Diabetes vorhersehbar Test macht Erkrankungsrisiko bei Kindern sichtbar

München · Deutsche Diabetesforscher haben einen Risiko-Test entwickelt, der bereits im Neugeborenenalter eine Erkrankung am Typ-1-Diabetes vorhersehbar macht. Derzeit arbeiten die Forscher an einer Impfung, die den Ausbruch der Krankheit wenigstens verzögern kann.

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Foto: ddp, ddp

Kinder, deren Eltern oder Geschwister an Typ-1-Diabetes erkrankt sind, haben ein durchschnittliches Risiko von fünf Prozent, einen Diabetes zu entwickeln — das Risiko in der Allgemeinbevölkerung beträgt 0,3 Prozent. Eine Vorhersage, welches Kind aufgrund der erblichen Belastung erkrankt, war bisher allerdings nicht möglich.

Durch den Erbgutvergleich von Gesunden und Menschen mit Typ-1-Diabetes haben Forscher in den zurückliegenden Jahren ein Dutzend wichtiger Risikogene entdeckt. "Jede einzelne Genvariante steigert das Erkrankungsrisiko jedoch nur um wenige Prozentpunkte", erläutert Professor Dr. med. Anette-Gabriele Ziegler vom Institut für Diabetesforschung in München. Um die Genauigkeit der Vorhersage zu erhöhen, hat das Münchener Forscherteam daher alle zwölf Risiko-Gene in einem Test zusammengefasst. Er vergibt für jede Genvariante einen Risikopunkt. Da die Gene im menschlichen Erbgut doppelt vorhanden sind, kann ein Patient bei dem Risiko-Score maximal 24 Punkte erreichen.

Test über einen Bluttropfen möglich

"Wir haben den Score an den Teilnehmern einer Langzeitstudie getestet", erklärt Anette-Gabriele Ziegler. Die BABYDIAB-Studie beobachtet seit 1989 mehr als 1650 Kinder von Eltern mit Typ-1-Diabetes von Geburt an über einen Zeitraum von inzwischen zwanzig Jahren. Resultat: Bei einem Score von mehr als 15 Punkten und dem Nachweis bestimmter HLA-Merkmale — einem seit längerem bekannten genetischen Risiko — entwickelte jedes vierte Kind vor dem 14. Lebensjahr einen Typ-1-Diabetes. Von den Kindern mit einem Risiko-Score unter 12 Punkten erkrankte kein einziges Kind, wie die Forscher jetzt in der Fachzeitschrift Genes and Immunity berichten. Der Test kann bereits im Neugeborenenalter durchgeführt werden, die Experten benötigen dafür lediglich einen Bluttropfen aus der Ferse.

"Die Vorhersage zu einem so frühen Zeitpunkt wäre in der klinischen Routine allerdings nur sinnvoll, wenn wir den Ausbruch der Krankheit stoppen könnten", sagt Professor Dr. med. Andreas Fritsche, Sprecher der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Dies ist beim Typ-1-Diabetes, der zu den Autoimmunerkrankungen gehört, derzeit noch nicht möglich. Die Krankheit ist Folge eines Angriffs des Immunsystems auf die Insulin produzierenden Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse. "Damit dies nicht passiert, müssten die Kleinkinder dauerhaft Medikamente nehmen, die das Immunsystem auch in Bereichen wie der Abwehr von Krankheitserregern schwächen", erklärt Fritsche.

Mit Impfung feindliche Attacken verhindern

Die Forschung geht deshalb in eine andere Richtung. Mit einer "Impfung" soll verhindert werden, dass das Immunsystem die Beta-Zellen als feindlich einstuft und attackiert. Die Wissenschaftler um Professor Dr. med. Ezio Bonifacio vom Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden und um Anette-Gabriele Ziegler in München erproben derzeit zwei Impfvarianten, bei denen Kinder mit einem hohen Diabetes-Typ-1-Risiko Insulin entweder in Form von Pulver mit der Nahrung oder als Nasenspray erhalten. "Ziel dieser Impfstrategie ist, das kindliche Immunsystem ans Insulin zu gewöhnen, damit der zerstörerische Angriff auf die Beta-Zellen möglichst lange unterbleibt", erklärt Ziegler.

Ein weiterer vielversprechender Ansatz sind genetisch modifizierte Darmbakterien. "Sie sondern bestimmte Proteine im Darm ab, die das Ungleichgewicht im Immunsystem beseitigen und dafür sorgen, dass die Beta-Zellen wieder normal Insulin produzieren", erklärt Anette-Gabriele Ziegler. Ein Team um Professor Dr. med. Chantal Mathieu von der Universität Leuven in Belgien konnte auf diese Weise kürzlich bei Mäusen die Zerstörung der Beta-Zellen verhindern. Die Impfung stoppte sogar einen beginnenden Typ-1-Diabetes in 60 Prozent der Fälle, wie eine Studie belegt. "Ob dies auch beim Menschen gelingt, bleibt abzuwarten", sagt Matthaei.

(wat)
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