Priscus-Liste mit 83 Arzneien Forscher warnen vor Medikamenten für Ältere

Düsseldorf (RPO). Schmerztabletten, Blutdrucksenker, Beruhigungsmittel – Medikamente, die älteren kranken Menschen helfen sollen und das Gegenteil bewirken können: Forscher der Universität Herdecke haben eine Liste mit 83 Arzneimitteln veröffentlicht, die Ärzte Senioren verschreiben, obwohl sie im schlimmsten Fall mehr schaden als nutzen.

 Experten warnen: 83 Medikamente können für Senioren gefährlich werden.

Experten warnen: 83 Medikamente können für Senioren gefährlich werden.

Foto: ddp

Düsseldorf (RPO). Schmerztabletten, Blutdrucksenker, Beruhigungsmittel — Medikamente, die älteren kranken Menschen helfen sollen und das Gegenteil bewirken können: Forscher der Universität Herdecke haben eine Liste mit 83 Arzneimitteln veröffentlicht, die Ärzte Senioren verschreiben, obwohl sie im schlimmsten Fall mehr schaden als nutzen.

Ein klassischer Fall: Der ältere Mensch wird vom Notarzt ins Krankenhaus gebracht. In seiner Tasche steckt einen Notizzettel, auf dem die Liste der Arzneien steht, die er regelmäßig gegen Bluthochdruck, Diabetes, Sodbrennen und zur Blutverdünnung einnimmt. Ein Medikamentencocktail, der gefährlich werden kann, sagt Professor Werner Vogel. Er ist am Evangelischen Krankenhaus Gesundbrunnen in Hofgeismar (Hessen) auf die Behandlung älterer Menschen (Geriatrie) spezialisiert.

Gefährlicher Medikamentencocktail

Viele Menschen nähmen im Alter unterschiedliche Medikamente gegen verschiedene körperliche Leiden zu sich, und das werde immer mehr zum Problem — nicht nur weil die Wechselwirkung der Arzneistoffe zu erheblichen Beschwerden führen könne. "Im Alter verändert sich die Biologie des Körpers", sagt Vogel. "Die Nebenwirkungen von Arzneien nehmen zu. Die Niere arbeitet nicht mehr so gut, der Wasserhaushalt schwankt, der Fettgehalt verändert sich." Die Folge: unerwünschte Nebenwirkungen - und das immer häufiger.

Statistisch gesehen nimmt bereits heute jeder Deutsche über 60 Jahre drei Medikamente pro Tag ein. Tendenz: steigend. Betroffen sind nach Ansicht der Forscher neben Schmerz- und Beruhigungsmitteln auch Psychopharmaka, Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen, Demenz und Narkosemittel.

Drei Tabletten pro Tag

Erstmals sind in einer Tabelle deshalb jetzt Medikamente aufgelistet, die für ältere Menschen problematisch werden können. Diese sogenannte Priscus-Liste wurde von Pharmakologen der Universität Witten/Herdecke entwickelt. "Die Tabelle ist eine konkrete Hilfestellung für Ärzte und Apotheker", sagt Stefanie Holt. Die Apothekerin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für klinische Pharmakologie und hat die Liste mit erarbeitet.

Es gebe zwar seit bereits einigen Monaten internationale Listen mit Wirkstoffen, die sich für ältere Menschen nicht eignen. Diese seien aber nur teilweise auf Deutschland übertragbar. Die Priscus-Liste schließe jetzt eine Lücke: Sie enthalte Wirkstoffe, die in Deutschland häufig eingesetzt würden, älteren Patienten jedoch Probleme bereiten könnten. In der Tabelle werden 83 Medikamenten aufgeführt, die von der Expertengruppe als eventuell ungeeignet für ältere Menschen eingestuft wurden.

Ärzte in der Pflicht

Die Pharmakologen fordern, dass Ärzte die neue Liste griffbereit in ihrer Praxis haben oder in ihrem Praxiscomputer installieren, um problematische Neben- und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten schnell erkennen zu können. "Die Priscusliste ist keine Verbotstabelle", betont Holt. Es gebe Fälle, in denen die Einnahme einer bestimmten Arznei sinnvoll und notwendig sei. Patienten sollten deshalb nie selbst ein verschriebenes Medikament absetzen. Sie sollten aber auf einer sehr individuellen Beratung bestehen, so Holt.

Der behandelnde Arzt stehe in der Pflicht, bei jedem Patienten eine passgenaue Therapie auszuarbeiten und entsprechend vorsichtig mit dem Rezeptblock umzugehen. Aufgelistet haben die Pharmakologen nicht nur die problematischen Arzneistoffe, sondern auch Vorschläge für Alternativen, die besser verträglich sind.

Die Liste ist unter http://www.priscus.net/ zugänglich. Priscus ist ein Verbund unterschiedlicher Kliniken und Forschungsabteilungen in Deutschland, die vom Bundesforschungsministerium unterstützt werden. Das Ziel der Experten ist, die Lebensqualität älterer Menschen zu verbessern.

(pes-/rm)
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