Jackson C. Frank Bis in den Tod betrübt

Eine neue Compilation zeigt, warum der 1999 verstorbene Folkmusiker Jackson C. Frank zu Unrecht von der Geschichte vergessen wurde.

Jackson C. Frank: Bis in den Tod betrübt
Foto: Label / Martin Ferl

Im Pop trifft es nicht immer die Falschen, aber bei weitem nicht alle Richtigen. Für jeden Musiker, der es schafft, bleiben hundert auf der Strecke. Jackson C. Frank ist nicht mal auf der Strecke geblieben, er wurde in den Straßengraben gekehrt.

Der Amerikaner ist von den einflussreichen Folkmusikern der unbekannteste, was auch daran liegt, dass er nur eine Platte veröffentlicht hat — 1965, sie hieß wie er — und danach auf immer verschwand. Was ihm heute an Ruhm bleibt, und es ist wirklich nicht viel, das bewahren Enthusiasten, die ihn nicht vergessen. Er verstarb 1999, einen Tag nach seinem 56. Geburtstag, an einer Lungenentzündung.

Im Krankenhaus lernt er Gitarre spielen

Gerade ist die Zusammenstellung "Fixin‘ To Die" erschienen, die Demo-Aufnahmen und Home Recordings von Frank aus den 60ern, 70ern und 90ern enthält. Sie waren bereits 2003 auf der Compilation "Blues Run The Game" erschienen, die jedoch ist längst vergriffen. Man hört auf "Fixin‘ To Die" einen Typen, der je nach Aufnahmezeitpunkt noch alles vor sich hat, oder einen Typen, der nichts mehr vorhat. Wären doch ein paar Weichen in seinem Leben anders gestellt worden.

Vielleicht ist Franks Leben bereits mit elf Jahren im Arsch. Im Musikunterricht fliegt der Klasse der Ofen um die Ohren, alles steht sofort in Flammen. Frank ist einer der wenigen, die überleben. Sieben Monate liegt er im Krankenhaus. Ein Lehrer bringt ihm eine Akustikgitarre vorbei, Frank lernt sie zu spielen. Die Verbrennungen heilen nur langsam, um die psychischen Schäden kümmert sich keiner.

Mit 21 bekommt er 110.000 Dollar von der Versicherung. Frank reist nach England. Mitte der 60er erlebt das Land ein Folk-Revival, und Frank findet in London schnell Anschluss. Er trifft dort auch einen Kerl namens Paul Simon, der ihm anbietet, sein erstes Album zu produzieren. Frank ist nervös, er schirmt sich bei den Aufnahmen mit Leinwänden ab, es dauert, bis er anfängt zu singen mit einer Stimme, die das Gegenteil von Bob Dylan ist. Klar, hell, und doch gefestigt. Nach drei Stunden ist die Platte im Kasten. Angeführt wird sie von dem Song, den sie später alle covern sollten, Nick Drake, John Mayer, die Counting Crows: "Blues Run The Game", der Zeilen enthält wie "When I'm not drinking, baby, you are on my mind". Auch der Rest der Platte klingt nicht so, dass man danach wieder ans Leben glaubt.

Das nächste Drama

Das Album kommt gut an, aber Frank geht es kopfmäßig immer schlechter. Erst gehen ihm die Ideen aus, dann das Geld, er geht zurück in die USA. Während seine früheren Freunde berühmt werden, Simon & Garfunkel, Al Stewart, Bert Jansch, fällt er zurück. Heirat, Tod seines Sohnes, Scheidung, Behandlung, Verarmung. 1984 scheitert er bei dem Versuch, Paul Simon in New York zu finden, landet auf der Straße. Ein Fan findet ihn dort Anfang der 90er, verfettet, körperlich und geistig am Ende, und beschafft ihm eine Bleibe in der Provinz. Noch einmal gibt ihm das Leben einen mit: Kurz vor seiner Abreise schießt ihm ein Junge mit dem Luftgewehr ein Auge raus.

Die einen Musiker treffen im Alter auf Rick Rubin, die anderen vegetieren mit staatlicher Unterstützung zuhause herum. Frank schreibt noch gelegentlich neue Songs, einige davon sind auf "Fixin‘ To Die" enthalten, die letzten sind zwei Jahre vor seinem Tod entstanden. Sie zeigen einen Musiker, der dem Leben nichts mehr abtrotzen möchte, die schlichten wie immer nur mit der Akustikgitarre gespielten Songs tragen Titel wie "I don‘t want to love you no more" oder "Goodbye to my loving you", er singt über den Tod seines Sohnes, über Frauen, die ihn zu tief geschnitten hätten. Seine Stimme ist gezeichnet, aber noch immer ist da bisweilen eine Zartheit, ein Trost. Die Aufnahmen haben im besten Fall Demo-Qualität, die letzten klingen, als habe er einen Kassettenrekorder genutzt, manchmal hört man ihn schnaufen. Vielleicht macht sie das noch eindringlicher. Man stellt sich vor, wie er auf dem Sofa liegt, auf Aufnahme drückt und spielt, solange es noch geht.

Es sind keine überragenden Stücke, es sind bisweilen nur Skizzen, aber wer sich Songs wie "Mystery" oder "(Tumble) in the wind" anhört, ganz genau anhört, der wird mit Kloß im Hals begreifen: Vielleicht hätte es Jackson C. Frank nie schaffen können, seine Songs aber hätten es schaffen müssen.

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