Interview "The Wire war eine Qual"

Warum sprechen eigentlich alle immer über Serien, die wir unbedingt gucken müssen? Unser Autor spricht mit Oliver Nagel von Britcoms.de über Serien, die Sie sich sparen können.

 "The Wire" ist die Serie, auf die sich fast alle Kritiker einigen können.

"The Wire" ist die Serie, auf die sich fast alle Kritiker einigen können.

Foto: HBO

Warum sprechen eigentlich alle immer über Serien, die wir unbedingt gucken müssen? Unser Autor spricht mit Oliver Nagel von Britcoms.de über Serien, die Sie sich sparen können.

Bekomme ich Sie dazu, irgendetwas Schlechtes über "Breaking Bad" zu sagen?

Oliver Nagel Ich hätte fast gesagt, dass die Serie zu kurz war. Aber sie war genau richtig lang. Nein, mir fällt nichts ein.

Das Ende war mir zu glatt.

Okay, es war ein wenig zu versöhnlich. Aber das war es auch.

Welche drei Serien sind über jeden Zweifel erhaben und müssen von Anfang bis Ende geguckt werden?

"The Shield", "Parks & Recreation" und… "Breaking Bad" wäre zu einfach, oder?

Wenn's stimmt.

Dann "Breaking Bad".

Komme ich um "Game Of Thrones" herum?

Nein.

Warum nicht?

Weil die Serie es schafft, das Fantasy-Genre, das ich bisher aus vollem Herzen verachtet habe, dem Mainstream zugänglich zu machen.

Fargo?

Es würde Ihnen etwas entgehen, weil es aus einem Film eine Serie macht, ohne dessen Geschichte zu kopieren.

"House Of Cards"?

Ich fürchte, Sie kommen nicht drumherum, aber ich habe auch noch nicht angefangen.

Das ist ein Berg, der immer größer wird.

Genau. Gerade wenn Leute einem so viel vorschwärmen, schwindet die Lust, die Serie tatsächlich zu gucken.

Versuchen wir mal herauszufinden, welche der gefeierten Serien man nicht gucken muss. Welche ist von den herausragenden die schlechteste?

Von "The Wire" hatte ich mir viel mehr versprochen. Das waren sehr lange 60 Stunden. Irgendwann habe ich einfach den Überblick über die 104 Figuren und 71 Erzählstränge verloren. Das war wie ein russischer Roman.

War es eine Qual?

Tatsächlich. Nur um sagen zu können: Ich habe es gesehen. So wie man eben Goethe und Schiller liest, aber schnell merkt: Oh Gott, ist das anstrengend. Selbst Amerikaner verstehen ja nicht, was die Figuren in "The Wire" sagen. Die Untertitel helfen auch nicht immer weiter, wenn die Personen in Abkürzungen sprechen.

Hätten die Macher dem Zuschauer entgegenkommen müssen?

Der Erfolg spricht für sie. HBO lebt ja nicht davon, ein möglichst breites Publikum anzusprechen, sondern das Feuilleton und eingefleischte Fans.

Welche Serie wird überschätzt?

Ich kann mit "Dexter” nichts anfangen. Mir ist es vorher fast nie passiert, dass ich eine Serie aus moralischen Gründen nicht weitersehen konnte. Ich kann mich mit niemanden identifizieren, der aus welchen guten Gründen auch immer andere Menschen umbringt. Das erschien mir wie eine Rechtfertigung der Todesstrafe.

Welche Serie kann man sich getrost sparen?

Im Nachhinein hätte ich mir "Lost” sparen können. Neue Serien zeichnet aus, dass es einen Handlungsbogen gibt, der alle Staffeln überspannt und sich am Ende auflöst. Diese Auflösung gibt es bei "Lost” nicht.

Die Macher haben am Anfang nicht gewusst, wie sie es auflösen würden.

Und dann wurde es zunehmend schwieriger, das aufzulösen.

Ich habe schon vergessen, ob das Rauchmonster am Ende erklärt wird.

Bis dahin habe ich gar nicht mehr geguckt, ich bin in der vierten oder fünften Staffel ausgestiegen. Das Ende habe ich nachgelesen.

