Neue Lernmethode fördert Rechtschreibschwäche Wänn Kinda nach Gehöa schraibn lernän

Düsseldorf · Konrad Duden hat sich zeitlebens für eine einheitliche deutsche Rechtschreibung eingesetzt. Sein Grundsatz: "Schreib, wie du sprichst." Eine neue Lernmethode in deutschen Grundschulen, macht sich das zu eigen - aber zum Nachteil der Kinder.

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Foto: gms

Schon die Rechtschreibreform von 1996 und das damit verbundene Chaos gingen in eine etwas andere Richtung, als der das Credo Konrad Dudens. Noch weniger gefallen dürfte dem Herausgeber des deutschen "Ur-Wörterbuchs" aber, was sich derzeit in deutschen Grundschul-Klassen abspielt. Dort wird sein Leitspruch durch staatliche Unterstützung mehr und mehr zum Zerrbild.

Zur Erklärung: Während Kinder früher anhand einer Fibel Buchstabe für Buchstabe des Alphabets gelernt haben, benutzen viele heutzutage so genannte Anlauttabellen. Grundschüler in der ganzen Bundesrepublik lernen mittlerweile vermehrt nach der Methode "Lesen durch Schreiben". Die wurde in den 1980er Jahren vom Schweizer Reformpädagogen Jürgen Reichen entwickelt und funktioniert so: Auf den Anlauttabellen wird jedem Laut ein eigenes Bild zugeordnet — von A wie Apfel bis Z wie Zirkuszelt.

Mithilfe der Tabelle sollen die Kinder selbstständig die Beziehung zwischen Laut und Buchstabe erschließen und schnell in der Lage sein, Wörter und Sätze zu schreiben. Das klappt so weit auch ganz gut. Bereits nach wenigen Wochen können die Schüler vollständige Sätze bilden, ja schon halbe Romane schreiben. Allerdings nach ihren eigenen Regeln.

Lernen nach Gehör führt langfristig zu Schreibproblemen

Schnell kommen dabei Sätze zustande wie "Mamma get mit mia in den tso". Doch Eltern, die bei der Hausaufgabenkontrolle die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und am liebsten alles anstreichen würden, sollen erst einmal tief durchatmen. Denn nach Reichens Methode sind Korrekturen zunächst nicht erwünscht. Zu viele Verbesserungen würden den Kindern seelischen Schaden zufügen und sie zudem demotivieren, heißt es zur Begründung.

Erst in der dritten Klasse soll der Rotstift angesetzt werden, um Schülern die korrekte Rechtschreibung beizubringen. Doch meist verläuft das nach dem Prinzip: "Retten, was noch zu retten ist". Denn viele Kinder haben sich schon so an das Schreiben nach ihren eigenen Regeln gewöhnt, dass viele die Kurve nicht mehr kriegen. Ergebnis: Seit Einführung der Methode gibt es mehr Kinder mit Rechtschreibschwächen als vorher. Schon der erste Schulversuch in Bayern von 1997 bis 2001 brachte nicht die gewünschten Erfolge. Das hielt andere Bundesländer — NRW nahm die Methode 2003 in den Lehrplan auf — nicht davon ab, das Modell zu kopieren.

"Anlauttabbellen" verbieten

Nicht nur viele Eltern haben mit dem neuen Lernansatz Probleme. Auch unter Pädagogen ist die Methode umstritten. Eine Berliner Professorin für Grundschuldidaktik würde das Lernen nach "Anlauttabellen" lieber heute als morgen verbieten. Sie sieht darin ein Risiko, insbesondere für Kinder mit Migrationshintergrund und für Schüler, die aus bildungsfernen Milieus kommen. Verfechter des Lernens nach Gehör halten dem entgegen, dass sich die Methode vor allem für jahrgangsübergreifenden Unterricht eigne, weil sie die Möglichkeit biete, auf unterschiedliche Wissensstände der Kinder individuell einzugehen.

(RP)
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