Song des Spieltags Leere in den Augen

Düsseldorf · Unser Autor Andreas Buchbauer stellt an jedem Montag den Song des Spieltages und seine Geschichte vor. Denn an jedem Wochenende lehren die TV-Kommentatoren : "Solche Geschichten schreibt nur der Fußball" – und jede hat einen Soundtrack verdient. Diesmal: "It's All Over Now, Baby Blue" von Bob Dylan.

 Wenn's am schönsten ist, soll man aufhören. Oder wenn's am schlimmsten ist.

Wenn's am schönsten ist, soll man aufhören. Oder wenn's am schlimmsten ist.

Foto: dpa, Carmen Jaspersen

Unser Autor Andreas Buchbauer stellt an jedem Montag den Song des Spieltages und seine Geschichte vor. Denn an jedem Wochenende lehren die TV-Kommentatoren : "Solche Geschichten schreibt nur der Fußball" — und jede hat einen Soundtrack verdient. Diesmal: "It's All Over Now, Baby Blue" von Bob Dylan.

Das mit dem tiefen Blick in die Augen ist so eine Sache. Er kann Liebende zusammenschweißen und sagen: Ja, alles recht so. Er kann guten Freunden zeigen, wie eng sie der lange, steinige Wege, den sie zusammen zurückgelegt haben, zusammengeschweißt hat: blindes Verständnis. Aber er kann auch gar nichts auslösen, statt tief einfach nur noch leer sein. Daran sollten sie sich bei Bayer Leverkusen erinnern. Entfremdete schauen einander nicht mehr in die Augen. Wolfgang Holzhäuser, Sprecher der Geschäftsführung bei Bayer Leverkusen, kann sich diesen letzten Blick in die Augen von Michael Ballack daher sparen. Holzhäuser hat ja schon angedeutet, dass die Liaison zwischen Bayer und Ballack ein Missverständnis war. Die Zeichen stehen auf Trennung. Bei jedem Bild, das derzeit von Bayer und Ballack gezeigt wird, klingt Bob Dylans "It's All Over Now, Baby Blue" mit durch.

Das ist schön, weil es den Kitsch weglässt und es keinen Platz für Hollywood-Quatsch gibt. "Schau mir in die Augen und sag mir, dass da nichts mehr ist" — das gibt es nur auf der Leinwand oder in leicht derangierten Liebesbeziehungen. Deshalb wirkt es so bemüht, wenn die Bayer-Verantwortlichen sich jetzt vor jede TV-Kamera stellen und Stellung beziehen müssen, während Ballack schweigt. The thrill is gone, und es sah schon seit Langem nach Zweckgemeinschaft aus. Ballacks Schweigen wird zur Interpretationssache, jeder kann es nach seiner Fasson auslegen. Als professionell, als arrogant, unerzogen, sogar als Schweigen eines Gentlemans. Der öffentliche Mensch hat es schwer, wenn etwas kaputt geht. Es gibt kein richtiges Verhalten bei einer Trennung. Über Demi Moore gibt es üble Zusammenbruchsgerüchte, nachdem Ashton Kutcher sie verließ. Heidi Klum wirkt auf den jüngsten Bildern sehr gefasst, trotz Ehe-Aus. Ballack sitzt auf der Ersatzbank, läuft sich warm, und geht dann duschen. Danach: Stille.

Diese Stille könnte ein Vorgeschmack auf das sein, was von Ballacks Laufbahn übrigbleibt. Er war ein herausragender Sportler, er war Deutscher Meister, aber es mangelt an den ganz großen, den emotionalen Momenten, die man mit ihm in Verbindung bringt. Ballack war auch der ewige Zweite, einer, der das Pech hatte, in ganz wichtigen Spielen auszufallen oder auf dem Feld unsichtbar zu werden, abzutauchen, zu verschwinden. Jetzt reden sie über den schweigsamen Ex-Capitano, der bei seiner zweiten Zeit in Leverkusen nie wieder richtig dort ankam, und der sich selbst nicht äußert — vielleicht, weil es nichts mehr zu sagen gibt. Dylans Zeilen brechen herein: "You must leave now, take what you need, you think will last". Man ahnt: Ballack wird weiterziehen, und das ist gut so. Denn das ist das Beste, das Menschen tun können, die sich entfremdet haben und keine Perspektive mehr sehen, wieder zu einander zu finden: getrennte Wege gehen.

(seeg)
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