Welt-Parkinson-Tag Stammzellen — Doch kein Allheilmittel

Düsseldorf/berlin · Stammzellen werden schon seit Jahrzehnten als Wundermittel gegen schwere Erkrankungen eingesetzt. Leukämiekranken können sie helfen und ebenso Menschen mit schweren Verbrennungen. Doch es gibt einen Bereich, in dem sie keine Wirkung zeigen, obwohl dubiose Privatkliniken es versprechen.

Es sind schöne Marketingsbotschaften, die verzweifelten Menschen Hoffnung auf Heilung geben, wenn sie selbst oder Angehörige an Morbus Parkinson erkrankt sind. Parkinson ist jedoch wie andere neurologische Krankheiten nicht durch adulte Stammzellen heilbar. "Es gibt noch keine Stammzellen-Therapie gegen die Parkinson-Erkrankung", betont die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) anlässlich des Welt-Parkinson-Tages am 11. April. In Deutschland sind rund 280.000 Menschen parkinsonkrank. Laut der Deutschen Parkinson VEreinigung schätzen Experten, dass jährlich rund 13.000 neue Parkinson-Patienten dazu kommen.

Viel Geld und keine Hilfe

Patienten zahlten in den vergangenen Jahren in privaten Kliniken auch in Deutschland zwischen 6.000 und 30.000 Euro für eine Behandlung mit ihren eigenen Knochenmarkszellen. Eine Nachuntersuchung dieser Patienten hat allerdings vor kurzem gezeigt, dass den Erkrankten mit dieser in Deutschland inzwischen verbotenen Prozedur nicht geholfen werden konnte.

Weder verbesserte sich der klinische Gesamteindruck, noch wurden die parkinsonspezifischen Krankheitszeichen gelindert, berichtet Professor Alexander Storch vom Universitätsklinikum Dresden. "Wir empfehlen dringend, von derartigen Eingriffen Abstand zu nehmen, solange es keine überzeugenden Daten aus präklinischen und klinischen Studien gibt", warnen die Autoren in ihrem wissenschaftlichen Artikel. "Leider besteht Anlass zur Befürchtung, dass mit dem Leid der Patienten in anderen Ländern weiter ein Geschäft gemacht wird — und dass auch deutsche Patienten dafür ins Ausland reisen", ergänzt Professor Wolfgang H. Oertel, zweiter Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und Direktor des Neurologischen Universitätsklinikums in Marburg.

Hinweise darauf, dass immer mehr Menschen auf die Heilung per Stammzellentherapie hoffen geben Zahlen des XCell-Center in Düsseldorf. Dort waren — so teilt die DGN mit — seit dem Jahr 2007 etwa 3500 Patienten gegen verschiedene Krankheiten mit ihren eigenen Knochenmarkszellen behandelt worden, darunter sehr wahrscheinlich auch Parkinson-Patienten. Die DGN und die DPG hatten bereits im Juni 2009 vor den Behandlungsmethoden des XCell-Centers gewarnt. Die Kölner Bezirksregierung hat der Firma untersagt, solche Behandlungen vorzunehmen.

Injektion ins Gehirn tödlich

"In der Zwischenzeit war ein eineinhalbjähriger, schwer behinderter Junge nach einer Injektion der Zellen direkt ins Gehirn gestorben", schreibt die DGN. Anfang des Jahres habe eine weitere Klinik in Bonn ihre Tätigkeit auf diesem Gebiet einstellen müssen. Doch auch, wenn damit zumindest offiziell Stammzellen-Behandlungen dieser Art verboten sind, findet man im Internet Kontaktbüros im schweizerischen Zug und Telefonnummern in Fernost, in den USA — und auch in Deutschland. "Für uns ist die Sache damit keineswegs erledigt", stellt Professor Oertel klar. "Zusammen mit unseren ausländischen Kollegen werden wir darauf hinwirken, international verbindliche Standards einzuführen."

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Parkinson Gesellschaft (DPG) hatten in der Vergangenheit wiederholt vor teuren, nutzlosen und risikoreichen Behandlungen mit Stammzellen gewarnt, die ohne ausreichende wissenschaftliche Grundlage erfolgen. Um diese Kritik zu konkretisieren, wurden 17 Patienten mit Morbus Parkinson oder einer Multisystematrophie ermittelt, die sich der Behandlung unterzogen hatten und die mit einer Nachuntersuchung einverstanden waren. Sie waren entweder am XCell-Center in Düsseldorf oder in Hospitälern der Stamina Foundation Onlus in San Marino oder Triest behandelt worden. Die zwischen 41 und 77 Jahre alten Patienten hatten durchschnittlich fast 11.000 Euro bezahlt für einen Eingriff, bei dem weiße Blutzellen aus dem Knochenmark entnommen und in die das Gehirn umfließende Flüssigkeit oder in die Blutbahn gespritzt wurden.

"In unserer Nachuntersuchung konnten wir keinen klinischen Nutzen dieser Eingriffe für die Patienten finden", stellt Professor Storch nun klar. Die Nachuntersuchungen, die zwischen einem und 15 Monaten nach den Eingriffen stattfanden, ergaben einen unveränderten klinischen Gesamteindruck. Die Patienten benötigten nicht weniger Medikamente als zuvor. Bei der Schwere der Parkinsonsymptome zeigte sich sogar eine leichte Verschlechterung.

(wat)
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