Solarien gefährlicher als bisher angenommen Deutsche sind Europameister auf dem Solarium

Berlin · Die Deutschen sind Europameister im künstlichen Bräunen. Der Preis, den sie dafür zahlen ist hoch: Jedes Jahr erkranken 224.000 Menschen neu an Hautkrebs, 26.000 davon am besonders gefährlichen malignen Melanom. Experten machen häufige Solarienbesuche für diesen Trend verantwortlich.

Das sind die Risikofaktoren für Hautkrebs
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Foto: AP

Nach dem Winter macht sich bei allen Menschen die vornehme Blässe breit — außer bei den Sonnenbank-Jüngern. Wenn die Sonne die Haut unter dicken Pullovern und langärmeligen Hemden hervorlockt, dann mögen manche lieber nicht aussehen wie eine "Kalkleiste" und sorgen per künstlicher UV-Bestrahlung für gebräunte Haut.

Solarien gefährlicher als bisher angenommen

Wer seiner Haut zu viel UV-Licht zumutet, der riskiert allerdings Hautkrebs. Dabei ist unerheblich, ob es künstliches oder natürliches UV-Licht ist. Der so genannte "schwarze" Hautkrebs wird zunehmend bei jüngeren Menschen diagnostiziert Vor allem junge Frauen in Deutschland sind betroffen.

Das Risiko, durch regelmäßige Solariengänge an schwarzem Hautkrebs — also einem malignen Melanom zu erkranken — ist nach Informationen der Arbeitsgemeinschaft Dermatologischer Prävention deutlich höher, als bisher angenommen wurde. "Es steigt um fast 200 Prozent, wenn Solarien bis zu einem Alter von 35 Jahren regelmäßig genutzt werden", erklärt Professor Dr. Eckhard Breitbart, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft. Zu diesem Ergebnis kommen Experten, die die neun weltweit umfassendsten Studien zu diesem Thema ausgewertet haben. Französische und italienische Wissenschaftler stellten diese bei einem Hautkrebs-Expertenforum in Berlin vor.

Erhöhtes Krebsrisiko über Jahrzehnte

Schon ein einziger Besuch auf der Sonnenbank im Monat erhöht nach zwei bis drei Jahrzehnten die Gefahr an Hautkrebs zu erkranken um das 2,4-fache gegenüber Menschen, die nie aufs Solarium gehen. Doch die Anziehungskraft der Solarien scheint ungebrochen. Vor allem jüngere Menschen mögen gebräunte Haut: Die unter 36-Jährigen sind häufigste Besucher auf der Sonnenbank, belegt die Sun-Studie 2011, die das Mannheimer Institut für Public Health (MIPH) der Universität Heidelberg mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Krebshilfe erstellt hat. 4.800 Bundesbürger zwischen 15 und 45 Jahren wurden dafür zu ihren Solarien-Nutzungsgewohnheiten befragt.

Derzeit nutzen etwa 3,5 Millionen unter 36-Jährige Sonnenbänke. "Bei den Solariengängern konnten wir eine typische 'Viel-Nutzer-Gruppe' identifizieren, die entsprechend besonders gefährdet ist: Es sind Frauen im Alter von 18 bis 25 Jahren", erläutert Professor Dr. Sven Schneider vom MIPH. Frauen dieser Altersgruppe gehen etwa doppelt so häufig auf die Sonnenbank wie Männer.

Verboten: Jugendliche auf Solarien

Ein weiteres erschreckendes Ergebnis der Mannheimer Studie: Rund 167.000 Sonnenbankbesucher gehören zu einer Gruppe, die dort gar nicht sein dürfte. Nach geltendem Recht ist Minderjährigen der Besuch dort nicht erlaubt. Solarienbetreiben sind eigentlich verpflichtet, Jugendlichen den Zugang zu verbieten. Sie riskieren seit März 2010 Bußgelder in Höhe von bis zu 50.000 Euro.

Besonders beunruhigend findet Prof. Dr. Eckard Breitbart, dass vermehrt Solarien mit therapeutischen angeboten werben. UV-Therapien wie sie zum Beispiel Menschen mit starken Ekzemen oder Neurodermitis helfen können, dürften jedoch nur unter ärztlicher Aufsicht und nach einer klaren Nutzen-Risikoabwägung durchgeführt werden, betont Professor Breitbart, "denn UV-Strahlen sind ein Karzinogen und erhöhen das Hautkrebsrisiko."

So entsteht ein malignes Melanom

Bösartige maligne Melanome entstehen aus Zellen, die in der obersten Hautschicht ein farbiges Pigment, das Melanin herstellen. Gut zu erkennen ist diese Pigmentierung bei harmlosen Leberflecken. Wird die Haut aber mit zu viel UV-Licht bestrahlt, können diese Hautzellen entarten. Sie vermehren sich dann unkontrolliert. Starke UV-Belastung und Sonnenbrände erhöhen das Risiko für ein späteres malignes Melanom. Die Experten raten deshalb zu regelmäßigen Hautscreenings. Sie werden ab dem 35. Lebensjahr in ganz Deutschland im Rahmen der Vorsorge alle zwei Jahre von den Krankenkassen bezahlt.

Die Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention hegt große Hoffnung, dass ein umfassendes Screening in Deutschland die Hautkrebszahlen deutlich senken könnte. Ein Modellprojekt zum Hautkrebs-Screening hat in Schleswig-Holstein dazu geführt, dass dort so wenig Menschen wie sonst in keinem Bundesland an Hautkrebs sterben. Vor Studienbeginn hatte Schleswig-Holstein vor dem Jahr 2000 die höchste Melanom-Sterblichkeit.

(wat)
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