Der Kampf der Dopingexperten So dopen sich Spitzenathleten

Köln · Kaum haben die Olympischen Spiele begonnen, werden die ersten Athleten des Dopings verdächtigt. Längst werden nicht mehr nur Steroide zur Leistungssteigerung eingenommen - was die Doping-Küche hergibt, geht weit darüber hinaus. Mittlerweile können schon die Gene der Sportler manipuliert werden.

Olympia: Die Dopingfälle bei Sommerspielen
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Foto: dpa, Patrick Seeger

Patrick Diel ist Molekularbiologe an der Sporthochschule Köln und dort Doping-Experte. Während sich in London die Olympioniken in neuen Höchstleistungen überbieten und die Doping-Jäger auf der Pirsch sind, wartet er seit Monaten frustriert auf Proben von der Welt-Doping-Agentur WADA, um Doping-Tests, die auch in London schon zum Einsatz kommen könnten, zu verifizieren. Aber Proben kamen bislang keine und damit sind auch die Doping-Tests aus dem Rennen.

Das aber ist nur eines von vielen Problemen, die Molekularbiologen wie Prof. Dr. Dr. Diel in der täglichen Arbeit und der Suche nach neuen Nachweismöglichkeiten behindern. "Was nützt es mir, wenn das IOC auf Wachstumshormone testet, aber kein Athlet sie in London einsetzt", sagt Diel. Natürlich werden solche Dopingmittel seiner festen Überzeugung nach in den Trainingsphasen genommen und nicht im Wettkampf in London. In Ländern aber, in denen es keine Trainingskontrollen gibt, so wie sie in Deutschland praktiziert werden, können die Sportler im Vorfeld tun, was sie wollen.

Liste der unbegrenzten Möglichkeiten

Die Liste der Möglichkeiten in Sachen Doping ist so groß, dass sie für den Laien unüberschaubar ist. Unvorstellbar ist sie zudem: Wachstumshormone, die mitunter vor allem in Russland und dem Baltikum aus den Gehirnen Toter gewonnen werden, anabole Steroide, Myostatin-Inhibitoren, Erythropoetin (EPO), so genannte HIF-Stabilisatoren, die die Produktion von EPO zur Bildung roter Blutkörperchen anregen — vieles ist möglich, vieles wird nach Auffassung der Doping-Experten auch angewandt, aber nur weniges ist in Tests nachweisbar. Die Stoffe werden wie die HIF-Stabilisatoren als Pille eingenommen, andere direkt gespritzt oder über Viren-Sphären oder blanke DNA in den Körper eingeschleust.

Körpereigene Dopingsubstanzen

Allein durch Gendoping gibt es eine Fülle an Möglichkeiten, leistungssteigernd in den menschlichen Organismus einzugreifen. Szenarien, die von manchen noch immer für Science Fiction gehalten werden, sind längst Wirklichkeit geworden: Leistungssteigerung durch Manipulation der Gene. Die eigentlich wirksamen Dopingsubstanzen werden dabei erst im Körper des Menschen gebildet und die Erbsubstanz, die man von außen zuführt, ist identisch mit der menschlichen. Von ihr also nicht zu unterscheiden.

Wachstumshormone, Blutbildungshormone, Schilddrüsenhormone und andere Dopingmittel sind überflüssig, weil der Körper sein eigenes Dopingmittel selbst produziert. Um das zu schaffen, werden veränderte Genabschnitte in Viren oder nackte DNA eingebaut und in den Körper injiziert. Dieses Verfahren kommt eigentlich aus der Gentherapie, die versucht, auf diese Weise in der Zukunft den Menschen zu helfen, die unter schweren Erbkrankheiten leiden. Menschen, die zum Beispiel an genetisch verursachtem Muskelschwund erkrankt sind.

Die Athleten suchen mit der Anwendung von Gendoping nach Möglichkeiten, die Skelettmuskulatur oder die Sauerstoffversorgung des Gewebes zu verändern. Oder es geht darum, Energie anders bereitstellen zu können. Myostatin-Inhibitoren zählen zu den Gendopingmitteln. Sie sorgen dafür, dass das Myostatin, das eigentlich Muskelwachstum bremst, ausgeschaltet wird.

Auch ohne Training wachsen dann die Muskeln. Sportler, die auf anabole Steroide zurückgreifen, müssen trotz Dopings härter arbeiten. Sie müssen die Muskulatur erst einmal auftrainieren, die beim Einsatz von Myostatin-Inhibitoren quasi im Schlaf wächst. Eingesetzt wird dieses Prinzip in der landwirtschaftlichen Tierzucht: Superrinder entstehen auf diese Art und Weise.

Für Gold den Tod in Kauf nehmen

Die Folgen sind nicht abschätzbar. "Aus klinischen Studien ist bekannt, dass es massive Nebenwirkungen gab", erklärt Diel, der Mitglied im Zentrum für Präventive Dopingforschung der Deutschen Sporthochschule in Köln ist. Über konkrete Nebenwirkungen schweigt er sich aus, doch ist bekannt, dass der Einsatz solcher Mittel tödlich sein kann.

Dass Athleten das für den sportlichen Sieg in Kauf nehmen, ist bekannt: 1982 befragte der amerikanische Wissenschaftler Bob Goldmann erstmals Spitzensportler und zwölf Jahre später ein weiteres Mal. Er wollte von ihnen wissen, ob sie um eine olympische Goldmedaille zu gewinnen bereit seien, ein Mittel einzunehmen, an dem sie fünf Jahre später sterben werden. Das Gewicht der Antworten fiel immer gleich aus. Die Hälfte der Athleten würde sich auf dieses folgenschwere Geschäft einlassen.

Bei Olympia kommt Gendoping zum Einsatz

Diel hat eine genaue Ahnung davon, was auch in London olympische Sportler bereit sind, zu tun. "Es gibt konkrete Gerüchte aus der Szene, dass es Leute gibt, die Myostatin-Inhibitoren verwenden. Diese Gerüchte gibt es aus Kontrollkreisen heraus", sagt er.

Trotz dieses Wissens komme man aber an die Sportler nicht ran, die über natürliche sportliche Höchstleistung hinaus zum Überathleten mutieren wollen und es in gewisser Weise sogar müssen. Alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, solchen Formen von Doping auf die Schliche zu kommen, sind nicht zugelassen.

Dieses Schicksal teilt auch Neurowissenschaftler Prof. Dr. Dr. Perikles Simon von der Universität Mainz, der in Zusammenarbeit mit Tübinger Kollegen einen Bluttest entwickelt hat, der Gendoping mit EPO und auch einigen anderen Genen nachweisen lässt.

(wat)
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