"Il Trovatore" In Salzburg wird Verdi reif fürs Museum

Salzburg · In der Neuproduktion von Giuseppe Verdis "Il Trovatore" sind Anna Netrebko und Placido Domingo zu erleben. Doch die Inszenierung enttäuscht.

2011: Anna Netrebko erobert München
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2011: Anna Netrebko erobert München

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Auf keine Premiere ist bei den diesjährigen Salzburger Festspielen derart hingefiebert worden, wie auf die Neuproduktion von Giuseppe Verdis "Il Trovatore". Gleich zwei Publikumslieblinge sind dort zu erleben: Anna Netrebko, deren Kometen-Karriere einst in Salzburg startete, und Placido Domingo, mittlerweile bereits 73 Jahre alt und ins Baritonfach abgewandert. Alle Vorstellungen sind längst ausverkauft und angeblich fünffach überbucht.

So kommt es, dass die Schleppendichte am Premierenabend selbst für Salzburger Verhältnisse bemerkenswert hoch ist und der Glamourfaktor auf Rekordwerte steigt. Als sich dann endlich der Vorhang hebt, gibt er den Blick frei in ein Museum. An blassroten Wänden sind Ikonen der Kunstgeschichte von Lucas Cranach bis Rubens aufgereiht, Porträts, religiöse Tableaus, Marien-Bildnisse. Der lettische Regisseur und Bühnenbildner Alvis Hermanis verlegt die verquaste Handlung in ein Museum und hat sich dazu munter bedient in den Kunstkammern der Welt.

Anna Netrebko sitzt als Museumswärterin mit Nerdbrille am linken Bühnenrand, während Nebenfigur Ferrando als Führer heutig gekleideten Museumsbesuchern mit Zeigestock die Bilder erklärt. Verdis problematische Rückblenden werden so zu Bilderklärungen. Wenig später entert Grandseigneur Placido Domingo als Nachtwächter alias Graf Luna mit Lampe den Ausstellungsraum, und noch besteht Hoffnung, dass Hermanis' verfremdende Museumsidee Verdis dramaturgisch so verzwickte Oper schlüssig aufhellt.

Doch dann schlägt der Kostümschinken mit grausamer Wucht zu: Anna Netrebko erscheint nun als Leonora in roter Renaissance-Samtrobe, wie dem oben hängenden Adelsporträt entstiegen, auch das restliche Personal legt das 21. Jahrhundert zugunsten pompöser Kostüme ab.

Vorab hatte Regisseur Hermanis zu Protokoll gegeben, er wolle die zwei Realitäten von Gegenwart und Vergangenheit mischen, doch der Effekt des Bruchs der Zeiten bleibt verblüffend folgenlos, zumal Hermanis seine Grundidee nur lustlos verfolgt. Die größte Mühe hat er offenbar in die Verschiebetechnik und - Choreographie der Wände gesteckt, die sich laufend umgruppieren und immer neue Alte Meister hereinfahren, bis man von der Wucht der Bilder regelrecht betäubt ist. So realisiert man aber wenigstens nur beiläufig, dass die Personenführung ein Totalausfall ist und es Hermanis nicht im Ansatz gelingt, die Geschichte wenigstens spannend, wenn schon nicht schlüssig zu erzählen. Statt dessen ödes Dekorations- und Rampentheater, gekrönt von konventionellen Chortableaus. Alte, längst ausgestorbene Operngesten erleben ihre peinigende Wiedergeburt und selbst einer so charismatischen Erscheinung wie Domingo gelingt es nur momentweise, Glaubwürdigkeit zu erzeugen.

Auch die Musik rettet diesen Museums-Abend nicht: Daniele Gatti sorgt mit den Wiener Philharmonikern für vorwiegend behäbige Tempi und grobkörnige Effekte. Einige polierte Piano-Stellen beglaubigen zwar die klanglichen Qualitäten dieses Spitzenorchesters, ergeben aber noch keine überzeugende Dramaturgie. Superstar Anna Netrebko lässt ihren dunkelrot grundierten Luxus-Sopran herrlich strömen, präsentiert eine kerniger gewordene Mittellage, gleißende Höhen, riskiert furchtlos dramatische Attacken und ist überhaupt in Bestform. Von einer berührenden Rollendurchdringung aber kann keine Rede sein.

Domingos in die Jahre gekommener Tenor klingt auch im Baritonfach wie ein Tenor, was Wünsche in den unteren Regionen offen lässt, imponiert aber mit immer noch markigem Timbre. Francesco Melli hat als Manrico große Momente, patzt aber bei Spitzentönen. Marie-Nicole Lemieuxs Azucena-Mezzo klingt wenig ausgeglichen, unruhig und in den Höhen spitz, wird aber beim Schlussapplaus stürmisch gefeiert. Wie überhaupt die ganze Produktion einen Sturm der Bravi auslöst. Der allerdings rasch verebbt. Kein Wunder nach drei Stunden pompös eingewickelter Langeweile.

(RP)
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