöhe, es ist in Wahrheit eine Machtgeste" der Männer. Bruhns findet Schwarzers Argumentation, natürlich, belustigend. "Da kommen mir doch die Tränen." Grinsen.

Spätestens als Internet-Aktivistin Anne Wizorek, die im Kurznachrichtendienst Twitter unter dem Schlagwort (Hashtag) #Aufschrei eine deutschlandweite Debatte über Sexismus im Alltag ausgelöst hat, sagt, die Aktion habe gezeigt, dass viele Männer die Realität von Frauen gar nicht kennen, und Karasek alltägliche Erfahrungen zum besten gibt, wird das Problem der Sendung deutlich: Die Gäste präsentieren zumeist eigene Anekdoten, die sie zum Thema Sexismus gemacht haben — eine echte Grundsatz-Diskussion entwickelt sich nicht.

Beispielhaft für den Abend bei Jauch ist Karaseks fader Herrenwitz der 70er Jahre: "Im Kino wird es dunkel. Eine Frauenstimme sagt: Nehmen Sie sofort die Hand da weg! Nicht Sie, nicht Sie!" Das Publikum murmelt und kichert. Es gehe, so führt Karasek weiter aus, darum, wer die Bemerkungen von sich gebe. Seine Frau findet sogar den "notorischen Grabscher Bill Clinton sooo sympathisch".

Im Keim erstickt

Koch-Mehrins verzweifelter Versuch über die Forderung eines gesellschaftlichen Wandels zur Ernsthaftigkeit zurückzufinden, wird im Keim erstickt, als die Flirtattacke des FDP-Politikers Wolfgang Kubicki auf seine Parteikollegin im Einspieler erscheint. Kubickis lebhafte Erzählung bei "Markus Lanz" treibt das Thema in die Lächerlichkeit. Koch-Mehrin fordert einen gesellschaftlichen Wandel. Löblich. Schwarzer fordert eine Begegnung von Frau und Mann auf Augenhöhe. Löblich.

Das Fazit: Es wird diskutiert, ansatzweise sogar lebhaft, in der Sache aber dürfte beim Zuschauer hängen bleiben: Männer sind einfach so. Auch Bruhns sieht es so. Zwischen den Geschlechtern gebe es nun einmal Unterschiede. Allein durch die Natur von Mann und Frau werde es dabei bleiben — ansonsten müsse aus dem Stier ein Ochse werden. Grinsen.

(nbe)
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