Schwangerschaftsvergiftung Tödliche Gefahr für Schwangere und Ungeborenes

Düsseldorf · Präeklampsie, auch Schwangerschaftsvergiftung genannt, ist eine der gefährlichsten Krankheiten für werdende Mütter und deren ungeborene Kinder. Im schlimmsten Fall nimmt bei dieser schwangerschaftsbedingten Krankheit ein Krampfanfall Mutter und Kind das Leben.

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Foto: NGZ

"Präeklampsie ist neben schweren Blutungen und Infektionskrankheiten eine der drei Haupttodesursachen für Mutter und Kind. Nahezu 70.000 Mütter sterben pro Jahr weltweit an Präeklampsie", sagt Prof. Ananth Karumanchi von der Harvard Medical School. Doch er ist sich sicher, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt. Vor allem in den Entwicklungsländern, in denen schwangere Frauen in der Regel keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben, wird die Präeklampsie oft nicht diagnostiziert. Sie verläuft dann für Mutter und Kind tödlich.

Wie sich die Symptome bemerkbar machen

Meist beginnt die Krankheit im sechsten oder siebten Monat ganz schleichend und unbemerkt. "Die Präeklampsie tritt bei circa fünf bis acht Prozent aller Schwangeren nach der 20. Schwangerschaftswoche auf und ist mit erhöhtem Blutdruck und dem Verlust von Eiweiß im Urin verbunden", erklärt Prof. Dr. Peter Mallmann, Direktor der Universitätsfrauenklinik Köln. Manche Frauen bemerken zu Beginn Kopfschmerzen, die durch den Bluthochdruck verursacht sein können. Nicht immer verläuft die Erkrankung gleich schwer. In Deutschland sterben nach Angaben des Kölner Facharztes bei der Geburt jährlich fünf Frauen an den Folgen der Präeklampsie.

Auch für die Kinder bedeutet eine Schwangerschaftsvergiftung höchste Gefahr. Schätzungsweise 15.000 - 20.000 Kinder holen die Klinikärzte aufgrund einer Präeklampsie jedes Jahr vorzeitig auf die Welt. Sie nehmen durch diese Notfall-Frühgeburten schwere Komplikationen in Kauf, die bei den Babys auftreten können: Hirnblutungen zählen dazu, Atemnot, irreversible Augenschäden oder Organversagen. Je nach Entwicklungsstadium des Kindes können lebenslange, schwere Behinderungen die Folge sein. Die Ärzte haben in dem Bemühen, das Kind zu retten jedoch keine andere Wahl.

Therapien noch in der Testphase

Denn bislang gibt es für die Präeklampsie keine Therapie. Um das Leben der schwangeren Mutter und das des Kindes zu schützen, bleibt einzig der Kaiserschnitt, der mit hohen Gefahren für das Kind verbunden ist. Denn sobald das Kind auf der Welt ist, klingen die Symptome bei der Mutter ab. Trotzdem drohen der Frau Spätfolgen wie Herzinfarkt, Bluthochdruck und Schilddrüsenerkrankungen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Baby bei der Geburt stirbt oder mit Behinderungen überlebt, beträgt je nach Schwangerschaftsalter bis zu 80 Prozent. Je länger das Kind im Mutterleib bleiben kann, desto höher sind die Chancen, dass es überlebt.

Lange waren die Ursachen der Krankheit unbekannt. In langer Forschungsarbeit aber ist man dem Rätsel rund um die Entstehung der Präeklampsie einen Schritt näher gekommen. In jahrelanger Forschungsarbeit entdeckte Prof. Karumanchi, dass zwei Eiweiße, die die Placenta der Mutter ausschüttet, mit der Entstehung einer Schwangerschaftsvergiftung zusammenhängen. Das Protein PlGF (Placental Growth Factor), sorgt dafür, dass Blutgefäße zur Placenta wachsen, damit der Fötus im Mutterleib mit Nährstoffen versorgt werden kann. Sein Gegenspieler sFlt-1 (soluble fms-like tyrosine kinase-1) hemmt hingegen das Gefäßwachstum und bindet PlGF, so dass dieses nicht mehr wirken kann.

