Atemstörungen durch Speck am Bauch Viele Dicke schlafen schlecht

Düsseldorf (RP). Die Deutsche Gesellschaft für Schlafmedizin hat in Düsseldorf getagt und das drohende Bild einer übergewichtigen Gesellschaft an die Wand geworfen, die zunehmend auch an Atemstörungen leidet. Die Statistiker können das beweisen. Doch manche Krankheiten bekommen auch Dünne.

 Im Schlaf nimmt die Muskelspannung ab.

Im Schlaf nimmt die Muskelspannung ab.

Foto: ddp, ddp

Die Deutschen werden immer dicker — und deshalb schlafen sie auch mieser. Warum? Speck am Bauch drückt's Zwerchfell hoch. Dann hat die Lunge weniger Platz, um sich bei Einatmung auszudehnen. Folge: schlechtere Belüftung und Luftnot. Nachts, wenn die Muskelspannung geringer ist, hat es die Lunge noch schwerer, unter den Massen, die sie belasten, belüftet zu werden. Folge: Auch das Herz muss noch mehr arbeiten. Zusätzlich wird der Rachenquerschnitt durch das Fettgewebe kleiner; Engstellen entstehen. Und plötzlich atmet da einer nachts nicht mehr — und wird mit einem Schnarcher wieder wach. "Willi, du hast heute Nacht wieder viele Aussetzer gehabt", sagt die besorgte Ehefrau am Morgen. Willi antwortet: "Ich fühle mich jedenfalls todmüde!"

Bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin in der Düsseldorfer Heine-Universität konnte man sich ein Bild von den komplexen gesundheitlichen Problemen machen, an denen die adipöse Gesellschaft laboriert. "Ein großer Teil der übergewichtigen Patienten, die mit Herzbeschwerden in kardiologische Kliniken kommen, leidet außerdem an einer SBAS, also einer schlafbezogenen Atmungsstörung", vermutet Professor Winfried J. Randerath, Chefarzt für Pneumologie und Schlafmedizin am Krankenhaus Bethanien in Solingen. Neue Studien belegen diese Zahl.

Im Umkehrschluss können Herzprobleme verschwinden, falls Patienten von Schlafstörungen wie Schlafapnoe oder Hypoventilation (mangelhafte Eigenatmung) geheilt werden. "Wir erleben nicht selten, dass sich bei herzkranken Schlafapnoikern durch die Maskentherapie etwa eine wesentlich verbesserte linksventrikuläre Ejektionsfraktion zeigt", berichtet Hartmut Grüger, Oberarzt der Kaiserswerther Diakonie. Damit meint er: Der Patient kann seine Herzpumpfunktion normalisieren, wenn er die Schlafapnoe los wird. Spannend war in Düsseldorf zu begreifen, dass sich die mit nächtlichen Atemaussetzern und Tagesmüdigkeit meldende obstruktive Schlafapnoe, die Unheilformel der automobilen Gesellschaft, nicht allein durch Engstellen im Hals meldet. "Vielmehr wird durch das häufige Schnarchen die Muskulatur im Hals so ramponiert, dass sie einen so genannten neurogenen Vibrationsschaden erleidet", sagt Randerath.

Tatsächlich erreichen Vibrationen von Schnarchern im Hals einen gewaltigen Schalldruck. Wenn die geschädigten, unsensibel gewordenen Muskeln im Hals am Atmungsvorgang nicht mehr richtig mitwirken, wird er schon zu Beginn unterbrochen oder jedenfalls nachhaltig behindert.

"Viele Menschen werden nachts von ihrem eigenen Schnarchen gestört, kriegen es aber nicht mit, weil sie das Schnarchen nicht bewusst erleben", verrät Wolfgang Wirtz, Oberarzt am Schlaflabor des Mönchengladbacher Kamillianer-Krankenhaus. In der Polysomnografie, der hochpräzisen und vielseitigen Beschreibung nächtlicher Schlaf- und Atemvorgänge in einem Schlaflabor, treten solche Zusammenhänge offen zutage. "Auch diese Patienten können einen fragmentierten Schlaf haben und wundern sich, wieso sie am Tag müde sind", sagt Randerath.

Solche Aufwachvorgänge erleben Apnoiker vielfach pro Nacht — weil das Gehirn die Sauerstoff-Entsättigung bei und nach Aussetzern im Blut registriert und den Körper unter Stresshormonausschüttung brutal erwachen lässt. Doch es erwacht nicht der ganze Schlafende, sondern nur sein physiologisches System. "Arousal" heißt das in der Medizin. "Je mehr Arousals sich nachts ereignen, desto schädlicher für den Patienten", sagt Wirtz. Sie erhöhen das Risiko für Herz- und Kreislauferkrankungen erheblich.

Es sind nicht nur dicke Erwachsene, die Schlafmedizinern Sorgen machen. Auch Dünne haben, wenn auch seltener, schlafbezogene SBAS. "Sogar immer mehr Kinder", weiß Grüger, "leiden an ihnen und sind tagsüber müde, unkonzentriert, schlechter in der Schule". Oft heilt sie die Entfernung von Mandeln oder Polypen. Einige dicke Buben, die japsen, müssten allerdings bloß Ausdauersport machen.

(RP)
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