Für Wissenschaftler oder Matschkünstler Welcher Kindergarten passt

Dortmund · Im Kindergarten werden entscheidende Weichen gestellt, heißt es. Manche Eltern haben die Auswahl zwischen verschiedenen Betreuungsformen. Doch ob Waldorf, Montessori oder konfessionelle Einrichtung: Das pädagogische Konzept ist nur ein Faktor von vielen.

Für Wissenschaftler oder Matschkünstler: Welcher Kindergarten passt
Foto: dpa, Martin Schutt

Der Kindergarten ist oft der erste Ort, an dem Eltern ihre Kinder in fremde Hände geben. An Auswahl mangelt es ihnen nicht: Es gibt städtische und konfessionelle Kindergärten, Tageseltern und den Waldkindergarten, Montessori, Waldorf oder Reggio. Eltern, die für ihren Nachwuchs eine Tagesbetreuung suchen, haben die Qual der Wahl - theoretisch.

Die Praxis sieht häufig anders aus: "Viele Eltern müssen ihr Kind schlicht in die Einrichtung geben, in der sie einen Platz erhalten und die zu den eigenen Arbeitszeiten passt", sagt Doris Feldmann vom Verband für Bildung und Erziehung. Wer jedoch wählen kann, sollte dieses Privileg nutzen. "Denn die verschiedenen Konzepte unterscheiden sich mitunter stark, und nicht jedes ist für alle Kinder gleichermaßen geeignet." Die Betreuungskonzepte lassen sich dabei nicht in "richtig" und "falsch" einteilen. "Es hat jedoch keinen Sinn, sein Kind beispielsweise in einen Waldorf-Kindergarten zu geben, wenn die Eltern nicht von dem pädagogischen Konzept überzeugt sind", erklärt Feldmann. Dieses basiert auf einer spirituellen Weltanschauung, definiert vom österreichischen Philosophen Rudolf Steiner.

Verschiedene Pädagogstile

Bei der Reggiopädagogik sollen sich Kinder individuell nach ihren Möglichkeiten entfalten können und wie Wissenschafter die Welt entdecken. Die Erzieher bieten keine Lösungen für Probleme an, sondern hören lediglich zu und beantworten Fragen. Die Montessori-Kindergärten folgen dem Prinzip "Hilf mir, es selbst zu tun". Gemeint ist, dass Erzieher die Kinder aus der Distanz beobachten und nur selten eingreifen. Dies soll die Entwicklung des eigenen Selbst unterstützen - ein Ansatz, der nach Überzeugung von Montessori-Pädagogen insbesondere schüchternen oder entwicklungsverzögerten Kindern entgegenkommt. Bei der Entscheidung für eine der Betreuungsformen sollten sich Eltern aber nicht nur am Charakter ihres Kindes orientieren. Zwar könne es sinnvoll sein, ein schüchternes Kind in eine kleine Gruppe zu geben. "Dafür können jedoch theoretisch sowohl ein Montessori-Kindergarten als auch eine städtische Einrichtung oder aber Tageseltern infrage kommen", sagt Feldmann.

Eltern helfe es oft mehr, wenn sie mit den Erziehern über Erwartungen und Wünsche sprechen und gemeinsam überlegen, in welcher Gruppe ihr Nachwuchs am besten aufgehoben ist. Ein temperamentvolles Kind passe am besten in eine kleine Gruppe mit eher ruhigen Kindern. "Hier könnte eine Tagesmutter die richtige Wahl sein, denn in den vergleichsweise kleinen Gruppen ist die Reizüberflutung eher gering", erklärt Eveline Gerszonowicz vom Bundesverband für Kindertagespflege in Berlin.Auch die Erziehungswissenschaftlerin Iris Nentwig-Gesemann empfiehlt, sich nicht nur am pädagogischen Konzept einer Einrichtung zu orientieren. "Als erstes sollten sich Eltern fragen: Was braucht mein Kind?" Jedes Kind sei anders, habe seine besonderen Bedürfnisse und Potenziale, sagt Nentwig-Gesemann, die an der Alice Salomon Hochschule in Berlin den Studiengang Erziehung und Bildung im Kindesalter leitet. Danach sollten sich Eltern fragen, was sie selbst von der Einrichtung erwarten und ob deren pädagogische Arbeit dem entspricht, was sie sich für sich und ihr Kind wünschen.

Dem Alltag anpassen

Manche Eltern verfechten die Idee, dass der Kindergarten Sohn oder Tochter vor allem das bieten soll, was sie im Alltag nicht erleben. Das kann aber schiefgehen, warnt Doris Feldmann: "Wer selten mit seinem Kind in den Wald geht, sollte sich nicht unbedingt für einen Natur- und Waldkindergarten entscheiden." Zu groß sei die Gefahr, dass sich das Kind dort fremd fühlt. Für Familien, die oft mit ihren Kindern in der Natur unterwegs sind, könnten solche Einrichtungen hingegen ideal sein. In der Regel gibt es dort ein eigenes Waldstück. "Die Kinder können Landschaften aus Matsch, Wasser, Steinen und Ästen entstehen lassen oder mit Baumscheiben und Blättern herumwerkeln", sagt Ute Schulte Ostermann, Vorsitzende des Bundesverbandes der Natur- und Waldkindergärten in Deutschland. "Eigentlich immer, aber insbesondere bei Kleinkindern sollten sich die Eltern über die Ausbildung der Fachkräfte informieren", rät Nentwig-Gesemann. Die Betreuer müssen eine fach- oder hochschulische Ausbildung haben und idealerweise darüber hinaus eine Zusatzqualifikation für die Arbeit mit Säuglingen und Kleinstkindern.

Eveline Gerszonowicz vom Bundesverband für Kindertagespflege in Berlin bringt in diesem Punkt Tagesmütter und -väter in Spiel: "Sie kümmern sich meist um höchstens fünf Kinder, so dass eine individuelle Betreuung möglich ist." Laut Nentwig-Gesemann sind kleine Gruppen besonders bei sehr jungen Kindern optimal für die Entwicklung. Ideal sei der sogenannte Betreuungsschlüssel, wenn maximal sechs Kinder auf eine Fachkraft kommen. "Noch idealer wären natürlich nur drei bis vier Kinder." Zugleich rät die Erziehungswissenschaftlerin, die tägliche Arbeit genauer unter die Lupe zu nehmen. Dazu können Eltern beispielsweise in mehreren Einrichtungen hospitieren: "Wie reagieren die Fachkräfte in Konflikt- oder Stresssituationen, wird jedes Kind wahr- und erstgenommen, fühlen sich die Kinder wohl, sind sie glücklich?", zählt Nentwig-Geseman als Kritierien auf.

(dpa)
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