Interview mit Ranga Yogeshwar "Manchmal scheitere ich an Komplexität"

Düsseldorf · Die Wissenssendung "Quarks & Co." wird 20 Jahre alt. Der 54-jährige Moderator Ranga Yogeshwar sprach mit unserer Redaktion über Aschenputtel und 3D-Drucker.

Wenn Sie alte "Quarks & Co"-Sendungen angucken, wünschen Sie sich dann manchmal, Sie könnten ein Thema mit den heutigen technischen Möglichkeiten noch einmal machen?

Yogeshwar Das gibt es, aber mehr beschäftigen uns in der Redaktion diese Entwicklungen selbst. Der Fortschritt, den wir in den vergangenen 20 Jahren erlebt haben, ist einfach unglaublich. Wenn das Auto in dieser Zeit mit der gleichen Geschwindigkeit weiterentwickelt worden wäre wie die Computer, dann wäre es heute so schnell, dass es binnen einer Sekunde die Strecke von der Erde bis zur Sonne und zurück zurücklegen könnte — 300 Millionen Kilometer. Das Auto würde mit tausendfacher Lichtgeschwindigkeit fahren. Ein anderes Beispiel: Mein Mobiltelefon hat 64 Gigabyte Speicher, das entspricht der Kapazität des kompletten Rechenzentrums meiner Studienzeit.

Wie verändert diese rasende Entwicklung unser Verständnis der Welt? Verstehen wir sie überhaupt noch?

Yogeshwar Sie verändert unser Menschenbild, den Blick auf uns selbst. Vor 20 Jahren gingen Sie zum Arzt, wenn Sie krank waren. Heute lässt Angelina Jolie nach einer Gen-Untersuchung als gesunde Frau einen gravierenden Eingriff machen — nur aufgrund statistischer Wahrscheinlichkeiten. Diese Entwicklungen beeinflussen auch die Demokratie. Nehmen Sie das Strafrecht: Früher fing man einen Bankräuber, nachdem er die Bank überfallen hatte. Heute hören Sie zunehmend, dass die Polizei einen terroristischen Akt verhindert und Leute festnimmt, nur weil die statistische Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass sie eine Straftat begehen könnten.

In den "Quarks"-Sendungen mit dem größten Publikums-Zuspruch geht es weniger um Hightech, sondern um ganz klassische Themen: "Ein Vulkan erwacht", "Rätsel Sonne" ...

Yogeshwar Es ist beides. Der Zuschauer merkt einfach: Ich werde bei "Quarks" anständig behandelt. Bei uns wird anständig recherchiert, nicht spekuliert, es gibt nicht diese ständigen Übertreibungsvokabeln. Das führt dann dazu, dass die Menschen auch einschalten, wenn wir ein Alltagsthema behandeln. Ich glaube, es ist diese Kombination. Sonst wären wir nicht 20 Jahre alt geworden.

Haben Sie sich mal an einem Thema vergeblich die Zähne ausgebissen, weil der Anspruch auf der einen und die Zwänge einer Fernsehsendung auf der anderen Seite einfach nicht gepasst haben?

Yogeshwar Es ist ständig so. Und jeder, der mich kennt, weiß, ich quäle mich da wirklich rum. Es gab mal eine Panne, die im Nachhinein hilfreich war. Vor zwei Jahren sollte ich in einem ARD-"Brennpunkt" erklären, was in Fukushima passiert war. Da fiel eine Animation aus. Ich habe das Reaktorunglück dann mit einem Textmarker, einem Glas und einem Sektkübel erklärt. Am nächsten Tag riefen drei Chefredakteure an und sagten: Danke, jetzt habe ich es auch verstanden! Aber es gibt natürlich Themen, da scheitere ich schlicht an der Komplexität.

Wenn Sie "Quarks" mit den Sendungen vergleichen, die es vorher gab: Hat die Sendung die Vermittlung von Naturwissenschaft ein bisschen demokratisiert?

Yogeshwar Als ich zum WDR kam, hatten die Naturwissenschaften in der Wissenschafts-Redaktion keine Lobby. Mein Anspruch war und ist, auch Nobelpreise allgemein verständlich zu erklären, zum Beispiel den für Jean-Marie Lehn. Der Chemiker hatte etwas mit Hohlraummolekülen entwickelt. Ich habe es mit dem Beispiel von Aschenputtels Schuh erklärt: Etwas dadurch identifizieren, dass es in diesen Hohlraum passt, also Aschenputtels Fuß, wobei ich anstelle des Prinzen wahrscheinlich auf das Mädchen statt auf den Schuh geguckt hätte.

Haben Sie eine besondere Technik, wie Sie sich solche Beispiele wie Aschenputtel und die Hohlraummoleküle erarbeiten?

Yogeshwar Nee, eigentlich nicht. Ich bin ein Pedant, was den Inhalt betrifft, genau wie die Redakteure und Autoren von "Quarks". Alle haben genau diese Haltung. Wenn sie selber etwas verstanden haben, dann sind sie frei. Dann brauchen sie sich ja nicht mehr hinter Fachvokalen zu verstecken, sondern können durchaus mutig die eine oder andere Metapher benutzen.

Gehen Sie Ihrer Familie eigentlich auf den Keks, weil Sie immer alles erklären?

Yogeshwar Natürlich, die Kinder verdrehen immer die Augen, aber das ist ja normal. Ich gebe aber zu, dass manchmal auch die Leidenschaft mit mir durchgeht. Ich habe gerade einen 3D-Drucker aus 800 Teilen zusammengebaut und mache und löte — und bin total glücklich dabei.

Ulli Tückmantel führte das Gespräch.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort