Schleichende Gefahr Lungenkrebs tut lange Zeit nicht weh

Berlin · Lungenkrebs ist vor allem eine Raucherkrankheit: Neun von zehn Betroffenen rauchen. Der beste Schutz ist daher, die Finger von Zigaretten zu lassen. Der Weltkrebstag am Samstag ist ein guter Anlass, das zu beherzigen.

So stark lässt Rauchen Frauen altern
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Die Diagnose Krebs ist für Betroffene ein harter Schlag. Kann ich geheilt werden? Wie lange lebe ich noch? Das sind die bedrückenden Fragen, die Erkrankte beschäftigen. Für jene, die Lungenkrebs haben, kommt noch etwas anderes hinzu: "Erzählt man von dieser Krankheit, lautet die nächste Frage oft: Hast du geraucht?", sagt Barbara Baysal von der Selbsthilfe Lungenkrebs in Berlin. Die Diagnose selbst ist schon schlimm, und dann kommen noch Schuldgefühle hinzu - eine enorme psychische Belastung.

Tatsächlich erhöht Rauchen das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, drastisch: "90 Prozent der Lungenkrebspatienten sind Raucher", sagt Prof. Wulf Pankow, Leiter des Instituts für Tabakentwöhnung und Raucherprävention im Vivantes Klinikum Neukölln in Berlin.

Wie das Statistische Bundesamt anlässlich des Weltkrebstags am Samstag (4. Februar) mitteilte, ist Lungenkrebs bei Männern nach wie vor die am häufigsten zum Tod führende Krebserkrankung, bei Frauen die zweithäufigste. Und das, obwohl die Heilungschancen heute besser sind denn je.

Im Jahr 2010 starben 218.889 Menschen in Deutschland an Krebs. Bösartige Lungen- und Bronchialtumore sind die häufigste Krebsart mit Todesfolge - 42.972 Menschen starben daran 2010. Es folgten Brustkrebs mit 17.573 Todesfällen sowie bösartige Dickdarm- und Bauchspeicheldrüsentumore mit 17.161 und 15.488 Fällen.

Das Problem ist, dass es bei diesem Krebs kaum frühe Symptome gibt. Denn die Lunge ist schmerzunempfindlich. Tumoren entwickeln sich oft über Jahre und werden erst im fortgeschrittenen Stadium entdeckt. Die Symptome können unspezifisch sein und Metastasen auch in Körperteilen jenseits der Bronchen oder Lunge auftreten. "Wenn jemand Blut hustet, ist das ein klares Alarmsignal dafür, schnellstens einen Lungenarzt aufzusuchen", erklärt Pankow. Mögliche Anzeichen können aber auch länger anhaltende Brustschmerzen, ein veränderter Husten oder Rückenbeschwerden sein.

Nur durchschnittlich 10 bis 15 Prozent der an dieser Krebsart erkrankten Menschen überleben die ersten fünf Jahre nach Diagnosestellung, begründet das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg die Notwendigkeit einer aktuellen Studie zur Früherkennung. Die Studie soll nachweisen, ob eine Computertomographie sich zur frühzeitigen Erkennung von Lungenkrebs eignet. Denn rechtzeitig diagnostiziert, können kleinere Tumore oftmals erfolgreich operativ entfernt werden.

"Für das Screening spricht, dass es nur wenige Minuten dauert und schmerzfrei ist", sagt Prof. Stefan Delorme, Radiologe am DKFZ und klinischer Leiter der Lungenkrebs-Screening-Interventionsstudie (LUSI). Dabei sind die Patienten zwar einer Strahlenbelastung ausgesetzt. Diese ist allerdings mit der angewandten Mehrschicht-Computertomographie (MSCT) relativ gering. Besorgnis erregen können allerdings falsche positive Befunde. "Das sind jene Herde, die auffallen, am Ende aber kein Krebs sind", sagt Delorme.

