Die Stimme Algeriens Assia Djebar stirbt mit 78 Jahren
Paris · Sie gilt als die bedeutendste Dichterin der islamischen Welt. Doch das Komitee des Literaturnobelpreises hat sie Jahr für Jahr übergangen. Jetzt ist Djebar mit 78 Jahren gestorben.
Es verging ja kaum ein Herbst, in dem nicht auch ihr Name zu den aussichtsreichsten Kandidaten auf den Literaturnobelpreis gezählt wurde. Bis man sich daran gewöhnte und entsprechend achselzuckend registrierte, wenn die hohe Ehre wieder einmal nicht an Assia Djebar ging, an die bedeutendste Dichterin der islamischen Welt.
Jetzt ist die Autorin und Frauenrechtlerin im Alter von 78 Jahren in einem Pariser Krankenhaus gestorben. Was für eine Chance sich das Stockholmer Komitee mit der Ehrung entgehen ließ! Eine Frau, die in Algerien verwurzelt war und gegen den Schleier und die Unterdrückung der Frau kämpfte; deren Vater ihr das Radfahren verbot und ihr doch das Studium ermöglichte; die ihre Identität als arabische Intellektuelle fand und ihr Denken in der Sprache der früheren Kolonialherren formulierte. Das Französische, so sagte Djebar vor 15 Jahren in Frankfurt, als ihr der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen wurde, habe sie lange Zeit als eine Art Schleier empfunden.
Djebar, die mal in Frankreich und mal in Algerien lebte, trug das Exil und die Grenzen des Exils in sich. Das Französische, das sie von der Muttersprache, der Sprache ihrer Herkunft und Kindheit entfernte, wurde ihr dabei zum Schlagbaum. Diesen Konflikt hat sie in sich ausgetragen und in ihren Büchern öffentlich gemacht.
Assia Djebar erlebt das Wunder, als erste Algerierin an der berühmten "Ecole Normale Supérieure" in Paris zu studieren und zur Kämpferin für die Rechte der Frau zu werden. Eine spiegelbildliche Mitstreiterin fand sie in der zornig protestierenden Fatima, der Tochter des Propheten Mohammed. Die Stimme Assia Djebars wird die westliche und arabische Welt besonders vermissen in Zeiten zunehmender Intoleranz und geistiger Ignoranz.
