Mehr Vorsorge für den Nachwuchs Kinderärzte fordern häufigere Arztbesuche

Berlin/Düsseldorf · Die Kinder- und Jugendärzte stellen immer mehr psychische Auffälligkeiten bei Kindern fest. Nun soll eine neue Statistik klären, wie stark die Probleme tatsächlich zugenommen haben.

Zur Geburt eines Kindes erhalten alle Eltern schon im Krankenhaus ein gelbes Heft. Das Dokument begleitet die Kinder bis kurz vor der Einschulung. In immer größer werdenden Abständen vermerken die Kinderärzte, ob sich die Kleinen altersgemäß entwickeln, wie groß und wie schwer sie sind.

Bei den Eltern sind die "Us" , wie die Vorsorge kurz genannt wird, sehr gut akzeptiert. Rund 90 Prozent der Mütter und Väter bringen ihre Kinder zu den empfohlenen Terminen zum Arzt.

Aus diesen rund sechs Millionen Kontakten der Pädiater mit Kindern pro Jahr in Deutschland wollen die Ärzte nun noch mehr machen: Die Untersuchungen sollen künftig zielgenauer werden, um im Fall von Auffälligkeiten oder Entwicklungsverzögerungen so früh wie möglich die geeigneten Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Zudem wollen die Ärzte eine eigene Datenbank schaffen, die über den Gesundheitszustand der Kinder in Deutschland insgesamt Informationen liefert.

"In Zukunft wollen wir die Befunde elektronisch erfassen. Damit sind wir in der Lage, regelmäßig einen Gesundheitsbericht über alle Altersstufen zu erstellen", sagt Hermann-Josef Kahl, Präventionsbeauftragter des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte. Kahl, dessen Praxis in Düsseldorf liegt, betont auch: "Angesichts von jährlich sechs Millionen Vorsorge-Untersuchungen werden wir so erkennen können, ob und welche Krankheiten in der Gesellschaft insgesamt zunehmen."

Die Kinder- und Jugendärzte beklagen seit einigen Jahren, dass Entwicklungsstörungen, psychische Krankheiten und Übergewicht bei den Minderjährigen immer häufiger vorkommen. Die Klassiker wie Masern, Röteln und Mumps spielen dank guter Impfraten als Kinderkrankheiten nur noch eine geringe Rolle.

Jedes dritte Kind hat Sprachentwicklungsstörungen

Auch die Statistiken der Krankenkassen zeigen den neuen Trend: Bei jedem dritten Kind werden einer Studie der Barmer GEK zufolge Sprachentwicklungsstörungen festgestellt. Welches Ausmaß die neuen Kinderkrankheiten wie psychische Störungen, Übergewicht und Allergien bereits angenommen haben, dazu gibt es keine aktuelle Übersicht. Die jüngste umfassende Studie zu dem Thema vom Robert-Koch-Institut wurde bereits 2006 veröffentlicht. Schon damals stellten die Wissenschaftler allerdings eine Zunahme des Übergewichts bei Kindern um 50 Prozent im Vergleich zu den 80er Jahren fest.

Psychische Probleme wie Ängste und Niedergeschlagenheit, Überaktivität, Verhaltensauffälligkeiten mit groben Regelverletzungen oder Probleme im sozialen Miteinander zeigten damals rund 28 Prozent der Minderjährigen. Die Mediziner haben den Eindruck, dass diese Zahlen in den vergangenen Jahren abermals gestiegen sind. Die Ärzte würden die Eltern bei den Vorsorge-Untersuchungen gern gezielter und nach festen Standards je nach Alter der Kinder und Jugendlichen über Ernährung, Bewegung, Unfälle, Gewalt und Sexualität beraten. Aus ihrer Sicht sollte dies gesetzlich verankert werden.

Die Bundesregierung bringt gerade eine Präventionsstrategie auf den Weg, bei der es um eine bessere Vorsorge für die Bevölkerung insgesamt geht. In diesem Zusammenhang fordern die Kinder- und Jugendärzte, die gesetzlich vorgesehenen Vorsorge-Untersuchungen auch auf die Sechs- bis 13-Jährigen auszudehnen. Bislang werden diese Untersuchungen nur von einzelnen Krankenkassen angeboten.

(qua)
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