Schweiß ist nicht nur fies Wie Schweiß nach Angst, Krankheit oder Sex riecht

Düsseldorf · Wenn Sie schon in der Bahn und selbst im Eiscafé den Schweißgeruch Ihrer Mitmenschen ertragen müssen, dann sollen Sie zumindest wissen, was Sie da alles in die Nase bekommen. Denn Angstschweiß unterscheidet sich von Partnerlockgerüchen.

Das hilft gegen Schwitzen
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Foto: Stiftung Jugend forscht e. V.

Niemand kann etwas dagegen tun. Selbst wenn wir nicht in der Hitze braten, sondert unser Körper täglich im Schnitt zwei Liter Schweiß ab. Zum größten Teil besteht das oft als ekelig empfundene Nass aus allen möglichen Körperritzen einfach aus Wasser. Nur rund ein Prozent setzt sich aus komplexen organischen Substanzen zusammen und verrät, ob wir gerade vor Angst zerfließen, krank sind oder auf der Suche nach einem lustvollen Abenteuer.

Gefahr kann man riechen

Lange Zeit hat die Forschung dem Menschen abgesprochen, was das Tier ihm mit dem im Schnitt sehr viel besseren Geruchssinn gleichmacht: Gefahr zu riechen, Informationen über Alter, Geschlecht und soziale Stellung über die Nase zu sammeln oder Paarungsbereitschaft zu erschnüffeln. Es ist ein besonderer Inhaltsstoff, der all das preisgibt: Der Botenstoff Pheromon. Er funktioniert bei Insekten, Wölfen, Vögeln und selbst beim Menschen, haben die Wissenschaftler zweifelsfrei nachgewiesen. Wohl jedoch muss man hinzufügen, dass der Mensch sie deutlich schlechter riechen kann und damit die Bandbreite an wahrgenommenen Informationen geringer ist.

Wie aus Blümchenduft Gestank wird

Das, was die Wissenschaft mit chemischen Analysen in ihre einzelnen Bestandteile zerlegen kann, ist deutlich mehr als das, was der Homo Sapiens mit dem Riechkolben herausfiltert. So vielschichtig und blumig, dass man es kaum glauben mag: Finden sich doch im menschlichen Schweiß Verbindungen, die ebenfalls im Duft von Flieder, Jasmin, Rosen, Nelken, Geranien und anderen Pflanzen vorkommen. Diese sind in ihrer Zusammensetzung von Mensch zu Mensch verschieden. Leider verschwinden aber diese herrlichen Düfte nach blühender Pflanzenpracht, weil gemeine Bakterien das natürliche Duftbukett bearbeiten und ihn in das wandeln, was uns unangenehm zur Nase steigt. Der Duft wird überlagert von Geruch.

Der vorbestimmte Griff zu bestimmten Parfums

Dennoch aber ist der Mensch mit seinem unsensiblen Riechapparat noch zu allerhand in der Lage: Bei der Partnerwahl spielt die persönliche Duftnote eine entscheidende Rolle. Unbewusst erschnüffeln wir — bevor wir uns binden — welche Immunausstattung der potenzielle Partner mitbringt. Passt sie ergänzend zu der eigenen, sieht es gut aus für die Partnerwahl. Die Natur hat das so eingerichtet, um gezeugten Nachkommen möglichst unterschiedliche Immungene mit auf den Weg zu geben, sagen Max-Planck-Forscher aus den Instituten in Freiburg und Plön. So sind sie bestmöglich vor Infektionen geschützt, was für das Überleben einer Art wichtig ist.

Zusammen mit Kollegen in Dresden haben die Wissenschaftler die chemische Natur des individuellen Geruchs analysiert und ihn bei Versuchsfrauen auf seine Wirkung hin überprüft. Dabei zeigte sich, dass wir selbst bei der Wahl eines neuen Deos oder Parfums offensichtlich nicht frei sind in unserer Entscheidung. Die eigenen Immungen-Varianten bestimmen, welche natürlichen Parfuminhaltsstoffe wir auswählen. Unwissentlich werden sie so ausgesucht, dass sie die eigenen Geruchssignale verstärken.

Elektronische Nase kann Krankheit riechen

Diagnostisches Neuland haben Wissenschaftler der Fachhochschule Jena betreten, als sie vor wenigen Jahren eine elektronische Nase entwickelten, mit der sich aus dem Schweiß Erkrankungen erschnüffeln lassen. Nicht nur eine Nierenerkrankung kann das technische Gerät anhand des menschlichen Geruchs erkennen, sondern auch den Grad einer Niereninsuffizienz. Auch Herz- und Leberkrankheiten lassen sich so aufspüren.

Wenn Sie bei heißen Temperaturen in der U-Bahn ein mulmiges Gefühl bekommen, könnte das am Schweiß ihres Banknachbarn liegen. Denn Angst anderer nehmen wir nicht nur über die Nase wahr, sie kann auch uns selbst zum Fürchten bringen. "Im Unterschied zu künstlichen Gerüchen setzten körpereigene Duftstoffe durchaus festgelegte Verhaltensprogramme in Gang", sagt Neuroradiologe und Studienleiter Martin Wiesmann von der Universität München.

Der Geruch der Angst

Er setzte Menschen den Angstschweiß anderer vor und stellte dann fest, wie sich die Selbsteinschätzung der Personen veränderte, ihr Verhalten beim Kartenspiel zurückhaltender wurde und sie sogar im Gehirn Veränderungen zeigten. Dort wurde nicht nur die Region aktiviert, die für Gerüche zuständig ist, sondern auch die für Emotionen.

An der Universität Düsseldorf zeigte eine Arbeitsgruppe um Psychologin Prof. Bettina Pause beinahe zeitgleich, dass Angst über den Geruch zwischen zwei Menschen übertragen wird und im Gehirn des Riechenden die Region für Empathie und das Erkennen von Angst aktiviert werden. Diese chemisch ablaufende Kommunikation geschieht unbewusst. Unterscheiden können feine Nasen sogar den Angstschweiß — zum Beispiel vor einer Prüfung — von dem Sportschweiß — zum Beispiel beim Lauftraining. Ersterer weckt mitunter Gefühle von Mitleid.

Im Augenblick mögen Sie nun in der Bahn umhüllt von scheinbar unangenehmen Duftnoten stehen. Was das bei Ihnen auslöst, werden Sie vielleicht erst sehr viel später merken. Dann, wenn der unbewusste erste Augenblick vielleicht irgendwann Gewissheit wird.

(wat)
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