Rund 30 Prozent der Teilnehmer haben Befunde, die Konsequenzen nach sich ziehen: etwa frühere Verlaufskontrollen oder eine Biopsie - ein minimalinvasiver chirurgischer Eingriff im Brustraum. "Und bereits der Brief, dass man wegen eines wahrscheinlich harmlosen Befundes früher zur Kontrolle kommen muss, verursacht Beunruhigung und bedeutet letztlich eine Einbuße an Lebensqualität." Auch könnten erst Langzeitergebnisse zeigen, ob durch Früherkennung tatsächlich die Heilungsraten steigen und nicht etwa nur die Diagnose früher gestellt wird, die Lebenserwartung der Erkrankten aber gleich bleibt.

Von den 4000 Probanden der LUSI-Studie im Rhein-Neckar-Kreis wird die Hälfte einmal pro Jahr per Screening untersucht, die andere Hälfte nicht. Alle rauchenden Probanden bekommen außerdem eine Beratung und therapeutische Unterstützung bei der Entwöhnung. "Wir wollen auch überprüfen, ob eine solche Beratung, durch die Menschen mit dem Rauchen aufhören, am Ende vielleicht genauso wirksam ist wie die Früherkennung durch das Screening", sagt Delorme. Die schon veröffentlichten vorläufigen Daten einer US-Studie deuten an, dass MSCT-Vorsorgeuntersuchungen durchaus nützlich sind. "Vor allem langsam wachsende Karzinome können auf diese Weise rechtzeitig entdeckt werden", sagt Delorme.

Am wirksamsten ist und bleibt es aber, mit dem Rauchen aufzuhören.
"Je länger jemand abstinent ist, desto stärker sinkt das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken", sagt Pankow. Noch besser ist es, gar nicht erst anzufangen. "Denn jemand, der zehn Jahre lang zwanzig Zigaretten pro Tag geraucht hat, wird immer stärker gefährdet sein als ein Nichtraucher", erklärt der Lungenarzt. Ungefähr jeder zehnte Raucher bekommt Lungenkrebs. Einen unbedenklichen unteren Schwellenwert gibt es nicht. Es besteht aber durchaus eine Dosis-Wirkungsbeziehung: Mit steigendem Tabakkonsum wächst auch das Risiko, zu erkranken.

"Die meisten hören sofort mit dem Rauchen auf, wenn sie die schockierende Diagnose erhalten", erzählt Barbara Baysal. Doch manche schaffen es nicht ohne weiteres. Hier können Kurse zur Rauchentwöhnung helfen. "Es geht dabei auch um die Entkopplung von Gewohnheiten: zum Beispiel, sich zum Bier eine Zigarette anzuzünden oder in Stresssituationen zu rauchen", erklärt Pankow. Mit dem Rauchen aufzuhören, ist gerade auch für Lungenkrebskranke wichtig. Denn bei einem aktiven Raucher wirken krebshemmende Medikamente deutlich schlechter als bei Nichtrauchern. Und selbst wenn der Krebs geheilt wird, besteht die Gefahr, erneut zu erkranken.

"Das Wichtigste ist, dass man Hoffnung weitergibt, dabei allerdings ehrlich bleibt", sagt Baysal über ihre Arbeit in den vier Berliner Selbsthilfegruppen. Hoffnung macht auch ihr persönliches Schicksal: Das erste Mal erkrankte sie 2001, anderthalb Jahre später erneut. Sie bezeichnet sich heute als tumorfrei. Zu sagen, sie sei geheilt, das vermeidet sie allerdings. Denn sie weiß, wie tückisch der Krebs sein kann. Dennoch ärgert sie sich, wenn wie kürzlich Prominente wie Peter Maffay sagen, die Diagnose Lungenkrebs wäre für ihn ein Grund, sich umzubringen. Mit solchen Aussagen werde die Arbeit der Gruppen zunichtegemacht. "Schließlich gibt es ja nicht nur schlechte Beispiele", sagt Baysal.

(dpa)
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