London Alfred Brendel graut es vor Verdi

London · Das neue Buch des Pianisten und Autors heißt "Music, Sense and Nonsense".

Erst vor ein paar Wochen machte er wieder von sich reden. "Music, Sense and Nonsense", heißt das Buch, das ein Londoner Verlag herausgibt. Musik, Sinn und Unsinn - allein der Titel ist typisch Alfred Brendel. Über Jahrzehnte galt er als einer der bedeutendsten Pianisten für klassische romantische Musik. Und ganz nebenbei als feinsinniger Musik-Literat - und als Autor mit skurrilem hintersinnigen Humor. Am 5. Januar wird der Ausnahme-Künstler Alfred Brendel 85 Jahre alt.

"Es ist schwer, sich auch nur eine lebende Persönlichkeit vorzustellen, die ein solches Buch produzieren könnte", meint der "Guardian" über den in Großbritannien lebenden Brendel. Und: "Er schreibt wie ein Pianist." In dem neuen Buch ist Neues und Altes zusammengefasst. Vor keinem Thema scheut der große alte Mann zurück. "Falls man im Paradies immerzu Verdi hören muss", schreibt er, "dann würde ich um Urlaub und um einen gelegentlichen Besuch in der Hölle bitten."

Seine Lieblingskomponisten, deren Werke er immer wieder spielte, waren Beethoven, Schubert und Haydn. Brendel war der erste Pianist, der Beethovens Klavierwerke komplett aufnahm. Aber auch als Liedbegleiter fungierte er, etwa für Dietrich Fischer-Dieskau. Er galt während seiner gut fünf Jahrzehnte langen Karriere als hochseriöser, ausgesprochen uneitler Musiker; großmächtige Selbstdarsteller auf der Bühne waren ihm ein Graus. Auch damit hob er sich wohltuend ab.

Und er ist bewusster Kosmopolit, ein Wanderer zwischen den Welten. Der 1931 im nordmährischen Wiesenberg (heute in Tschechien) Geborene hat Deutsche, Österreicher sowie Italiener und Slawen als Vorfahren. Als er drei war, zogen die Eltern an die kroatische Adriaküste. Dort hatte er die erste Begegnung mit Musik, wie er selbst erzählt: Im Hotel seiner Eltern legte er mitunter Schallplatten auf.

Später besuchte er die Schule in Zagreb, wo er mit sechs Jahren den ersten Klavierunterricht bekam. Es folgte ein Studium am Konservatorium in Graz, später in Wien. 1950 zog er endgültig nach Wien, 1970 übersiedelte er nach London. "Ich bin nicht jemand, der Wurzeln sucht oder braucht. Ich möchte so kosmopolitisch wie möglich sein. Ich ziehe es vor, zahlender Gast zu sein. Das ist eine Lektion, die ich im Krieg gelernt habe."

Groß und hager, ein wenig nach vorne gebeugt, stets die altmodische dicke Brille auf der Nase - so kennt ihn sein Publikum. Kritiker loben, er habe niemals extrem gespielt, immer mit dem rechten Maß. Mit Leichtigkeit habe er gespielt, präzise, seriös. Dennoch sei er kein "passiver Befehlsempfänger der Komponisten", wie der "Guardian" meint. Im Dezember 2008 verabschiedete sich Brendel vom Konzertleben - bereut hat er es nie. Er hat ja seinen Zweitberuf.

(DPA)
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