Proteinungleichgewicht sorgt für Vergiftung

In einer normalen, gesunden Schwangerschaft stehen die beiden Proteine in einem gesunden Verhältnis zueinander. Nicht aber bei Schwangeren, die an Präeklampsie leiden. Bei ihnen liegt ein Missverhältnis zwischen den beiden Proteinen vor: sFlt-1 ist im Übermaß vorhanden, PlGF hingegen in geringem Maß. Das führt zu einer schlechteren Durchblutung der Placenta und somit häufig zu einer Unterversorgung des Fötus. "Da bei einem Mangel an PlGF die Blutgefäße verengt sind, entwickelt sich bei der Mutter Bluthochdruck, das Hauptsymptom der Präeklampsie. Außerdem ist die Niere betroffen, was sich durch erhöhte Eiweißausscheidung im Urin bemerkbar macht", erklärt der amerikanische Forscher auf einem Symposium des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) Berlin.

Während die Präeklampsie früher nur anhand dieser Symptome, also Bluthochdruck und Eiweiß im Urin, diagnostiziert werden konnte, ermöglichen die Erkenntnisse von Prof. Karumanchi heute eine Früherkennung. Schon vor Auftreten der ersten Symptome kann im Blut nachgewiesen werden, dass das Verhältnis von sFlt-1 und PlGF krankhaft verändert ist. So können gefährdete Patientinnen frühzeitig überwacht werden. Das kann helfen, schwere Verläufe, die zu Krampfanfällen und Leberversagen führen können, zu verhindern.

Bluttest zur Früherkennung

Die Charité - Universitätsmedizin Berlin setzt bereits seit Anfang 2009 einen Bluttest zur Früherkennung von Schwangerschaftsvergiftung ein. Bestätigt sich der Krankheitsverdacht, folgt eine intensive Überwachung von Mutter und Kind. Die Gynäkologen spaltet die Anwendung solcher Tests allerdings in zwei Lager. Während die einen sie als hilfreiches Diagnoseinstrument sehen, befürchten andere, dass Schwangere, die frühzeitig von ihrem Risiko zur Schwangerschaftsvergiftung erfahren, eine Schwangerschaft in Angst und Schrecken erleben. Und das zudem mit der Aussicht, keine nachweislich hilfreiche Therapie an der Hand zu haben.

Hoffen auf eine Therapie

Hoffnung mag da die Ankündigung des amerikanischen Wissenschaftlers Prof. Karumanchi machen, der ein neues Verfahren entwicklet hat, das es ermöglichen soll, das schädliche sFlt-1 aus dem Blut der Schwangeren herauszufiltern. In einer Pilotstudie, die Prof. Ravi Thadhani gemeinsam mit Nephrologen und Geburtshelfern aus Köln und Leipzig durchgeführt hat, konnte bei fünf Präeklampsie-Patientinnen durch eine einzige Behandlung der sFlt-1-Spiegel gesenkt werden. Bei drei weiteren Frauen mit einer besonders schweren Form der Präeklampsie gelang es außerdem nach Auskunft der Universitätskliniken Köln, durch wiederholte Behandlungen den Blutdruck zu stabilisieren und die Schwangerschaft zu verlängern, was der Gesundheit der Neugeborenen zu Gute kam. Noch aber ist dieses Verfahren nicht marktreif. Weitere Studien erst werden belegen, ob die Erfolge zuverlässig wiederholt werden können und ob das Verfahren tatsächlich sicher ist.

Möglichkeiten vorzusorgen

So bleiben die Vorsorgemittel in Sachen Schwangerschaftsvergiftung für den Augenblick dieselben wie bislang: "In der Schwangerenbetreuung versuchen die behandelnden Gynäkologen die Frühzeichen der Präeklampsie zu erkennen, nicht aber das individuelle Risiko für die Betroffenen", sagen die Experten der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Dabei sei das durchaus anhand der Vorgeschichte der werdenden Mutter und der Familie, ihres Körpergewichts (BMI), des mütterlichen Blutdrucks, einer Ultraschalluntersuchung der mütterlichen Gebärmuttergefäße sowie eines Bluttests möglich. Bei einem erhöhten Risiko können die Kontrollen vor allem zu Beginn des dritten Schwangerschaftsdrittels intensiviert werden.

Die Medizinische Arbeitsgemeinschaft berichtet zudem von einer Metaanalyse, die Möglichkeiten einer Prävention in diesem Bereich zeige: War das Risiko der Schwangeren erhöht, eine Schwangerschaftsvergiftung zu entwickeln, wurde den werdenden Müttern bereits vor Erreichen der 16. Schwangerschaftswoche eine Gabe von 100 Milligramm Acetylsalicylsäure verabreicht. In der Studie konnte so das Risiko einer schwangerschaftsbedingten Bluthochdruckkrankheit auf die Hälfte reduziert.

(wat)
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