Jupp testet die Welt 24 Stunden mit Schnurrbart

Düsseldorf (RPO). Ich trage eine blaue Jeans und meine Ärmel hochgekrempelt. Alles wie immer, und doch weicht mein Aussehen um acht Zentimeter vom Alltag ab. Noch vor wenigen Minuten hatte ich einen Vollbart – stehengeblieben sind acht pelzige Zentimeter. Sie sollen die kommenden 24 Stunden meine Oberlippe zieren – ein Alltagstest.

Düsseldorf (RPO). Ich trage eine blaue Jeans und meine Ärmel hochgekrempelt. Alles wie immer, und doch weicht mein Aussehen um acht Zentimeter vom Alltag ab. Noch vor wenigen Minuten hatte ich einen Vollbart — stehengeblieben sind acht pelzige Zentimeter. Sie sollen die kommenden 24 Stunden meine Oberlippe zieren — ein Alltagstest.

Los geht's. Ich laufe die vier Treppen zur Straße hinunter. Mit jeder Stufe wachsen die Zweifel. Nein, so will niemand freiwillig in die Öffentlichkeit treten.

Die Gedanken schweifen in Richtung Sport. 1990. Fußball-Weltmeisterschaft. Aus Rudi Völlers Trikot recken nicht nur zwei Arme den Weltmeisterpokal in die Höhe. Es guckt auch ein Lockenkopf samt "Schnorres" aus dem Kragen. 2007 steht die gesamte Handball-Nationalmannschaft in Anspielung auf ihren Trainer mit einem Gesichtsbalken parat, als sie die begehrteste Trophäe ihrer Zunft überreicht bekommt.

Doch die überschwängliche Freude, nun zum Kreis der Schnubbi-Träger zu gehören, nimmt mit Erreichen der Haustür ein jähes Ende. Jetzt muss ich es tun. Mit Schnurrbart auf die Straße treten.

Der erste Weg führt mit Hündin "Elli" an den Rhein. Sie ist eins von nur zwei Lebewesen, die mich an diesem Tag normal finden. Mit ihr an der Leine treffe ich meinen Nachbarn. Noch während ich mich für mein Auftreten entschuldige, bemerke ich, dass auch er dazu gehört. Herr Blum ist stolzer Schnurrbartträger.

Zu den Haaren in meinem Gesicht gesellt sich nun Schamesröte. Doch dann fällt mir die Rettung aus dem knietiefen Fettnäpfchen ein. Wir einigen uns darauf, dass ein Schnurrbart zumindest in meinem Alter seltsam wirkt. Es ist nicht nur eine Entschuldigung, es ist die Wahrheit. Heiner Brand kann einen Schnurrbart tragen. Rudi Völler und Magnum auch. Und Herr Blum. Aber ich nicht.

Das merke ich wenig später im Park. Es ist ein warmer Sommertag. Also beschließe ich, mich ins Getümmel zu stürzen. Mit verspiegelter Sonnenbrille beobachte ich die Menschen, die mich fassungslos anstarren. Wo immer ich auftrete, ich werde in Sekundenbruchteilen zur zweifelhaften Attraktion. Ein einfacher Schnurrbart macht aus einem Durchschnittsbürger einen Aussätzigen. Einen Freak.

"Ihr habt Mauern eingerissen und Diktatoren gestürzt. Aber meinen Schnurrbart bekommt ihr nicht", denke ich im Halbschlaf gesellschaftskritisch. Doch schon am nächsten Morgen sieht alles anders aus. Der verschreckte Aufschrei meiner Freundin reißt mich aus dem Tiefschlaf. Sie wirkt sehr bestimmt. Diskussion zwecklos: "Der Bart kommt ab!"

(born)
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