Ab wann wurde es für Sie albern?

Als diese Anderen ins Spiel kamen und Gefangene machten, die dann in ihren Freiluftgefängnissen vor sich hinschimmelten.

Lohnt es sich überhaupt, eine Serie mit schlechtem Ende zu gucken?

Kann man sich eine Partnerschaft mit einem Menschen sparen, weil man weiß, dass sie böse endet? Eine Serie hat auch eine Bedeutung als konstanter Begleiter. Selbst wenn man irgendwann merkt, dass es eine einseitige Liebe ist, die nicht erwidert wird.

Von Mad Men habe ich nur eine Folge geguckt und dann sofort aufgehört. Zu früh?

Vielleicht ist die Serie einfach nichts für Sie. Was der deutsche Fernsehzuschauer gar nicht wahrnimmt, ist, dass es Serien gibt, die auf eine sehr spezielle Zielgruppe zugeschnitten sind. In Deutschland wird immer versucht, Fernsehen für alle zu machen. Und das ist dann Fernsehen für niemanden.

Wann steigen Sie aus einer Serie aus?

Ich steige erst gar nicht ein. Entweder bin ich schon so informiert, dass ich weiß, was ich zu erwarten habe, oder ich merke nach der ersten Folge, dass es mich nicht genügend interessiert, um die zweite zu gucken. Es fehlt dann einfach der Impuls.

Bei welchen Serien werden Sie nie einsteigen?

Ich habe überhaupt kein Interesse an Krimis. Die Frage, wer der Täter ist, interessiert mich nullkommanull. Schon als Kind habe ich so viele Krimis gesehen, dass ich darauf keine Lust mehr habe.

Bei welcher Serie sollte man ab einer bestimmten Staffel aussteigen?

"Community” ist so ein Fall. Da können Sie spätestens ab der vierten Staffel aufhören.

Lohnt es sich, auch mal schlechte oder mittelmäßige Serien zu gucken?

Das kommt darauf an, ob Sie ironiebegabt sind. Ich habe mal für "Switch reloaded” geschrieben und musste mir viele Serien ansehen. Da habe ich festgestellt, dass es mir sehr leicht fällt, Serien zu gucken, die sehr schlecht oder sehr gut sind. Ich habe "Um Himmels willen” sehr schätzen gelernt. Die Schauspieler laufen da wie an Marionettenfäden herum und sagen so erwartbare Sachen, ein Wahnsinn aus der heilen Welt. Es ist wie Bekifftsein, ohne dass man was rauchen müsste. So etwas kann man gut parodieren. Das geht mit einer mittelmäßigen Serie wie "The Mentalist" sehr schwer, weil der Hauptdarsteller eine schlechte Version von Sherlock Holmes ist. Allein ermittelnde Sonderlingen haben wir einfach schon zu häufig gehabt.

Die Briten machen das sehr gut. Deren Serien haben nur wenige Staffeln und die sind auch sehr kurz. Woran liegt das?

Einer der wichtigsten Gründe ist Geld. In England stehen oft die gleichen Leute hinter und vor der Kamera wie bei "The Office" mit Ricky Gervais. Wenn man also alles machen muss, schafft man nicht so viele Folgen pro Jahr. Da gibt es eben keinen Writer's Room wie in den USA. Die Amerikaner können es sich auch leisten, einem Schauspieler schon einen Vertrag für fünf Staffeln zu geben.

Können Sie andere Serien empfehlen, mit denen man schnell durch ist?

Mich hat die Serie "Spaced” mit Simon Pegg sehr beeinflusst. "Father Ted” fand ich damals wahnsinnig lustig. Eine fantastische Serie mit nur einer Staffel war "Nathan Barley”, eine britische Sitcom. Die Serie führt Hipster vor und obwohl sie von 2005 ist, trifft alles heute noch so zu.

Was schauen Sie sich heute Abend an?

Gute Frage, lassen Sie mich nachsehen... Klar, "The Americans”, die dritte Staffel geht gleich zu Ende.

Ist das für Sie Arbeit?

Auf keinen Fall. Da schaut auch meine Frau gerne mit.

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