Neuer "Polizeiruf 110" aus Magdeburg Schimanskis Schwester

Magdeburg · Magdeburg ist kein blinder Fleck mehr auf der Krimi-Karte der ARD. Das neue Ermittler-Duo eckte zur Premiere am Sonntag aneinander. Mit Claudia Michelsen und Sylvester Groth als neue Kommissare trägt der MDR dick auf.

Doreen Brasch (Claudia Michelsen) ist eine ganz Wilde. Den Typ an der Theke will sie haben. Also trinkt sie dessen deutlich jüngere Kneipen-Bekanntschaft mit zwei Wassergläsern Wodka mal eben platt, schleift sie aufs Klo und versiegelt die Tür mit Sekundenkleber.

"Süß deine Kleine, aber ein bisschen schwach auf der Brust", sagt sie zu dem Typ. Aber bevor sie ihn abschleppen kann, klingelt das Handy. Und schon braust die angetrunkene Kommissarin auf dem Motorrad zum Fundort der Leiche.

Von allen albernen Schimanski-Parodien, zu denen sich Ambitions-Autoren in den vergangenen 30 Jahren verstiegen haben, ist die neue Kommissarin des Magdeburger "Polizeiruf 110" die Lächerlichste.

Es geht in der Folge "Der verlorene Sohn" um Neo-Nazis, um Drogen und den Mord an einem afrikanischen Asylbewerber. In diesem Quasi-"Tatort" ist von Anfang an klar: Die Kommissarin ist nicht das Mädchen in diesem Krimi. Oder soll es zumindest nicht sein.

Michelsen ist dafür eigentlich eine Fehlbesetzung. Und um das zu überspielen, übertreiben die Autoren Christoph und Friedemann Fromm es gewaltig.

Völlig überladen

Doreen Brasch, die ein eher rustikales Verhältnis zum Rechtsverständnis ungehemmt auslebt, hatte als ehemalige SEK-Beamtin nicht nur ein Techtelmechtel mit dem russischen Gangster, in dessen Fitness-Studio die Leiche gefunden wird, sondern ist auch noch die Mutter eines der tatverdächtigen Neo-Nazis. Mutter und Sohn prügeln sich in der Auftaktfolge krankenhausreif. Das alles wirkt völlig überladen.

Der interessanteste Charakter im neuen Polizeiruf ist Braschs Co-Ermittler Jochen Drexler (Sylvester Groth), ein verschlossener wie akkurater Intellektueller.

Die Kombination eines extrovertierten weiblichen Schimanki mit einem introvertierten vergeistigten Ossi, der sich an Vorschriften klammert wie ein Betrunkener an den Laternenpfahl, ist nicht ohne Reiz.

Und immerhin sind Brasch und Drexler das erste Ermittlerteam im Sonntagabend-Krimi der ARD, das sich weigert, eine Beziehung zueinander zu haben.

"Vorsicht", sagt sie zu ihm, als er einmal das Richtige tut, das nicht rechtens ist, "man darf nicht zu nett zu mir sein." Er sieht sie halb verwundert, halb verächtlich an und sagt: "Ich mach' das nicht für Sie." Das kann noch was werden.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort