Ruhrtriennale Schwierig: Proust auf Zeche Zweckel

Gladbeck · Bei der Ruhrtriennale machte die Inszenierung von "Die Franzosen" ratlos.

Zumindest für ein nicht-polnischsprachiges Publikum musste dieser Abend an seinen Voraussetzungen scheitern: Die Ruhrtriennale hatte den polnischen Star-Regisseur Krzysztof Warlikowski eingeladen, das von Prousts Roman-Zyklus "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" inspirierte Gesellschaftsbild "Die Franzosen" zu inszenieren. Er tat das mit Schauspiel-Stars aus der polnischen Theater- und Filmszene auf Polnisch - die Koproduktion wandert danach an sein Nowy Teatr in Warschau. Ein der Sprache nicht mächtiges Publikum musste deshalb auf Obertitel zurückgreifen, die links auf Deutsch und rechts auf Englisch mitliefen. In einem fünfstündigen, naturgemäß extrem sprachlastigen Stück ist das eine Zumutung.

Die Maschinenhalle der Gladbecker Zeche Zweckel ist der perfekte Ort für ein Proust-Projekt: Hinter den Fenstern sieht das Publikum die Sonne untergehen. Man schaut dem Pariser Salon, den Warlikowski in einer Glasvitrine wie in einem Gefangenentransport oder Deportations-Zug einfahren lässt, zu, wie er in die Nacht gleitet, in einen delirierenden Erinnerungsraum.

Bald gehört die Bühne allein einem jungen Mann, Bartosz Gelner, der als Erzähler mit dem Rücken zum Publikum an der Bar sitzt und bedeutungsschwer Themen durchexerziert, die den Abend bestimmen werden: Homosexualität und Perversion. Dazu kommen Antisemitismus, die Kriminalität und Brutalität der Mächtigen, Schmach und Schande. Schade nur, dass nach etwa zwei Stunden vom wechselnden Blick ins helle Inszenierungslicht und auf die matten Obertitel die Augen brennen und es unmöglich wird, dem Geschehen zu folgen, diesem Reigen aus Prousts Jahrhundertwende-Figuren, die langsam ins Heute driften und zum Schluss als Untote an der Rampe sitzen.

Auf der Heimfahrt nutzen zwei Anfang Zwanzigjährige Couchsurferinnen die Mitfahrgelegenheit. Sie sind extra aus Warschau angereist, weil sie Warlokowskis Arbeiten lieben - Theater-Groupies sozusagen. "Der Abend bestand aus Puzzleteilen, die sich nicht zusammenfügten", sagen sie. Der Regisseur habe mit Themen und Bildern gearbeitet, die man in vielen seiner Arbeiten finde. Doch obwohl sie sich bereits Prousts Mammutwerk eingelesen haben, ergab die die Inszenierung für sie keinen Sinn.

Das quasi inklusive Ruhrtriennale-Motto "Seid Umschlungen" des Intendanten Johan Simons geht nicht wirklich auf. Wenn nämlich selbst polnischsprachige Warlokowski-Fans "Die Franzosen" kaum verstehen - ein Publikum aus der Region wird sich geärgert haben über diesen Abend der verlorenen Zeit.

(RP)
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