Herz aus dem Takt Vorhofflimmern kann zum Schlaganfall führen

Frankfurt/Main · Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung. Die Zahl der Betroffenen ist in den letzten Jahren rasant angestiegen. Unbehandelt kann die Krankheit zum Schlaganfall führen. Daran erkennt man, ob man zur Risikogruppe gehört.

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Foto: DAK/Schläger

Atemnot, eine plötzlich aufsteigende Wärme im Kopf, ein beklemmendes Gefühl in der Brust und ein Herz, das sprichwörtlich bis zum Halse schlägt: So beschreiben viele Patienten ihren ersten Anfall von Vorhofflimmern. Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung. Rund eine Million Menschen in Deutschland leiden darunter, ihr Schlaganfallrisiko ist stark erhöht.

Prof. Andreas Götte erwartet, dass sich die Zahl der Patienten in den nächsten 20 Jahren verdreifacht. "Das Risiko, an Vorhofflimmern zu erkranken, steigt mit dem Alter exponenziell an", sagt das Mitglied im Lenkungsausschusses beim Kompetenznetz Vorhofflimmern.
Während in der Altersgruppe der über 60-Jährigen etwa 4 Prozent der Bevölkerung an Vorhofflimmern litten, seien es bei den über 80-Jährigen schon zwischen 20 und 25 Prozent.

Diese Krankheiten gelten als Risikofaktoren

Neben dem Alter als bedeutendstem Risikofaktor sind vor allem Menschen betroffen, die an Bluthochdruck, Diabetes oder einer Schilddrüsenüberfunktion leiden. Häufig geht die Rhythmusstörung auch mit anderen grundlegenden Herzkrankheiten wie einer Herzschwäche oder Herzklappenfehlern einher. "Vorhofflimmern ist sozusagen eine Abnutzungserkrankung", erklärt Prof. Thomas Meinertz von der Deutschen Herzstiftung in Frankfurt.

Die beiden Herzvorhöfe können ihre Funktion - die Herzkammern bei der Arbeit zu unterstützen und sie mit Blut zu versorgen - nicht mehr erfüllen. Weil der Sinusknoten, der im rechten Herzvorhof sitzt und als Taktgeber und natürlicher Schrittmacher des Herzens wirkt, nicht mehr funktioniert, ziehen sich die Vorhöfe nicht regelmäßig zusammen - sie flimmern nur noch. Die Folge: Die Herzkammern müssen mehr arbeiten. Deswegen spüren manche Patienten, dass ihr Herz unregelmäßig und schnell schlägt.

Kammerflimmern bleibt oft unbemerkt

Doch ein Großteil der Patienten bemerkt nichts. "Vorhofflimmern geht im Alter mit geringerer Kammerfrequenz einher und wird deswegen seltener bemerkt", sagt Meinertz. Das ist gefährlich, weil vor allem Menschen mit einem schwächeren Herzen auf die Unterstützung der Vorhöfe angewiesen sind, die rund ein Viertel der gesamten Herzleistung ausmacht. Mediziner sprechen in diesem Fall vom asymptomatischen Vorhofflimmern, das häufig nur durch Zufall in einem EKG entdeckt wird. Deswegen rät Götte: "Wer über 60 Jahre alt ist und zur Risikogruppe gehört, sollte regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen machen."

Symptome bemerken vor allem jüngere Patienten. Beim ersten Anfall - der häufig durch Stress, Schlafmangel, übermäßigen Alkoholkonsum oder eine Schwangerschaft ausgelöst wird - leiden die Patienten Meinertz zufolge häufig unter Todesangst und landen in der Notaufnahme. Der 67-Jährige weiß, wovon er redet: Er hat selbst 20 Jahre lang an Vorhofflimmern gelitten.

Die Angst vor weiteren Anfällen, die in unregelmäßigen Episoden auftreten, verschlechtert die Lebensqualität der Patienten massiv.
"Vorübergehendes oder paroxysmales Vorhofflimmern kann irgendwann zum dauerhaften Vorhofflimmern werden", ergänzt Heribert Brück vom Bundesverband Niedergelassener Kardiologen in München. Dann ist die Gefahr eines Schlaganfalles groß. Denn wenn das Blut im Vorhof nicht zirkuliert, gerinnt es. Und die Gerinnsel können sich lösen und zum Gehirn aufsteigen. "Etwa 30 000 Schlaganfälle im Jahr gehen auf Vorhofflimmern zurück", erläutert Brück. "Und wer wegen des Vorhofflimmerns einen Schlaganfall bekommt, hat schlechtere Heilungschancen."

Das können Kardiologen tun

Die Therapie soll folglich einerseits für einen regelmäßigeren Herzschlag sorgen und andererseits die Bildung von Gerinnseln verhindern. Gegen die Herzrhytmusstörungen werden Medikamente wie Betablocker, Herzglykoside und Antiarrhythmika verwendet. "Auch mit Elektroschocks kann das Herz wieder in Schwung gebracht werden", sagt Prof. Sigmund Silber, Vorsitzender des Berufsverbandes der Fachärzte für Kardiologie in freier Praxis. Das funktioniere in mehr als 95 Prozent aller Fälle. Wichtiger sei es jedoch, an den Ursachen zu arbeiten. "Bei Patienten mit Vorhofflimmern muss beispielsweise der Bluthochdruck sehr gut eingestellt sein."

Gegen die Blutgerinnung werden Medikamente zur Blutverdünnung eingesetzt. "Es gibt einige neue Substanzen, die dabei helfen, die Lebensqualität der Patienten zu verbessern", sagt Silber. Wenn aber Medikamente nicht mehr helfen, ist eine sogenannte Katheterablation das letzte Mittel. Dabei werden jene Bezirke der Vorhöfe elektrisch verödet, die das Flimmern auslösen. Vor allem bei jungen Patienten wird sie angewendet. "Die Katheterablation ist ein komplizierter Eingriff, der aber sehr hohe Erfolgsquoten von mehr als 80 Prozent hat", sagt Götte.

Meinertz hat sich dreimal einer solchen Ablation unterzogen. Seit mehr als sechs Jahren hat er nun kein Vorhofflimmern mehr. Er rät allen Patienten, Ruhe zu bewahren. "Vorhofflimmern ist ein Problem, aber man kann es beheben." Wenn keine anderweitige Herzkrankheit hinzu komme, sei auch mit Vorhofflimmern ein normales Leben möglich.

(dpa)
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