Tschirner und Ulmen ermitteln Kommt jetzt der Gaga-Tatort?

Für den MDR ist es ein großer Coup: Ab 2012 ermitteln Nora Tschirner und Christian Ulmen. Ein Stilbruch? Markenzeichen der beiden war bisher ihre schnoddrig-ironische Komik. Schon sorgt sich so mancher um die Qualität der Krimi-Reihe.

Die neue Generation der "Tatort"-Kommissare
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Nora Tschirner und Christian Ulmen sind so etwas wie ein eingespieltes Team. Schon zu seligen MTV-Zeiten arbeiteten die beiden zusammen. Der verpeilte Humor, die Schnodderschnauze, das passte. Auch für einen Kinofilm standen die beiden schon gemeinsam vor der Kamera. 2006 spielte Tschirner die Partnerin eines Hobbyfußballers, dargestellt von Ulmen, im Film "FC Venus - Angriff ist die beste Verteidigung".

Am Mittwoch die große Überraschung: Der Mitteldeutsche Rundfunk gab bekannt, dass die beiden ab 2013 für den Tatort als Kommissare in Weimar ermitteln sollen. Die Verantwortlichen schienen vor Stolz fast zu platzen. Von Superstars, einer Riesengeschichte, einem Dream Team war die Rede.

Doch Tschirner-Ulmen im Tatort — passt das überhaupt? Das fragten sich am Mittwoch nicht eben wenige. "Ulmen und Tschirner im #Tatort? Kann mir den Ulmen nur als dorftrotteligen Polizisten vorstellen", war etwa bei Twitter zu lesen. Stern.de übte sich angesichts der neuen Personalie bereits in Untergangsstimmung, der Tatort verkomme zur Promi-besetzten Ersatzcouch von Wetten, dass..??

Zwei Ulknudeln im renommierten Krimi-Format, das ist tatsächlich ein ganz neues Wagnis in der immer schnelleren Fortentwicklung des Formats. Dass Ulmen und Tschirner eine Sonderrolle in der Tatort-Familie einnehmen werden, so viel steht bereits fest. So soll ihr Tatort immer nur vor Weihnachten laufen und etwas ganz Besonderes werden, wie die Bild-Zeitung berichtet. Intern sei von einem "Event-Tatort" die Rede: einmal im Jahr, mit hohem Aufwand produziert und durchaus humorig angelegt, ähnlich wie bei den Kollegen Thiel und Boerne aus Münster.

Hinzu kommt: Die zwei ehemaligen MTV-Stars allein auf ihre Blödelei zu reduzieren, würde den beiden inzwischen auch nicht mehr gerecht. Seit bald zehn Jahren arbeiteten die Beiden im Schauspielfach: Ulmen in durchaus sehenswerten Rollen etwa in "Herr Lehmann" (2003), "Elementarteilchen" (2006) oder "Maria, ihm schmeckt's nicht" (2009), Tschirner in der Verfilmung von Benjamin von Stuckrad-Barres Roman "Soloalbum" (2003) und in Fatih Akins Komödie "Kebab Connection" (2005) mit sowie den Komödien "Keinohrhasen" (2007) und "Zweiohrküken" (2009).

Was Krimis angeht ist Ulmen außerdem alles andere als ein Frischling. In der 2008 mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten Pro 7- Serie "Dr. Psycho - die Bösen, die Bullen, meine Frau und ich" mimte der heute 37-Jährige den zerstreuten Polizeipsychologen Max Munzl. Der muss nicht nur Verbrechen aufklären, sondern versucht nebenher noch seine Ehe zu retten. Sogar während einer Geiselnahme geht Munzl an sein Handy, um seiner Frau zu sagen: "Es ist grade ganz schlecht, ich bin grade 'ne Geisel."

Durchatmen und sortieren ist für "Tatort"-Fans im Jahr 2012 sowieso längst angesagt. Auffällig an der ARD-Strategie ist, zunehmend auch auf Prominenz bei seinen Ermittlern zu setzen. Til Schweiger (48) geht auf Gangsterjagd für den Norddeutschen Rundfunk, Ulrich Tukur (55) für den Hessischen Rundfunk.

Das Kalkül der ARD: Große Namen sollen auch verstärkt das jüngere Publikum aktivieren, das die öffentlich-rechtlichen Sender immer weniger einschaltet. Mit dem "Tatort" erreicht die ARD zunehmend wieder Schichten von unter 50 Jahren, wie das vergangene Wochenende beweist: Beim Publikum zwischen 14 und 49 Jahren war der Stuttgarter "Tatort" mit 20,2 Prozent Marktanteil sogar Sieger zur Hauptabendzeit vor RTL und ProSieben.

Kaum ein Prominenter, so wird in der Branche gern gescherzt, der sich nicht rechtzeitig vor dem Ruf zum "Tatort" auf die Bäume retten konnte. Man müsse sich fast schon schämen, wenn man nicht eines Tages von einem Fernsehdirektor angerufen würde, der einen prominent am Sonntagabend platzieren wolle.

Prominenter Nachwuchs ist daher heiß gefragt: Was ist eigentlich mit schillernden Talenten wie Matthias Schweighöfer, Martina Hill oder Annette Frier mit Einsatzgebieten in Höxter, Lingen oder Westerland? Nach der Personalie Tschirner/Ulmen wurde im Netz bereits gescherzt, das nächste Ermittler Duo bestehe vermutlich aus Joko und Klaas.

Für Schauspieler ist der Ritterschlag "Tatort" ein zweischneidiges Schwert: Zum einen trägt der Dauereinsatz bestens zur Rente bei - bei zwei Aufträgen im Jahr ist ein ordentlich dotierter Schauspieler mit mindestens 80 000 Euro Gage dabei und hätte sogar noch Zeit für ein bisschen Theater oder ein, zwei weitere Filme. Auf der anderen Seite ergibt sich das Problem, dass auch der Abstecher zu einer ZDF-Komödie die Assoziation zur Folge hat: "Das ist doch Kommissar XY aus dem "Tatort"!" Das ist die Schublade, die alle Schauspieler vorgeben zu hassen und in die sie sich dann doch hineinschieben lassen.

Doch nicht alle Prominente folgen dem Lockruf der Versorgungskasse. Christoph Maria Herbst (46) zum Beispiel sagt, er habe einst Kommissar Haferkamp (Hans-Jörg Felmy) geliebt. "Heute hat der "Tatort" einen Blähbauch, ist beliebig und die Dialoge sind vorhersehbar." Er selber habe auf eine "Tatort"-Rolle keine Lust, bekannte Herbst im Gespräch mit der Illustrierten "Bunte". "Nur um den zwanzigsten verkappt schwulen Kommissar zu spielen, der zu Hause den Spinat aufwärmen muss, bevor seine reaktionäre Scheinfreundin ihm die Hölle heißmacht?". Da sei es ihm lieber, neue Projekte zu entwickeln.

Das sagte Herbst, bevor sein zweiter Fall als ProSieben-Kommissar Kreutzer am vergangenen Samstag im Quoten-Nirwana verschwand.

(pst/dpa/das/seeg)
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