Magersucht: Psychische Erkrankung mit hoher Sterblichkeit Essstörung — Hilfe kommt per SMS

Düsseldorf · Magersucht und Bulimie zählen zu den häufigsten chronischen Erkrankungen im Jugendalter. Mit neuen Ideen wollen Mediziner Betroffenen nun per SMS oder über das Internet helfen.

Die häufigsten Fragen zu Essstörungen
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Foto: NGZ

Körperkult und Stress können sich auf das Essverhalten auswirken. Insbesondere junge Menschen sind gefährdet, eine Essstörung zu entwickeln. Die Zahlen der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen e. V. sind beunruhigend: Beinahe ein Drittel der Jugendlichen in Deutschland zwischen 13 und 16 Jahren ist mit der eigenen Figur unzufrieden.

Es sind Teenager im Alter von zwölf Jahren, die in größter Sorge um ihr Gewicht Diäten beginnen. Rund 18 Prozent der Mädchen und fünf Prozent der Jungen haben schon eine Hungerkur zur Gewichtsabnahme hinter sich. Bei Mädchen und Jungen sind Essstörungen inzwischen weit verbreitet. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie machen Mädchen mit Magersucht ungefähr ein Viertel der stationären Patientinnen aus. Die Magersucht ist laut Informationen der Medizinischen Hochschule Hannover die psychische Erkrankung mit der höchsten Sterblichkeit.

Getrieben von dem starken Wunsch, dünn und damit schön zu sein, beginnt für einige mit einer vermeintlich harmlosen Diät der Weg in eine Essstörung. Essen wird zum übergeordneten Thema. Es bestimmt plötzlich den Tagesablauf, hat Einfluss auf die Gefühlswelt und auch Entscheidungen hängen davon ab. Zu den häufigsten Essstörungen zählen nach Angaben der Barmer GEK die Magersucht, die Ess-Brecht-Sucht und die psychogene Esssucht. Aber auch Übergänge von einer Essstörung zur anderen kommen häufig vor. So können etwa Magersüchtige bulimisch werden oder umgekehrt.

Welche Symptome sind typisch für Essstörungen?

Die Betroffenen haben meist ein großes Problem im Umgang mit Essstörungen. Für die einen wird das Essen zur quälenden Sucht; für andere das Hungern zur scheinbar unkontrollierbaren Notwendigkeit. Der Psychologe spricht hier von Störungen des Ernährungsverhaltens.

Wenn sie nicht gerade mit massiven Gewichtsveränderungen einhergehen, bleiben sie oft lange unbemerkt. Hellhörig sollten Freunde und Familienangehörige allerdings werden, wenn sich plötzlich viel zu vieles um die eigene Figur dreht und immer wieder Diätwünsche geäußert werden. Innere Unruhe, Aggressivität, Konzentrationsschwäche und der Rückzug aus Freundschaften und gemeinsamen Aktivitäten können ebenso ein Hinweis auf Essstörungen sein. Auch, wer sich plötzlich ausgiebig sportlichen Aktivitäten hingibt, nur um Gewicht zu reduzieren, könnte eventuell auf dem Holzweg sein.

Magersucht — Todesrisiko inklusive

Es ist die unbändige Angst, zu dick zu werden, die sich vor alles andere schiebt. Medizinisch ausgedrückt heißt die Krankheit, die sich durch dieses Merkmal auszeichnet "Anorexia Nervosa", besser bekannt ist sie als Magersucht. Es sind vor allem junge Mädchen, die unter Magersucht leiden. Sie sind auffallend dürr. Verloren haben Sie Gewicht nicht durch eine schwere körperliche Erkrankung, sondern durch Verzicht auf die lebensnotwendige Nahrung. Anorektiker nehmen über lange Zeitspannen extrem wenig oder sogar gar keine Nahrung zu sich. Durch den extremen Gewichtsverlust kommt es zu akuten körperlichen Mangelerscheinungen, die lebensbedrohlich werden können. Der Berufsverband Deutscher Psychologen beziffert die Zahl der Magersüchtigen, die an den Folgen ihrer Erkrankung sterben auf 15 Prozent.

Hilfe finden Betroffene in speziellen Kliniken und bei Psychologen. Einen vollkommen neuen Weg versuchen Ärzte des Forschungsverbundes zur Psychotherapie der Essstörungen (EDNET). Das Projekt wird durch das Bundesforschungsministerium gefördert. In mehreren Kliniken, die dem Forschungsverbund quer durch NRW verstreut angeschlossen sind, bieten Ärzte und Therapeuten den jungen Mädchen und Frauen nach der Rückkehr in den Alltag ein Nachsorge-Programm per Internet und SMS an. In Aachen, Essen und Bochum finden sich die Kooperationsstandorte in NRW. Auch in Selbsthilfe-Foren können die Betroffenen nach ihrem Klinikaufenthalt Unterstützung finden.

Vom Regen in die Traufe — Erst magersucht, dann Bulimie

Die Essstörung Bulimie ist nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Essstörungen weiter verbreitet als die Magersucht. Die Betroffenen überkommt eine unbeherrschbare Sucht, innerhalb kürzester Zeit alles in sich hineinzustopfen, was ihnen zwischen die Finger kommt. Mit Lust am Essen hat das allerdings nichts zu tun. Nach kurzer Zeit überkommt sie eine furchtbare Reue und die einzige Chance, die unzähligen hineingeschlungenen Kalorien wieder los zu werden, sehen sie darin, sich zum Erbrechen zu zwingen. Alternativ greifen sie zu Abführmitteln oder zwingen ihrem Körper zeitweilig Hungerkuren auf. Die Angst dick zu werden beherrscht den Alltag. Nicht untypisch ist es, dass Menschen, die vormals unter Magersucht litten, dann in einer anderen Lebensphase in eine Bulimie rutschen.

Eine erste Anlaufstelle für Betroffene kann auch das neue Internet-Portal www.proyouth.eu sein. Es versucht, Jugendliche und junge Erwachsene, die sich möglicherweise bereits auf dem Weg in eine Essstörung befinden, Hilfestellung anzubieten, bevor sie vollkommen in die Essstörung abgleiten. Im Selbsttest können sie herausfinden, ob sie gefährdet sind und wenn nötig gleich niederschwellig online erste Hilde in Anspruch nehmen. Das Portal will aber auch bereits Erkrankten eine erste Hilfe-Plattform bieten. Sie können sich über Essstörungen und ihre Folgen informieren und anonym Kontakt zu Experten aufnehmen. Wissenschaftler der Forschungsstelle für Psychotherapie am Universitätsklinikum Heidelberg haben das Portal im Rahmen des von der EU geförderten Projektes "ProYouth" entwickelt.

"Häufig wissen gerade Jugendliche nicht, dass Essstörungen ein psychisches Problem sind, was sie gegen erste Symptome tun können, an wen sie sich wenden können oder welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt", erklärt Dr. Stephanie Bauer, Leiterin des Projekts. Hier setzt "Pro Youth" an: Ziel ist es, die Jugendlichen unverbindlich und kostenlos über psychische Gesundheit und Essstörungen aufzuklären, ihnen zu helfen, eigenes Risikoverhalten zu erkennen, sowie ihnen über das Internet Unterstützung anzubieten. So soll der Entwicklung von Essstörungen vorgebeugt und die Zeit zwischen ersten Symptomen und dem Beginn der professionellen Betreuung verkürzt werden.

(wat)
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