Beamten-Armee in Afghanistan

Bürokratische Machtkämpfer vereitelten einen Erfolg der Bundeswehr.

Die Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan haben sich gut geschlagen. Peter Scholl-Latour nannte sie einmal "eine vorzügliche Truppe". Der Misserfolg der Afghanistan-Expedition hat andere Ursachen: Die Bundesregierung hatte kein strategisches Ziel und die höhere Militärbürokratie nicht den Mut zur Kritik. Beide wollten vor allem innerhalb der Nato die USA bei einem internationalen Einsatz unterstützen.

Dies ist knapp formuliert das Ergebnis einer beachtlichen Studie, die Philipp Münch zur "militärischen Handlungslogik in internationalen Interventionen" am Beispiel der Bundeswehr vorgelegt hat. Sie reicht weit über den militärischen Bereich hinaus. Herausgegeben wurde sie vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Da sie als Dissertation entstand, ist es zwar keine kurzweilige Lektüre, bringt jedoch aufschlussreiche Erkenntnisse. Dazu gehört der deutlich herausgearbeitete Gegensatz zwischen "Bürokraten und Kriegern" (III. Kapitel), der folgerichtig im letzten Kapitel mit dem Thema "Bürokratisierung der Welt" endet.

Für die USA gelten teilweise andere Bedingungen, aber für die meisten europäischen Nato-Mitglieder hält Münch zu Recht fest, dass diese mehr oder weniger ungeeignet für längere Militärinterventionen in fremden Kulturkreisen wären. Dies läge auch an illusorischen Vorstellungen von Nationenbildung oder "Friedensstiftung", wie sie von Politikern gern angeführt würden. Ganz besonders gilt dies aber für den Einsatz der Bundeswehr.

Bemerkenswert ist Münchs Kritik am aktuellen Zustand der Bundeswehr. Sie zeigt, dass einstige traditionelle Vorteile deutscher Truppen inzwischen weitgehend verloren gegangen sind. Dies betrifft den Ruin der berühmten Auftragstaktik, die Behinderung des "Gesetzes des Handelns", also der Initiative, die Missachtung des Faktors "Zeit", eine gestiegene Absicherungsmentalität, allgemein also die Vernachlässigung bewährter Traditionen, das Fehlen klarer Hierarchien und Verantwortlichkeiten sowie der Einsatz von Juristen gleichsam als "Politkommissare" in der Truppe.

Als Soziologe betrachtet Münch das Verhalten der Akteure, in diesem Fall der Bundesregierung, Ministerialbürokratie und der Truppe. Durch das Fehlen realistischer strategischer Ziele gebe es kein Gesamtinteresse an einer Zielerreichung, nur wechselnde Rivalitäten unterschiedlicher Politik-, Verwaltungs- und Kommandoebenen. Durch unterschiedliche Vorstellungen ziviler und militärischer Institutionen und Organisationen (Frieden, Bildung, Emanzipation, Entwicklung usw.) zerfasere das Handeln vor Ort und so bleibe vielfach nur symbolische Politik. Damit müssten sich die Akteure im Lande oft stärker herumschlagen als mit den speziellen regionalen kulturellen Verhältnissen, einschließlich zu bekämpfender Gegner wie der Taliban.

Das grundsätzliche Problem sei international: eine bürokratische, auf Mittel statt auf strategische Ziele zentrierte Politik. Die "auch innerstaatlich zu beobachtende Tendenz der Entpolitisierung" gelte auch für die internationalen Beziehungen. Die, so Münch, würden zu "Verwaltungsgegenständen", "vorangetrieben von den Interessen der beteiligten Institutionen und den Ereignissen, die sich ihnen in den Weg stellen". Gerade angesichts wieder stärker auflebender Diskussionen um internationale "Ursachenbekämpfung" lässt die geschilderte Praxis westlicher Interventionen für die Zukunft nichts Gutes erwarten. Deshalb ist Münchs Studie auch für an internationaler Politik Interessierte spannend.

(RP)
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