Schwellung der Lymphgefäße Lymphödeme richtig behandeln

Friedberg · Lymphödeme sehen nicht nur unschön aus. Sie schränken die Beweglichkeit der Betroffenen auch stark ein. Die Schwellungen in den Lymphgefäßen sind aber gut in den Griff zu bekommen - wenn sie rechtzeitig erkannt und richtig behandelt werden.

  Ein wichtiger Baustein bei der Behandlung von Lymphödemen: Mit speziellen Handgriffen regt die Therapeutin den Lymphfluss an

Ein wichtiger Baustein bei der Behandlung von Lymphödemen: Mit speziellen Handgriffen regt die Therapeutin den Lymphfluss an

Lymphödeme sind nicht nur wegen ihres wenig ästhetischen Anblicks ein Problem. Die unschönen Schwellungen, die meist an Armen und Beinen auftreten, können das Sozialleben beeinträchtigen, darüber hinaus aber auch sehr schmerzhaft sein. Auch die Beweglichkeit schränken sie oft ein - im Extremfall so stark, dass Betroffene berufsunfähig werden. Schätzungsweise ein bis zwei Millionen Menschen leiden an Lymphödemen, vor allem Frauen.

Grund der Schwellung ist eine Fehlfunktion des Lymphgefäßsystems, das vor allem für den Transport abgestorbener Zellen, Fette und auch Keime verantwortlich ist. In den Lymphknoten wird die Transportflüssigkeit, die sogenannte Lymphe, gefiltert und wieder in den Blutkreislauf zurückgeführt. Ist das System gestört, kann sich Lymphflüssigkeit im Gewebe ansammeln - ein Lymphödem entsteht.

Im Anfangsstadium kaum zu erkennen

Für den Laien ist ein Lymphödem im Frühstadium kaum zu erkennen.
Betroffene sehen zuerst nur die Schwellung und spüren die Spannung der Haut. "Aber die Symptome sind nicht spezifisch für das Lymphödem, sie können auch bei anderen Ödemen auftreten", erklärt der Mediziner Wilfried Jungkunz, Spezialist für Haut- und Gefäßerkrankungen aus Friedberg (Hessen). Erst im fortgeschrittenen Stadium vermehrt und verhärtet sich das Bindegewebe.

Diese sogenannte Fibrosklerose lässt sich per Ultraschalluntersuchung oder durch gezieltes Tasten erkennen. "Beispielsweise ist mit einem bestimmten Pinzettengriff eine verbreiterte, verhärtete und vermindert verschiebbare Hautfalte nachweisbar" erklärt Jungkunz, der seit 1989 in der klinischen Dermato-Lymphologie tätig ist. Häufig treten Lymphödeme asymmetrisch auf, manchmal auch nur an einem Körperteil. Die Fibrosklerose sei vorrangig für mögliche Folgeschäden verantwortlich, die sich ohne Therapie oft schleichend entwickeln.

Unterschieden werden zwei Formen des Lymphödems. Die primäre Form ist entweder angeboren oder entsteht in jungen Jahren. Überwiegend sind Frauen betroffen. "Es kann in jedem Lebensalter auftreten, meistens allerdings nach der Pubertät, manchmal weit danach", sagt Jungkunz. Auch das sekundäre Lymphödem kommt öfter, aber nicht nur, bei Frauen vor. Es kann durch Verletzungen, dauerhafte Venenerkrankungen oder Operationen, besonders durch die Entfernung von Lymphknoten, entstehen.

Eine vollständige Heilung ist zwar ausgeschlossen. Die richtige Therapie kann aber Einschränkungen im Alltag verringern und das schnelle Fortschreiten der Erkrankung verhindern. "Optimal ist die Kombination aus manueller Lymphdrainage und Kompressionsbandagierung, die vom Arzt zu verordnen sind", sagt Birgit Kienle vom Deutschen Verband für Physiotherapie in Köln. Bei der manuellen Lymphdrainage (MLD) massieren speziell ausgebildete Physiotherapeuten den Patienten mit spiraligen, pumpenden oder kreisförmigen Bewegungen. "Mit wechselndem Arbeitsdruck der MLD-Griffe wird die Lymphgefäßmotorik angeregt, und Flüssigkeit kann vermehrt aus dem Gewebe verschoben und abtransportiert werden."

Komplexe Entstauungstherapie

Auch Jungkunz ist von der Wirkung der MLD überzeugt. Sie müsse Teil einer komplexen physikalischen Entstauungstherapie sein. Neben der regelmäßigen MLD besteht sie aus Hautpflege, Kompressions- und Bewegungstherapie. "Die ist allerdings nur als Zweiphasentherapie wirklich wirksam", sagt der Dermatologe. In einer ersten Phase müsse das Ödem täglich entstaut werden. "Das wird oft falsch gemacht.
Stattdessen kriegen Leute über Jahre zweimal wöchentlich Lymphdrainagen." Dies sei erst in der zweiten, der Erhaltungsphase, sinnvoll. Häufig würden dabei auch die notwendigen lymphologischen Kompressionsverbände vergessen.

Betroffene müssen selbst viel zur Therapie beitragen: etwa Verletzungen im Bereich des Ödems unbedingt vermeiden und ihre Garderobe anpassen. In der Bewegungstherapie gibt es spezielle gymnastische Übungen. "Das kann man zum Beispiel machen, wenn man im Urlaub ist oder selbst das Gefühl hat, dass etwas viel Lymphe in den Gefäßen ist", erläutert Martina Schwarz von der Lymph-Selbsthilfegruppe Bremen. Die beste Strategie sei aber immer: "Ab ins Wasser." Aquafitness oder Schwimmen seien sinnvoll, da Wasser hypostatischen Druck auf das betroffene Gewebe ausübt. Ein vollwertiger Ersatz für Lymphdrainage sei das aber nicht, nur Zusatz.

Bewegung mit Kompressionsstrümpfen

Jede Bewegung außerhalb des Wassers sollte unter lymphologischer Kompression stattfinden. Patienten müssen deshalb möglichst immer geeignete Strümpfe aus flachgestrickter Nahtware tragen - selbst wenn es im Sommer sehr heiß ist. Diese müssen individuell auf den Patienten zugeschnitten sein und im Sanitätshaus extra angemessen werden, sagt Schwarz. "Die Strümpfe werden dann von Kompressionshosenherstellern nach einem speziellen Verfahren gestrickt." Leider bekämen Kunden stattdessen oft Strümpfe "von der Stange" angeboten, die eher bei Erkrankungen der Venen geeignet sind.

Alle Teile der Therapie müssen individuell auf den Patienten abgestimmt sein. Wichtig ist deshalb die enge Zusammenarbeit von Fachmediziner, Physiotherapeut und Patient. Dann sind Betroffene dem Lymphödem nicht mehr hilflos ausgeliefert. Auch viele Selbsthilfegruppen bieten Unterstützung an. "Dort sieht man, dass man mit dem Problem nicht alleine ist", sagt Schwarz. Außerdem seien sie erste Anlaufstelle für praktische Fragen zum Umgang mit dem Ödem.

(dpa)
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