Arthroskopie Schlüsselloch-OP für die Schulter

Düsseldorf · Die Gelenke des Menschen lassen sich seit vielen Jahren per Arthroskopie untersuchen. Die Methoden werden immer raffinierter, die therapeutischen Möglichkeiten immer vielfältiger. Auch an der Düsseldorfer Universitätsklinik werden die meisten Schulter-OPs minimal-invasiv durchgeführt.

 Oberarzt Thilo Patzer (rechts) zeichnet mit einem Spezialstift das Operationsgebiet seines Patienten an.

Oberarzt Thilo Patzer (rechts) zeichnet mit einem Spezialstift das Operationsgebiet seines Patienten an.

Foto: Christoph Göttert

Der Name Bircher hat in der Welt der Gesundheit einen guten Ruf, er hallt zurück in vergessene Zeiten der lauschigen Schweiz. Dort erfand Maximilian Oskar Bircher- Benner ein Rohkost-Müsli, und der Chirurg Erwin Bircher, ebenfalls aus Aarau, erfand die Schlüsselloch-Untersuchung von Gelenken.

Bircher hatte sich im Jahr 1921 ein Gerät zur Begutachtung des Bauchraums gepackt und es nach einem kleinen Hautschnitt sozusagen ortsfremd in ein Kniegelenk geschoben. Damit begründete er die moderne Arthroskopie (von griechisch arthros = Gelenk und skopein = schauen). Dass beide Birchers später unverhohlen mit den Nazis sympathisierten, tat ihrem Renommee keinen Abbruch.

Präzise Geräte

Noch heute mümmelt man Müslis, und Orthopäden halten die Bircher- Methode in Ehren. Natürlich sind die Geräte über die Zeit immer raffinierter, feiner, präziser geworden — und das diagnostische und therapeutische Spektrum hat sich deutlich erweitert. Wer in Knie-, Schulter-, Sprung- oder Handgelenken arthroskopisch unterwegs ist, braucht viel Erfahrung, will er einen komplizierten Kreuzbandriss im Knie nicht nur begutachten, sondern wenige Minuten später, sozusagen im gleichen Arbeitsgang, auch operativ behandeln.

Meist kommen die Patienten zwar mit einer Röntgen- oder MRT-Aufnahme zum Spezialisten, aber die realen Verhältnisse im Gelenk kann nur die Spiegelung abbilden. Thilo Patzer, Oberarzt der Orthopädie an der Düsseldorfer Universitätsklinik, ist Spezialist in der Kunst des Spiegelns der Schulter. Er weiß, dass diese minimal-invasive Prozedur in den allermeisten Fällen die offene Operation am und im Schultergelenk ersetzt hat.

"Und das hat enorme Vorteile", sagt Patzer, "man sieht mit hochmodernen Optiken und einer starken Vergrößerung einfach wunderbar, und vor allem ist das Infektionsrisiko deutlich geringer." Die Schnitte sind winzig, und durch die Arbeitskanäle kann man nicht nur gut arbeiten, sondern das Wundgebiet auch fortwährend spülen.

Stets braucht man mindestens zwei, meistens drei kleine Schnitte von etwa fünf Millimetern Länge, um die Trokare als chirurgische Instrumente mit ihren Hülsen einzuführen. Sie dienen als kleiner, stabiler, kurzer Zugang. Von einer Seite aus guckt der Operateur (die Bilder werden auf einen Monitor übertragen, was perfekte Sicht ermöglicht), von den anderen operiert er.

Die Bedingungen scheinen beengt, sind es aber nicht. Auch komplexe Manöver sind gut möglich. Die sind auch wichtig, denn das Schultergelenk ist das mobilste Gelenk des Menschen, als Kugelgelenk ein anatomisches Wunderwerk. Es überrascht durch eine raffinierte Gelenkfläche. Das Größenverhältnis vom Kopf des Oberarmknochens zur Gelenkpfanne liegt bei 4:1, "das ähnelt dem Golfball auf dem Tee oder einem Ball auf der Seehundnase", rechnet Oberarzt Patzer vor.

Stabilisiert wird der Kopf in der Pfanne durch Kapsel und Gelenklippe. Dieses fragile System kann in seiner Variabilität durch Überlastung oder ein Trauma eingeschränkt sein. Häufig kommt das sogenannte Impingement-Syndrom vor, das die Beweglichkeit des Arms nach oben, über den Kopf, stark einschränkt.

Oft ist es das Ergebnis der Abnutzung oder eines Risses in der Rotatorenmanschette; das ist eine Gruppe von vier Muskeln und Sehnen, die den Kopf des Oberarmknochens in der flachen Gelenkpfanne des Schulterblatts halten. Hier lässt sich — falls eine konservative Therapie nicht mehr hilft — ebenfalls per Arthroskopie ein medizinisch überaus gutes Resultat erzielen.

Alle OPs an der Schulter durchs Schlüsselloch

Auch Patienten, bei denen sich das Schultergelenk wiederholt ausrenkt, kann mit einer arthroskopischen Operation geholfen werden. Oberarzt Patzer überblickt die Möglichkeiten der Schulter-Spiegelung und sagt aus Erfahrung: "Nahezu alle Operationen am Schultergelenk können heutzutage in der Schlüsselloch-Technik der Arthroskopie durchgeführt werden. Wir können mit ihr das Gelenk stabilisieren, können Kalk entfernen oder Knorpel glätten, bei Engpass-Syndromen können wir Knochen abtragen, wir können körpereigene Knorpelzellen transplantieren oder Gelenkflächen überkronen."

Damit ist die Arthroskopie von Gelenken eine weitere Dimension der interventionellen modernen Medizin, die Diagnostik und Therapie in einem Schritt bietet. Vom Prinzip ähnlich funktionieren auch Herzkatheter-Eingriffe oder Darmspiegelungen: Durch natürlich offene oder winzig erzeugte Körperöffnungen (etwa in ein Blutgefäß) können allerlei Instrumente eingeführt werden, die der Inspektion dienen — und wenn es einen krankhaften Befund gibt, kann der Arzt direkt mit der Therapie beginnen: Bei Menschen mit auffälligen Verengungen der Herzkranzgefäße kann er einen Stent als Gefäßstütze platzieren, einen Polypen im Darm abtragen oder eine Gewebeprobe ins Labor schicken.

Die Arthroskopie der Schulter ist als endoskopisches Manöver den chirurgischen Verfahren etwa im Bauchraum (Laparoskopie) gleichzusetzen; der im Schnitt 45 bis 90 Minuten dauernde Eingriff wird stets in einer Vollnarkose durchgeführt. Auch nach komplizierten arthroskopischen Eingriffen können die meistens Patienten das Krankenhaus nach ein paar Tagen wieder verlassen, manchmal auch schon früher. Minimal-invasive Eingriffe wie die Arthroskopie besitzen für Patienten nicht nur einen überaus erfreulichen kosmetischen Aspekt, weil die Narbe so klein ist, dass sie Richtung Unsichtbarkeit tendiert; auch für den Heilungsprozess ist das relevant.

Zudem wird die Muskulatur geschont. Das hat Erwin Bircher damals vielleicht geahnt, vielleicht auch nicht. Für die Patienten ist die von ihm erfundene Schlüsselloch-Chirurgie der Schulter jedenfalls deutlich wichtiger als das Müsli seines Namensvetters.

(anch)
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