Peinlich-Fernsehen Wetten, dass..? ist die Mutter des Fremdschämens

Was für eine Aufregung um die jüngste Ausgabe von "Wetten, dass..?"! Seitdem Tom Hanks und Halle Berry öffentlich mit der ZDF-Show hadern, geht es wieder um die Niveau-Frage. Deutsches Unterhaltungs-Fernsehen – ein Kindergeburtstag mit Hang zur Peinlichkeit. Allerdings ist dieser Befund alles andere als neu.

Fremdschäm-Momente bei "Wetten, dass..?"
17 Bilder

Fremdschäm-Momente bei "Wetten, dass..?"

17 Bilder

Was für eine Aufregung um die jüngste Ausgabe von "Wetten, dass..?"! Seitdem Tom Hanks und Halle Berry öffentlich mit der ZDF-Show hadern, geht es wieder um die Niveau-Frage. Deutsches Unterhaltungs-Fernsehen — ein Kindergeburtstag mit Hang zur Peinlichkeit. Allerdings ist dieser Befund alles andere als neu.

Normalerweise ist es mit dem Wirbel um den ZDF-Dino "Wetten, dass..?" zwei Tage nach Sendetermin vorbei. Nicht so bei der zweiten Ausgabe mit Neu-Showmaster Markus Lanz. Nachdem zwei Weltstars mit beißender Ironie über ihren Auftritt bei der Show hergezogen sind, findet die Debatte kein Ende.

Am Dienstag beschäftigte sich die "Süddeutsche Zeitung" auf einer kompletten Medienseite mit der Zukunft von "Wetten, dass..?" und ließ gleich zwölf Autoren ihre Meinung kundtun. Die "Bild"-Zeitung sah sich gar genötigt, sich öffentlich zu entschuldigen: "Deutschland sagt Sorry, Mr. Hanks", titelte das Blatt. Als Kronzeuge für den Buße-Artikel hatte Bild vier Twitter-Meldungen aus dem Netz herausgefiltert. Ein Nutzer hatte Hanks "im Namen der deutschen Menschen" um Entschuldigung gebeten.

Drei Stunden sind zu viel

So wenig repräsentativ die Sorry-Überschrift für Deutschland ausfiel, so sehr haben Hanks und Berry die deutsche Fernseh-Nation an einem wunden Punkt getroffen. Weltstars finden das Flagschiff der deutschen Unterhaltung peinlich, das war die Botschaft, die nach den Sticheleien von Hanks und Halle Berry ankam.

Wer allerdings nur Schlagzeilen liest, erfuhr nur die Hälfte der Wahrheit. "In den USA wäre der Verantwortliche längst gefeuert worden", wurde Hanks zitiert. Der hatte damit zwar vor allem die extra-ordinäre Länge der Sendung kritisiert, aber wen interessiert das schon, wenn man im selben Satz jemanden feuern kann?

Hanks ist schon speziell

Hanks ist einer, der den schrägen Humor liebt, sich bissig-süffisant gibt und mit Ironie hausiert. Aus fast all seinen Äußerungen der vergangenen Stunden ließ sich das herauslesen. Moderator Markus Lanz bekam das direkt am Samstag zu spüren. Hanks hatte Lanz' Erscheinungsbild mit dem eines schmierigen Bankers verglichen. Skandal? Arroganz? Frotzelei? Lanz ließ das Ganze lieber unkommentiert.

"Wir wären auch wie Robbie Williams gern früher gegangen, wussten aber nicht, dass wir gedurft hätten", erzählte er später der dpa. Er und Berry seien froh gewesen über die Sandwiches und hätten versucht, sie heimlich zu essen, wenn die Kameras nicht zu ihnen schwenkten. Eine Stichelei nach einem langweiligen Abend, nichts weiter.

Alles wie bei Elstner

Eine andere Äußerung des Schauspielers hatte freilich eine andere Stoßrichtung. "Ich habe zugeguckt, wie der Moderator in einem Sack um mich rumhüpft — wenn das nicht Hochqualitätsfernsehen ist", mokierte sich der Schauspieler in einem Interview. Das Bildmaterial zu dieser demütigenden Äußerungen hatte das ZDF frei Haus geliefert. Ein Weltstar mit einer Katzenmütze auf einer Showbühne, umrundet von einem sackhüpfenden Moderator.

Doch die Debatte über das Niveau von "Wetten, dass..?" ist schon fast so alt wie Thomas Gottschalk. Mit Markus Lanz und seinem neuen Konzept hat sie kaum etwas zu tun. Der Neustart von "Wetten, dass..?" hat das Rad lediglich nicht neu erfunden. Fahrbare Couch, mehr Nähe zu den Wett-Kandidaten, alle Stars direkt auf die Bühne - die Grund-Idee der Sendung blieb unverändert: Eine große, auf mindestens zweieinhalb Stunden angelegte Samstagabendshow für die ganze Familie, in der "normale" Menschen verrückte Wetten anbieten und in der es lustig und unbeschwert zugehen soll. Gottschalk war das Aushängeschild, Elstner der Erfinder.

Es geht um Fallhöhe

Mit zunehmendem Alter wuchs die Kritik an diesem Ansatz. Nicht eben wenige forderten sogar, den Show-Dino am besten gleich komplett zu beerdigen. Er habe sich überlebt. Zeitgleich sendete das Privatfernsehen mit zunehmender Frequenz Formate, in denen ebenfalls "normale" Menschen mit bislang unerkannten Talenten groß herauskommen durften. Mit dem Unterschied, dass RTL und andere die Kandidaten ihrer Castingshows dramatisch inszenieren und entweder dem Gespött preisgeben oder zu Superstars aufblasen.

"Wetten, dass.." hat hingegen immer versucht, seine Stars auf die Erde zu holen und normal zu machen. Wetteinsätze, in denen sich Stars irgendwie zum Gespött machen sollten, Politiker die Grimassen ziehen wie Hannelore Kraft in der Lanz-Premiere, Heidi Klum mit Taucherflossen statt High Heels, Halle Berry küsst Oliver Welke. Das kann man lustig finden, muss man aber nicht.

Der Klamauk steckt im System

Peinlichkeit wird somit zum Programm. Das bedeutet aber auch: Das Fremdschämen ist keine Erfindung von Thomas Gottschalk. Über Jahrzehnte hat die ZDF-Show Albernheiten in ihrem System angelegt. Das weiß übrigens auch Tom Hanks: "Ich habe die Show damals nicht verstanden, und ich verstehe sie heute noch weniger", sagte der Schauspieler der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung".

Wer es nicht glauben will: Erinnerungswürdige Momente des Fremdschämens zeigen wir in unserer Bilderstrecke.

(pst)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort