Düsseldorf Als Alfred Hitchcock "Psycho" drehte

Düsseldorf · Die Filmbiografie "Hitchcock" erkundet die Passionen des Meisterregisseurs. Im Mittelpunkt stehen die Dreharbeiten zum Film mit der berühmtesten Duschszene der Welt. Sehenswert ist bereits die Maske von Anthony Hopkins.

Das Schönste an diesem Film sind die Dialoge zwischen Anthony Hopkins und Helen Mirren. Er spielt den berühmtesten Regisseur aller Zeiten, sie ist seine Gattin und Beraterin, und in seinem Kopf entsteht gerade ein Meisterwerk, der Film mit der endgültigen Mordszene. "Was, wenn jemand richtig Gutes einen Horrorfilm drehen würde?", fragt er am Esstisch. Sie weiß natürlich, dass er sich selbst meint, also mag sie nicht antworten, was soll sie auch sagen. "Die Hauptdarstellerin wird in der Mitte des Films sterben", sagt er, "das findest du doch auch gut." Sie trinkt, setzt die Tasse ab, rückt die Brille auf der Nase zurecht und entgegnet: "Töte sie nach 30 Minuten." Er lächelt. So begann das mit "Psycho".

Biopics nennt man Produktionen, die das Leben von Menschen nacherzählen, und "Hitchcock" berichtet aus der Zeit um 1960, als aus Alfred Hitchcock der Gigant wurde. Regisseure galten damals wenig in Hollywood, sie hatten die Schauspielstars gut aussehen zu lassen, das war ihr Job. Hitchcock war der Einzige, der ebenso bekannt war wie etwa Cary Grant, sein Name wurde auf Filmplakaten in derselben Schriftgröße gedruckt wie der des Hauptdarstellers. Er war ein Marketing-Genie in eigener Sache, tauchte selbst in seinen Filmen auf, machte aus seinem massigen Körper ein Logo. Man muss sich das vorstellen: Hitchcock hatte "Fenster zum Hof" gedreht, "Bei Anruf Mord", "Über den Dächern von Nizza" und "Vertigo", um nur einige zu nennen, dennoch wollte niemand "Psycho" mit ihm machen. Ein Film über einen nekrophilen, ödipalen Transvestiten? Nein, danke!

"Hitchcock" setzt nun nach der Premiere von "Der unsichtbare Dritte" ein. Der Film zeigt, wie schwierig es für Hitchcock ist, neue Projekte zu beginnen. Man bietet ihm das "Tagebuch der Anne Frank" an und Ian Flemings Roman "Casino Royale", der ja 2006 mit Daniel Craig als James Bond verfilmt wurde. Aber das alles ist nichts für ihn. Er sitzt daheim in Los Angeles, isst, liest und ergibt sich den Selbstzweifeln. Die Zeitungen fragen, wer wohl "Hitchcocks Erben" sein würden, sie schlagen Claude Chabrol vor und Henri-Georges Clouzot. Hitchcock zeigt den Artikel seiner Frau und sagt: "Warum wollen die Leute neue Hitchcocks, wenn das Original noch da ist?"

Dieser Film ist wunderbar, denn er nimmt sich nicht so ernst. Die Dialoge sind schnell und pointiert, die Schauspieler scheinen sich immerzu zuzuzwinkern in ihren Kostümen – Scarlett Johansson, die Janet Leigh spielt, die Frau unter der Dusche in "Psycho", erlebte man lange nicht mehr so gut gelaunt. Und dann die Maskierung von Anthony Hopkins: Sie ist Verneigung wie Persiflage – die Liebe zum Vorgänger bricht Regisseur Sacha Gervasi mit Ironie, das ist amüsant.

Hier wird unaufdringlich mit den Möglichkeiten des biografischen Erzählens gespielt. Es gibt Traumsequenzen, in denen Hitchcock in Wisconsin steht, im Farmhaus von Ed Gains, jenes Kriminellen, der das reale Vorbild für die Rolle von Anthony Perkins in "Psycho" war. Hitchcock steht neben Gains, er sieht zu, wie der Farmer gruselige Dinge tut, und plötzlich reicht jemand Hitchcock eine Tasse Tee an – genauso, wie es in der TV-Serie "Alfred Hitchcock präsentiert" bisweilen geschah, die damals mit viel Erfolg ausgestrahlt wurde.

Der Film "Hitchcock" ist darüber hinaus faszinierende Kinogeschichte. Man wird daran erinnert, wie wichtig seine Frau Alma Reville für Hitchcock war, für die Entwicklung seiner Arbeiten und für praktische Dinge wie Schnitt und Beleuchtung. Natürlich geht der Film auch auf die Obsessionen des Meisters ein, auf die legendäre Vorliebe für blonde Frauen in schmalen Kleidern und auf die Grausamkeit, mit der er Nichtgehorchen bestrafte. Die Schauspielerin Vera Miles etwa hatte die Hauptrolle in "Vertigo" abgesagt, weil ihr das Familienleben wichtiger war. Fortan besetzte Hitchcock sie nur mehr in Nebenrollen. Er konnte Karrieren ruinieren, denn er pflegte Schauspieler per Exklusivvertrag an sich zu binden. Tippi Hedren, die Hitchcock nach "Die Vögel" sozusagen am ausgestreckten Arm verhungern ließ, nennt ihn noch heute einen "bösen, bösen Mann".

So tritt dem Zuschauer dieser Hitchcock als armes Würstchen entgegen. Dennoch verrät der Film seinen Helden nicht, im Gegenteil, im Scheitern und Fehlen gewinnt er Größe. Hitchcock finanzierte "Psycho" schließlich selbst, weil er keinen Produzenten fand. Er nahm eine Hypothek auf seine Villa auf, drehte mit 800 000 Dollar und in kurzer Zeit. Er trickste die Zensurbehörde aus, die sogar Aufnahmen von Toiletten beanstandete, und gegen Ende sieht man ihn bei der Premiere im Foyer eines Kinos stehen. Hitchcock hatte alle Bücher, die den Fall Ed Gains beschrieben, aufgekauft und Kinobetreiber zu Stillschweigen verpflichtet. Nun naht der Höhepunkt des Films, Hitchcock hebt die Hände. Er dirigiert die Schreie der schockierten Zuschauer, drinnen läuft die Duschszene. Crescendo. Das ist der Triumph.

(RP)
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