Köln Beichte auf den Stufen des Kölner Doms

Köln · Weihbischof Ansgar Puff ist zu sprechen - immer montags, auf der Treppe hinauf zum Dom.

Der Weihbischof hat ein Steppkissen von seinem Balkon unter dem Arm. Gemächlich schlendert er über die Kölner Domplatte zu den Stufen, die zum Bahnhof hinunter führen. Da wird er schon angesprochen. Ein Ehepaar mit erwachsenem Sohn ist zu Besuch in Köln und hat am Morgen eine Sendung im Domradio gehört. Darin hatte Ansgar Puff etwas berichtet, das die Familie sehr berührt hatte, da es ihr eigenes Schicksal betrifft. Sie sind gekommen, dem Bischof davon zu erzählen. Mitten im Gedränge bilden sie einen kleinen Zirkel um den Bischof, neigen einander die Köpfe zu, sprechen gedämpft. Ein intimer Moment, mitten in der Öffentlichkeit.

Es ist Montag, 17 Uhr 30: Beichtgelegenheit mit Ansgar Puff. Seit einiger Zeit bietet der Weihbischof diese Möglichkeit auf den Stufen open-air an, bei schlechtem Wetter sitzt er im Dom. "Kirche muss raus aus der Kirche, mitten hinein ins Leben", sagt Puff. Schon als Pfarrer im Süden Düsseldorfs habe er solche Gesprächsangebote gemacht. "Die Schwelle, einen Beichtstuhl oder ein Beichtzimmer zu betreten oder nur einen Termin im Büro auszumachen, ist für viele zu hoch", sagt er. Draußen vor dem Dom aber käme er unkompliziert mit den Menschen ins Gespräch. Sie erkennen ihn an der Priesterkleidung, sehen sein Kissen, nehmen Platz. Weil er immer montags ab 17 Uhr 30 für eine Dreiviertelstunde auf den Stufen hockt - dann muss er zur Abendmesse in den Dom -, kommen manche auch gezielt zu ihm. So wie der ältere Herr, der extra aus dem Rhein-Sieg-Kreis angereist ist. "Da spar' ich mir die ganze Bürokratie, um einen Termin beim Bischof zu bekommen", sagt er, "hier erwische ich ihn direkt." Seinen Namen will er nicht verraten, er hat Vertrauliches aus seiner Gemeinde mit dem Bischof zu bereden. Etwa eine Viertelstunde sind die beiden dann ins Gespräch vertieft, während die Menschen um sie herum treppauf, treppab eilen.

So schafft die bewegte Menschenmenge Raum für Zwiegespräche. Zwischen Pendlern, die zu den Zügen hasten, Touristen, die langsam die Stufen nehmen, um den Dom irgendwie aufs Foto zu bekommen und Jugendlichen, die es sich mit Frozen-Yoghurt-Bechern auf den Stufen gemütlich machen, spricht Puff über Lebensfragen, hört von persönlichen Krisen, Schicksalsschlägen, manchmal auch nur vom Alltag in einer Pfarrei. Die Ehe für alle ist auf den Stufen kein Thema, die Menschen erzählen eher von sich. An diesem Tag kommt auch einer, um sich über die Belästigung durch Touristen im Dom zu beschweren. Alles findet Gehör. "Dieser Ort ist mitten in der Öffentlichkeit und zugleich sehr diskret", sagt Puff, "das ist das Geheimnis dieser Treppe."

Der Weihbischof, der in Mönchengladbach geboren wurde, hat diesmal ein "Te Deum" mitgebracht. Als eine Weile niemand kommt, schlägt er das Büchlein auf, macht sich Notizen - für die nächste Predigt. Es gab schon Montage, da standen die Leute Schlange, um sich zum Bischof auf das Kissen zu setzen. "Manchmal hocke ich auch alleine hier, seh' mir die Leute an, bete für sie", sagt Puff.

Im Gespräch überlässt er es den Menschen, wie religiös die Unterhaltung wird, ob sie etwa ein Vaterunser mit ihm sprechen wollen oder nicht. "Manche kommen gezielt, um Schuld abzuladen oder das Sakrament der Versöhnung zu bekommen, andere wollen nur reden", sagt Puff. "Ich zwinge niemandem etwas auf." Als Seelsorger wolle er nur nah bei den Leuten sein, neue Wege der Begleitung ausprobieren. "Kirche ist keine Sonderwelt", sagt der Weihbischof, "Kirche geschieht genau hier."

(dok)
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