Oberhausen 50 Jahre Oberhausener Manifest: "Opas Kino ist tot"

Oberhausen · Ein neues Zeitalter sollte anbrechen, mindestens. Also wählten die Revolutionäre die rhetorische Wendung, mit der neue Könige ausgerufen werden: "Der alte Film ist tot. Wir glauben an den neuen." Das verkündeten 26 Filmschaffende 1962 bei den Kurzfilmtagen in Oberhausen in einer Pressekonferenz, der sie einen Titel gegeben hatten: "Papas Kino ist tot". Er sollte viel zitiert werden.

Die Erneuerer wollten, dass auch in Deutschland Filmemacher irritierende Bildsprachen erfinden, neue Erzählweisen ausprobieren und den künstlerischen Anspruch des Films verteidigen. Schluss mit Schnulzen, Kampf der Konvention, Angriff auf die Kulturindustrie. Auch Deutschland sollte eine Nouvelle Vague, eine Welle des neuen Autorenfilms erfassen.

Vielleicht ist es sehr deutsch, dass Filmemacher wie Peter Schamoni, Alexander Kluge, Edgar Reitz dafür ein Manifest aufsetzten. Sie wollten die Revolution nicht nur durch ihre Filme anzetteln, sondern suchten auch die theoretische Debatte. Und sie wollten die Produktionsverhältnisse reformieren. Ohne Veränderung des Seins – ohne finanzielle Unterstützung der jungen Autorenfilmer – war das Bewusstsein nicht zu verändern, das war eine Erkenntnis im Jargon der Zeit. Und so forderten die Unterzeichner des Oberhausener Manifests heute vor 50 Jahren: "Freiheit von der Beeinflussung durch kommerzielle Partner. Freiheit von der Bevormundung durch Interessengruppen."

Das "Oberhausener Manifest" war also ein Aufruf zur ästhetischen Erneuerung und zugleich der Ruf nach öffentlichen Subventionen. Damals verteilte das Innenministerium 15 Millionen Euro Fördergelder, sonst fühlte sich in der föderalen Bundesrepublik niemand zuständig. Die Manifestler aber rechneten vor, dass für zehn neue Spielfilme fünf Millionen D-Mark Förderung notwendig seien, der Neuanfang nach dem Tod von Opas Kino sollte etwas kosten.

Die Reaktionen darauf waren kritisch bis hämisch. Über die "Obermünchhausener" wurde gespottet, doch das Manifest setzte etwas in Gang: 1965 wurde die öffentliche Förderungseinrichtung "Kuratorium junger deutscher Film" gegründet, Regisseure wie Reitz oder Kluge begannen an neuen Filminstituten etwa in Ulm zu unterrichten. Ab 1965 wurden Regieförderungen vergeben, die es den ersten Manifest-Unterzeichnern ermöglichten, ihren Forderungen nach ästhetischer Erneuerung auch Filme folgen zu lassen. Alexander Kluge drehte "Abschied von Gestern", Edgar Reitz "Mahlzeiten", Haro Senft "Der sanfte Lauf". In den folgenden Jahren legten Regisseure wie Rainer Werner Fassbinder, Hans W. Geissendörfer, Werner Herzog oder Volker Schlöndorff nach. So steht das "Oberhausener Manifest" tatsächlich am Beginn einer Erneuerung des deutschen Films.

Die Freiheit, von der die jungen Filmschaffenden 1962 träumten, ist allerdings eine Utopie geblieben. Filmkunst muss sich rechnen – oder sich Förderrichtlinien anpassen. Künstler wie Peter Kern wissen davon zu berichten.

(RP)
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